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Frankreich: Das makabre Spiel auf dem Wohnungsmarkt in Paris

Parisians and tourists mix on a street near the Sacre Coeur of Montmartre Basilica, ahead of the 2024 Summer Olympics, Monday, July 22, 2024, in Paris, France. (AP Photo/Rebecca Blackwell)
Oh là là! Eine Pariser Wohnung zum Spottpreis … weil jemand gestorben ist.Bild: AP / Rebecca Blackwell
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Paris: Investoren sind heiß auf Rentnerwohnungen – dahinter steckt makabre Strategie

Paris ist die Stadt der Lichter, der Liebe und der unvergleichlichen Lebenskunst. Doch der Traum vom Pariser Leben bleibt für viele eine Faszination. Aus ihm ist ein Luxus geworden, den sich nur die wenigsten leisten können.
18.08.2025, 16:5218.08.2025, 16:52
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Die Wohnungsnot in Paris gilt als eine der drängendsten in Europa: Quadratmeterpreise schnellen seit Jahren in die Höhe, erschwinglicher Wohnraum ist mittlerweile kaum noch zu finden.

Familien ziehen ins Umland, Studierende teilen sich winzige Studios, und selbst wohlhabende Investoren müssen tief in die Tasche greifen, um eine Wohnung im Zentrum zu sichern.

Zwischen romantischer Kulisse und harter Realität wächst eine Kluft, die immer neue, teils befremdliche Geschäftsmodelle hervorbringt.

Frankreich: Das makabre Wohnungsspiel mit dem Tod

So auch das sogenannte Viager-Modell, ein Kaufvertrag, der Investor:innen wie auch Senior:innen in den letzten Jahren immer stärker anzieht.

Der Deal scheint einfach: Ein:e Käufer:in erwirbt eine Immobilie stark vergünstigt, zahlt einen anfänglichen Betrag und verpflichtet sich anschließend, den Eigentümer bis zu dessen Tod monatlich finanziell zu unterstützen. Solange der Senior lebt, darf er meist in seiner Wohnung bleiben.

Für beide Seiten ist es eine Wette auf die Zeit – mit allen moralischen Grauzonen. Je länger die bisherige Eigentümerschaft lebt, desto teurer wird das Investment. Tritt der Todesfall früh ein, entpuppt sich das Geschäft als Schnäppchen.

Die Praxis reicht bis in die Antike zurück. "Damals überließen Ältere ihre Häuser Kindern oder Neffen gegen eine kleine Zahlung und das Recht, weiter darin zu wohnen", erklärt der Pariser Makler Fréderic Coubronne gegenüber CNN. Mittlerweile existiert das Modell auch in Spanien, Italien und Belgien.

Altersarmut in Paris wird durch Wohnungsverkauf verhindert

Im Wandel der Jahrhunderte hat sich die gesellschaftliche Norm geändert, und mittlerweile ist das Modell vor allem für Menschen ohne Erben attraktiv. "Wenn ich Kinder hätte, würde ich wollen, dass sie es erben", erzählt der 74-jährige Psychoanalytiker André Helman CNN.

"So kann ich in meiner Wohnung bleiben und habe ein gesichertes Einkommen."
André Helman gegenüber CNN

Seine Einzimmerwohnung in Paris verkaufte er für 250.000 Euro – etwa die Hälfte des Marktwerts – an die 21-jährige Modestudentin Ylla Heron. "Ich brauche die Wohnung jetzt noch nicht", erklärt sie. In 20 bis 30 Jahren sei es dann ein "echtes Schnäppchen".

"Am Anfang fühlte es sich ein wenig makaber an. Ich dachte die ganze Zeit: 'Ich will doch nicht glücklich sein, wenn jemand stirbt'", gesteht die amerikanisch-iranische Investorin Homa Raevel gegenüber CNN. Doch "mit dem Viager hilft man älteren Menschen, in ihrem Zuhause zu bleiben, während man ihnen zugleich finanzielle Sicherheit gibt – es ist eine Win-win-Situation".

Pariser Wohnungsmarkt: Die (Fehl-)Kalkulation mit dem Tod

Doch für Käufer:innen birgt das Modell erhebliche Unsicherheiten. Neben der Anzahlung, dem sogenannten bouquet, müssen über Jahre monatliche Raten an die Verkäufer:innen gezahlt werden.

"Ich kalkuliere immer damit, dass die verkaufende Person 100 wird", erklärt Raevel, die vier Viager-Wohnungen in Paris besitzt. "Wenn sie länger lebt, mache ich vielleicht keinen Gewinn. Aber solange der Markt stabil bleibt, gehe ich als Gewinnerin hervor."

Dass sich die Rechnung nicht immer ausgeht, zeigt jedoch ein berühmtes Beispiel: Jeanne Calment, die älteste Frau der Welt, unterschrieb mit 90 einen Viager-Vertrag – und lebte noch 32 Jahre weiter.

Am Ende überlebte sie sogar den Käufer um zwei Jahre. Dessen Familie musste weiter zahlen, bis Calment im Alter von 122 Jahren starb.

Frau erstickt an Madeleines – geschenkt von Viager-Partner

Auch wenn das Geschäft in jedem Falle mit dem Tod der Verkäufer:innen endet, birgt es große Risiken für sie. So starb 2019 die 92-jährige Yvette Brisset, die ihr Haus in Montbazon bereits 1995 im Rahmen eines Viager-Vertrags veräußert hatte. Ihr Käufer, Alain Jousselin, hatte ihr über Jahrzehnte hinweg monatlich 500 Euro überwiesen.

Als Brisset eines Abends an einem Madeleine-Küchlein erstickte – ausgerechnet von Jousselin mitgebracht –, regte sich schnell Misstrauen. "Die einzige Verbindung zwischen ihnen war der Viager", schrieb ihre Enkelin laut CNN. Ein kaltblütiger Mord ließ sich Jousselin bisher jedoch nicht nachweisen.

So bewegt sich das Pariser Viager-System zwischen Solidarität und makabrem Spiel mit der Zeit. Für manche ist es die Rettung im Alter, für andere eine zynische Investition. Doch die Nachfrage steigt – und je knapper Wohnraum in Paris wird, desto heißer laufen die Geschäfte mit den Rentnerwohnungen.

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