Der Moment, in dem man Mutter wird, verändert das ganze Leben. Partnerschaft, Freunde und Interessen werden davon beeinflusst und auch das Denken verändert sich. Man erschafft also nicht nur einen neuen Menschen, nein, auch man selbst wird ein neuer Mensch. Seit einiger Zeit gibt es für diesen tiefgreifenden Wandel auf körperlicher, psychischer und sozialer Ebene sogar einen Begriff: Muttertät.
Die Forschung zu diesem Phänomen zeigte, dass sich durch die Geburt und die Veränderungen der Hormone tatsächlich die Struktur des Gehirns verändert. Diese tiefgreifende und langanhaltende Transformation vergleichen Experten sogar mit der Pubertät in der Jugend. Die Veränderung ist so stark, dass sogar Gehirn-Scans erkennen können, ob eine Frau eine Mutter ist oder nicht.
Dieser Wandel im Denken und Fühlen beschränkt sich aber nicht nur auf mein Privatleben, sondern beeinflusst auch meinen Job. Seit ich Mutter bin, arbeite ich anders.
Am auffälligsten ist natürlich die Effizienz. Als Mama lernt man schnell: Wer neben dem Kind noch das eigene Leben auf die Reihe kriegen will, muss effizient sein in allem, was man tut. Vor allem aber in der Arbeit. Schnell, konzentriert und gründlich. Unsere innere Uhr tickt vielleicht nicht mehr in Sachen Kinderkriegen, dafür klickt im Hinterkopf jeden Tag penetrant und beständig der Countdown der Kindergarten-Betreuungszeit auf null zu.
Unsere Kolleg:innen können meist entspannt in die Mittagspause gehen, während wir Mamas verkrampft versuchen, den Berg an Aufgaben auf unserem Schreibtisch abzuarbeiten, um es ja rechtzeitig zur Abholzeit in die Kita zu schaffen.
Es ist der Alptraum jeder berufstätigen Mutter: Abgehetzt und verschwitzt an der Kita anzukommen, um dem vorwurfsvollen – und im schlimmsten Fall tränenreichen – Blick von Erzieherin und Kind zu begegnen. Erstere, weil sie deinetwegen Überstunden machen muss und letzteres, weil es seit Stunden das letzte Kind in der Betreuung ist. Kann vorkommen, ist menschlich – aber doch: Tief drin wirft der innere Kritiker dann vorwurfsvoll mit Wörtern wie "Rabenmutter", "karrieregeil" und "egoistisch" um sich.
In diesem Video erfährst du, ob du Urlaubsansprüche wiederbekommst, wenn dein Kind krank wird:
Liebe Kolleg:innen: Ihr wundert euch, warum wir Mütter es schaffen, pünktlich zu gehen und trotzdem unser Soll zu erfüllen? Die Wunderformel ist: Nicht zu viele Ratschereien, knappe Mittagspausen und einen inneren Peitschentreiber. Wir arbeiten effizient, weil wir es müssen. Es gibt schlicht keine andere Option.
Ich arbeite aber nicht nur effizienter, seit ich Mutter bin, sondern bin auch einfühlsamer. Bei Interviews oder beim Porträtieren von menschlichen Schicksalen hat mir diese neue emotionale Feinfühligkeit schon oft geholfen. Ich gebe zu: Seit der Geburt meines Kindes überrollen mich die Gefühle auch oft unerwartet.
Beispielsweise rollen, mir selbst rational völlig unverständlich, die Tränen übers Gesicht, wenn ich die erfolgreiche Frauen-Fußball-Nationalmannschaft im Fernsehen sehe. Der Grund: Wie unglaublich schön, dass Frauen auf der Welt zunehmend ihren Traum verwirklichen können. Oder ich heule, wenn Reese Witherspoon im Film "Sweet Home Alabama" das Grab ihres alten Hundes besucht. Klingt albern, ich kann es mir selbst oft nicht erklären, aber es berührt mich einfach und schon rollen die Tränen.
