Viele Menschen sind selten aufgeregter als vor einem Bewerbungsgespräch. Manchmal geht es vielleicht um den persönlichen Traumjob, andere stehen unter Druck, weil sie beispielsweise arbeitslos sind und unbedingt wieder arbeiten wollen.
In die Vorbereitung auf das Jobinterview stecken Bewerber:innen oft viel Zeit und Mühe. Schließlich will man sich von seiner besten Seite zeigen und den potenziellen Arbeitgeber von sich überzeugen. Doch mittlerweile müssen auch Arbeitgeber selbst Überzeugungsarbeit leisten, weil es immer wieder mehr Stellen als Bewerber:innen gibt.
Viele Unternehmen konkurrieren um qualifizierte Arbeitskräfte und sollten eigentlich großes Interesse daran haben, sich ebenfalls von ihrer besten Seite zu zeigen.
Dass das aber nicht immer der Fall ist, zeigt eine neue Umfrage der Software-Firma Softgarden, die sich auf Recruiting-Lösungen spezialisiert hat. Zwischen Mai und Juli 2024 hat Softgarden über 5000 Bewerber:innen nach ihren Erfahrungen in Jobinterviews befragt. Und die waren teilweise alles andere als positiv.
Demnach hätte ungefähr ein Drittel der Jobsuchenden erlebt, dass ihre Gesprächspartner:innen nicht richtig erklären konnten, worin die Aufgaben im ausgeschriebenen Job genau bestehen. Ähnlich viele Arbeitgeber drucksten beim Gehalt herum. Etwa ein Fünftel der Befragten gab zudem an, in den Gesprächen herablassendes Verhalten erlebt zu haben.
Dazu haben einige Bewerber:innen in der Umfrage ihre haarsträubendsten Erlebnisse geteilt. Dem "Spiegel" lagen die anekdotischen Berichte vor Veröffentlichung vor. Demnach erklärte zum Beispiel eine Frau, die sich auf eine Ausbildungsstelle als Köchin bewarb:
Bei einem anderen Bewerber dauerte das Gespräch deutlich länger, allerdings hatte er kaum Zeit, sich vorzustellen. Denn von insgesamt 50 Minuten Vorstellungsgespräch soll der HR-Manager satte 43 selbst gesprochen haben. Demnach blieben nur sieben Minuten für den Bewerber übrig.
Eine andere Person berichtet davon, dass sie im Bewerbungsgespräch plötzlich einen unangekündigten Test absolvieren sollte. "Die Gesprächspartnerin wollte mich dabei allein im Raum lassen. Um aber sicherzustellen, dass ich beim Test nicht schummeln kann, wollte sie mir mein Handy abnehmen", wird die Person zitiert.
Alleinerziehende Eltern stehen bei der Jobsuche unter besonders großem Druck, weil sie nicht nur ihren eigenen Lebensunterhalt, sondern auch den ihres Kindes oder ihrer Kinder finanzieren müssen. Gleichzeitig ist es ihnen vielleicht nur möglich, in Teilzeit zu arbeiten. Klar, dass das auch beim Bewerbungsgespräch zur Sprache kommen kann.
Ein alleinerziehender Vater berichtet aber von einer ziemlich unverschämten Frage vonseiten des potenziellen Arbeitgebers: "Die haben mich gefragt, ob ich mein Kind zur Mutter geben könnte, dann könnten wir ja weiter über eine Einstellung reden."
Ein weiterer Umfrageteilnehmer schreibt, dass er als Erstes nicht etwa nach seiner Anreise oder seinem Wohlbefinden gefragt wurde, sondern nach seiner Herkunft beziehungsweise Nationalität.
Abgesehen von solchen übergriffigen Fragen, scheinen einige Gesprächspartner:innen auch schlecht vorbereitet gewesen zu sein. Einige hätten die falschen Bewerbungsunterlagen vorliegen gehabt oder seien bei Fragen zu konkreten Aufgabenfeldern und Gehalt ausgewichen. "Das Gehalt wäre doch zweitrangig, bei dem tollen Job", soll eine Bewerberin gesagt bekommen haben.
Ob sich diese Situationen so alle wirklich zugetragen haben, lässt sich nicht überprüfen. Klar ist aber: Wenn Arbeitgeber:innen völlig unvorbereitet in Vorstellungsgespräche gehen und/oder übergriffige Fragen vom Stapel lassen, sucht zumindest ein Teil der Bewerber:innen schnell das Weite.
In der Umfrage gab nämlich jede dritte Person an, wegen des Verhaltens der Gesprächspartner:innen im Jobinterview schon einen Bewerbungsprozess abgebrochen zu haben.