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Medizin auf Social Media: Wie gefährlich Tipps aus dem Internet sein können

Sport ist gut für dich. Aber: Nicht jeder vermeintliche Tipp hilft dabei.
Sport ist gut für dich. Aber: Nicht jeder vermeintliche Tipp hilft dabei.Bild: shutterstock / ivector
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Gefährliche Influencer-Tipps: Warum Gesundheitstrends auf Social Media schädlich sein können

Julia Saliger ist angehende Ärztin. In ihrer watson-Kolumne schreibt die 25-Jährige über ihr Leben, ihre Emotionen und ihre Erfahrungen zwischen Kittel, Klinik und Kaffeeküche.
20.02.2024, 19:3620.02.2024, 19:37
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"Entgiftungsdrinks" für unsere Körper, Selbstdiagnosetools für psychische Erkrankungen oder Osteopath:innen, die die wildesten, lautstark knackenden Verrenkungen durchführen: Tiktok und Instagram sind voll mit solchen Videos und Posts, die von Millionen Zuschauer:innen konsumiert, wenig hinterfragt und bedenkenlos nachgeahmt werden.

In der Theorie ist das nicht verwerflich, man möchte sich ja nur gesundheitlich etwas Gutes tun. Doch es gibt auch eine andere Seite der Medaille – die Person vor der Kamera, der es oft nur um Reichweite und Erfolg geht.

Jedoch: Zu viele Influencer:innen suggerieren Professionalität oder gaukeln Fachkenntnis durch eine medizinische Ausbildung vor. Das schafft Vertrauen bei den Zusehenden. Auch ich bin schon auf diesen Trick hereingefallen.

Julia Saliger macht in München ihr Praktisches Jahr. Hier findest du sie auf Tiktok.
Julia Saliger macht in München ihr Praktisches Jahr. Hier findest du sie auf Tiktok.bild: privat

Eine Influencerin und Physiotherapeutin hat den Effekt der Glaubwürdigkeit genutzt, sich zu Beginn eines Instagram-Videos mit ihrem Beruf vorgestellt und über "gefährliche" Sportübungen berichtet. Sie hat plakative Fehlinformationen verbreitet, um am Ende des Videos aufzudecken, dass die Zuschauer:innen ihr wegen ihres Jobs vertrauten. Jedoch: Die Informationen waren völliger Nonsens.

Ich bin fitnessaffin, treibe regelmäßig Kraftsport und bin mit einigen Sportwissenschaftler:innen befreundet. Ich bilde mich regelmäßig medizinisch im Bereich Sport und Ernährung weiter. Dennoch zweifelte ich kurz an meinem Wissen, während ich den Ausführungen der Frau lauschte.

Offensichtlich brauchte es nur jemanden aus dem erweiterten Gesundheitssektor, um mich zu verunsichern.

Das hat mich nachdenklich gemacht.

Ich frage mich seither: Wie wirken all diese "Tipps für Klicks"-Clips auf den Bankkaufmann, die BWL-Studentin oder die Konzertpianistin, die sich in Ihrer Freizeit vielleicht ein wenig mit den Themen Medizin und Gesundheit auseinandersetzen, fachlich im Gegensatz zu mir aber keine Ahnung haben können? Schaffen es Videos mit der Überschrift "Was dir kein Arzt verrät", das Vertrauen zu Ärzt:innen nachhaltig zu schwächen?

Führt das dazu, dass Menschen lieber auf eigene Faust wegen eines Tiktok-Videos handeln, anstatt professionellen Rat in Anspruch zu nehmen? Bringen sich Menschen selbst in Gefahr, weil sie plötzlich ihre chronische Krankheit selbst heilen und auf medizinische Betreuung verzichten wollen, weil es eine Influencerin auch so macht?

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Immer wieder erlebe ich Patient:innen, die überzeugt davon sind, wir Mediziner:innen würden ihnen teure Behandlungen, schädliche Chemie in Form von Medikamenten oder unnötige Antibiotika verschreiben wollen und aktiv verschweigen, dass sie sich auch anders heilen könnten. Alles, um uns selbst daran zu bereichern.

Es ist paradox: Raten wir Patient:innen dazu, ihre Ernährung umzustellen, Sport zu machen oder auf Alkohol zu verzichten, um gesund zu bleiben, werden wir belächelt und um ein Medikamentenrezept gebeten.

Sehen wir die folgenschweren Risiken einer bereits bestehenden Erkrankung und raten Patient:innen dazu, medikamentös zu intervenieren, werden wir auch belächelt. Plötzlich möchte man kein Rezept, sondern das Problem anders in den Griff bekommen.

Wo kommt dieses Misstrauen her? Was machen wir falsch?

Jeden Tag sehe ich auf Tiktok oder Instagram ein neues, millionenfach angeschautes Video, in dem medizinische Fehlinformationen verbreitet werden. Während Ärzt:innen, Medizinstudent:innen und weiteres medizinisches Fachpersonal im Alltag bemüht sind, diesem Quatsch zu widersprechen und mit Internetmythen aufzuräumen; ohne dabei ebenso plakativ vorgehen zu müssen, um irgendeine Reichweite zu generieren.

Eigenverantwortung für die Gesundheit zu übernehmen ist wichtig und mit ein Grund, warum ich selbst aktive Aufklärung in sozialen Medien betreibe. Und ja, natürlich kann es gut sein, sich im Internet zu informieren. Hinterfragt gerne Vorschläge eurer Ärzt:innen und macht euch für partizipative Entscheidungsfindungen stark. Und ja, es gibt ganz hervorragende Informationsquellen auf Social Media.

Aber vergesst bitte nie: Wenn ihr euren Ärzt:innen Vertrauen schenkt, hört ihr auf Fachpersonal, das die nötige Weitsicht bezüglich eurer Erkrankung oder Probleme hat. Ganz im Gegensatz zu irgendwelchen Influencer:innen, die euch mit ihren Ratschlägen im schlimmsten Fall schaden. Ob sie es wollen oder nicht.

Sextoys einbinden: Wie schlage ich das vor, ohne zu beleidigen?

Über Sextoys scheiden sich die Geister. Manch eine:r schwört auf Plugs, Pulsatoren und Peitschen im Bett. Andere wiederum empfinden das ganze "Gerümpel" als abturnend und überflüssig. Das Thema anzusprechen wagen aber nicht alle Menschen, denn manch ein:e Sexpartner:in reagiert auf den Vorschlag nicht begeistert – sondern vielmehr beleidigt.

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