Von dieser Feinfühligkeit und meinem neuen Mama-Wissen – dank Kleinkind-Wutanfall-Terror! –, mit schwierigen Gefühlen umzugehen und vor allem genau hinzuhören und nachzufragen, profitieren auch meine Interviewpartner:innen. Seit der Geburt bin ich empathischer: Statt zu verurteilen, was ich nicht verstehe, frage ich lieber zweimal nach. Statt nachzubohren, warte ich ab und lasse meinem Gegenüber die Zeit, selbst auf mich zuzukommen. Statt meine Sicht der Dinge anzubringen, höre ich zu.
Außerdem arbeite ich, seit ich ein Kind habe, achtsamer. Zumindest versuche ich es. Und zwar nicht nur wegen der ständigen Rückenschmerzen – ein Andenken an das ständige Kleinkind-Tragen – sondern auch, weil ich mit meiner Kraft haushalten muss. Das betrifft die körperliche, aber auch die mentale Ebene.
So habe ich mir beispielsweise fürs Homeoffice einen Aufsatz zum Arbeiten im Stehen gekauft und einen guten Stuhl. Ich habe mich belesen, welche kleinen Bewegungen zwischendurch im Büro gut für den Körper sind. Hier mal ein Stretching des Rückens, da mal die Beinpumpe, das sind alles Kleinigkeiten, die aber überraschend viel bringen. Außerdem versuche ich, auch wenn ich spät dran bin, die Treppe ins Büro zu nehmen, und nicht den Aufzug. Sport fällt als Mama sowieso immer hinten runter, aber wenn mein Körper funktionstüchtig bleiben soll, muss ich ihn ab und zu auch mal fordern.
Auch auf mentaler Ebene hat sich einiges an meiner Arbeitsweise geändert. Ein Listen-Fanatiker war ich schon immer, aber seit ich Mutter bin, habe ich diese Fähigkeit perfektioniert. Ich versuche immer wieder, mir auch mal ruhige Pausen ohne Musik oder Podcast auf den Ohren und ganz ohne Smartphone zu gönnen. Zum Beispiel auf dem Weg zur Kita oder zur Arbeit.
Was auch gut tut, ist, ein paar Minuten nach der Arbeit zu meditieren, um sich mental zu erholen und mit dem Arbeitstag abzuschließen oder während stressiger Arbeitsphasen zwischendrin zwei Minuten einfach mal nur zu sein und zu atmen. Denn diese Leere ordnet nicht nur den Kopf, sie befördert auch meine Kreativität. Und sie lädt meine Akkus wieder auf.
Denn nach der Arbeit gleite ich als Mutter nicht smooth und entspannt in den Feierabend, sondern ich beginne meine zweite – unbezahlte – Arbeitsschicht. Wenn ich das Büro verlasse, kann ich also nicht bereits völlig ausgepowert sein. Es erfordert einiges an Nerven und Kraft, nach dem Job noch einmal fünf Stunden mit einem Kleinkind zu verbringen. Darum ist es wichtig, dass ich mit meinen Kräften haushalte und meine mentalen und körperlichen Ressourcen möglichst effizient einsetze.
Ich gebe aber zu – das klappt bei weitem nicht immer. Der Kampf gegen mein Tab-Chaos mit interessanten Artikeln (Berufskrankheit?) dauert an. Mein innerer Schweinehund ist oft viel zu groß für irgendwelche unangenehmen Dinge und oft bin ich so erschöpft, dass ich einfach froh bin, den Tag hinter mich gebracht zu haben.
Aber ich bin auf einem guten Weg. Ich nehme mich und meine Bedürfnisse ernst. Denn mit einem Burn-out ist weder meiner Familie noch meinem Arbeitgeber geholfen. Und auch wenn ich oft scheitere, sollte ich beherzigen, was ich auch meinem Kind immer sage: Du musst nicht alles sofort hinbekommen. Es kommt vor allem darauf an, dass du es versuchst.