Es kommt vor, dass sich große Unternehmen politisch positionieren. Manchmal artet das in einer Peinlichkeit aus, etwa wenn sich großspuriges Auftreten doch eher als schmalbrüstiger Marketingstunt entpuppt. Volkswagen zeigte 2021 etwa auf seinen Instagram-Accounts Regenbogenfarben, nur eben nicht in Katar und Saudi-Arabien. Profitinteressen und Progressivität beißen sich offenbar.
Jetzt startet Edeka eine Anzeigenkampagne im Zuge der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen. Der Handelsriese warnt dabei vor einer Partei, ohne sie direkt zu benennen. Anders als VW damals nutzt der Handelsriese dafür eine Reihe an Kanälen, trotzdem bleibt die Aktion ein wenig zahnlos.
"Für Edeka gilt: Blau ist keine Alternative. Weder bei Obst & Gemüse noch bei den anstehenden Wahlen", sagte der Konzern bereits auf Instagram und Tiktok. Ergänzt wird das Ganze jetzt noch mit ganzseitigen Anzeigen in reichweitenstarken Zeitungen, etwa der "Frankfurter Allgemeine" und der "Zeit".
Darin heißt es unter anderem: "Die Evolution hat uns gelehrt: Blau ist keine gute Wahl." Es geht um Unverträglichkeiten. Der passende Titel dazu: "Warum bei Edeka blau nicht zur Wahl steht." Um nochmal klarzumachen, worum es geht, folgt ein Wahlaufruf: "Lasst uns also zu den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September die Warnhinweise richtig lesen – und für ein verträgliches Miteinander sorgen."
Die AfD wird allerdings nicht direkt genannt, wobei "Die Blauen", wie es in der Kampagne heißt, als Synonym für die Partei steht. Sie meldete die Bezeichnung als Wort- und Bildmarke sogar beim Patentamt an. Der Frage, warum Edeka nicht einfach "AfD" schreibt, bleibt der Konzern eine Antwort schuldig.
Stattdessen sagt ein Sprecher gegenüber watson: "Für den Edeka-Verbund sind Vielfalt, Toleranz und das Bekenntnis zu einer offenen Gesellschaft elementare Werte, zu denen wir uns bekennen und die in unserem Selbstverständnis verankert sind", was im Grunde nochmal der Anzeigentext ist.
Edeka duckt sich unter einer Reihe Fragen weg, möchte sie schlicht nicht beantworten. Zum Beispiel fragte watson auch, ob die Sorge besteht, Kund:innen zu vergraulen, ob der Konzern mit Umsatzeinbußen rechnet und ob im Rahmen der Aktion Sorge um die Sicherheit der Mitarbeiter:innen besteht. Immerhin könnten Anfeindungen gegen jene drohen, die bei derlei Aktionen ohnehin kein Mitspracherecht haben.
Welches Obst und Gemüse denn eigentlich blau ist, wenn schon davor gewarnt wird, klärt der Konzern ebenfalls nicht. War zwar nur eine Spielerei, eine Scherzfrage.
Aber wenn es heißt, in Edekas Obst- und Gemüseregal gebe es keine blauen Lebensmittel aus gutem Grund, kann die Frage nicht schaden. Hat dann schließlich mehr mit der Verfügbarkeit als mit einer Wahlentscheidung zu tun. Mal abgesehen davon, dass grün mit Gift assoziiert wird, was jedoch an dieser Stelle nichts mit der namensverwandten Partei zu tun hat.
Die Frage ist, wie wirksam Edekas Aktion letztlich sein wird. AfD-Wähler:innen werden sich anhand dessen kaum umentscheiden.
Und auch die Läden der Kette werden sie nicht boykottieren, dafür ist sie zu weit verbreitet. Klassischer Fall von Hyperpolitik, was bedeutet, dass etwas politisch aufgeladen wird, aber ohne politische Folgen bleibt.
Von außen betrachtet mag das Ganze ja wie ein entschlossener Beitrag zum Kampf gegen rechts wirken. Doch in der Ausführung ähnelt dieser eher Schattenboxen. Nicht ganz so feige wie VW, keine Frage, aber eben auch nicht mutig.