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Solo-Urlaub als Frau: Betroffene berichtet von Übergriff in Kirgisistan

Valerie ist mit ihrem Pferd Zul alleine durch Kirgisistan gereist.
Valerie ist mit ihrem Pferd Zul alleine durch Kirgisistan gereist.Bild: journeyious / valerie kraus
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Solo-Reise als Frau: "Meine Augen haben alles gesagt, aber er hörte nicht auf"

Valerie Kraus ist 29 Jahre alt und auf einer Weltreise mit "open end". Seit 2022 bereist sie Länder zu Pferd, mit dem Motorrad oder auch per Anhalter. Dabei lernt sie unterschiedlichste Kulturen kennen und erkundet abgelegene Orte – erfährt aber auch, wie vulnerabel man als Frau alleine auf Reisen sein kann.
01.12.2025, 20:0901.12.2025, 20:09

Valerie war unterwegs durch Kirgisistan. Alleine, zwei Wochen lang, nur mit einem Pferd, bepackt mit dem Wichtigsten: Zelt, ein paar Klamotten, Utensilien zum Kochen – und ein paar Tools zur Selbstverteidigung wie Messer, Pfefferspray und Glöckchen am Zelt, damit sie hört, sollte sich jemand ungebeten Zugang verschaffen wollen.

Als soloreisende Frau weiß Valerie leider, dass es eine Gefahr gibt, der man in keinem Land entkommen kann: Männer. Auf ihren Reisen hat sie schon in Kasachstan, der Mongolei, Norwegen und auch in Deutschland sexuelle Belästigungen erlebt, die von aufdringlichen Flirtversuchen bis zu nächtlichem Eindringen in ihr Zelt reichen.

Übergriff auf Solo-Reisen: Betroffene teilt Video

Ihre Reise durch Kirgisistan sollte keine Ausnahme sein. Am Morgen des fünften Reisetages war Valerie gerade dabei, ihr Zelt abzubauen und sich für die nächste Etappe vorzubereiten, als sich ihr ein Mann näherte. Der Fremde half Valerie zunächst – ungebeten – mit ihrem Pferd, machte anschließend keine Anstalten, sich wieder zu verabschieden.

Stattdessen folgten Annäherungsversuche. Der Mann wollte Valerie erst zum Tee einladen, wollte wissen, ob sie einen Ehemann habe, ob sie alleine reise, wo sie heute Nacht schlafe, wie viele Leute in ihr Zelt passen – und fragte dann unverblümt und direkt, ob sie mit ihm Sex haben wolle.

Ihr Glück im Unglück: Valerie hat die ganze Zeit über eine Kamera laufen, sie kann den kompletten Vorfall dokumentieren. Auf dem Video ist auch ihre angespannte Haltung zu sehen. Alles an dem Gesichtsausdruck der jungen Frau zeigt, dass sie dieses Gespräch beenden möchte. Gegenüber watson fasst Valerie zusammen, wie sie die Situation empfunden hat:

"Ich habe für einen Moment überlegt, ob es eskalieren könnte. Er war aufdringlich und ich wusste nicht, bis zu welchem Grad er meine Grenzen ignorieren wird. Ich war alleine, lediglich mit meinem Pferd. Aber ich wusste auch, dass ganz in der Nähe Nomadenfamilien waren. Das hat mir ein Gefühl von Sicherheit gegeben, da ich wusste, dass ich im Notfall dort Hilfe finden könnte."

Sie führt aus: "Ich glaube, meine Augen haben alles gesagt, aber er hörte nicht auf. In solchen Situationen baut sich in mir eine enorme Wut auf. Gleichzeitig weiß ich, wie unberechenbar manche Männer reagieren können, wenn sie Ablehnung verspüren."

Deshalb würde sie immer situationsabhängig nach Bauchgefühl reagieren. Denn häufig passieren solche Situationen völlig unerwartet, sodass keine Zeit für strategische Gedanken bleibt. Diesmal fühlte es sich für Valerie am sichersten an, ihn ruhig, aber bestimmt abzuwimmeln, um die Lage nicht anzuheizen.

Man merkt Valerie im Video an, dass sie der Vorfall mitnimmt. Trotzdem setzt sie ihre Reise danach alleine fort. Auf die Frage, wie es ihr nach dem Übergriff ging, sagt sie:

"Natürlich denkt man nach so einem Vorfall viel nach. Fragen wie: 'Zu was wäre er in der Lage gewesen?','Hätte ich aggressiver reagieren müssen?', 'Macht er das bei der nächsten Frau wieder?', 'Wie geht es einheimischen Frauen mit solchen Situationen?'. Solche Gedanken trüben die Stimmung. Dieses Gefühl, das es in mir auslöst, ist schwer zu beschreiben. Eine Mischung aus Wut, Enttäuschung und Ekel."

Sie könne deswegen nachvollziehen, wenn Frauen lieber in Begleitung reisen. Und sie vermutet, dass manche ihr wohl Naivität unterstellen würden, weil sie weiterhin alleine reisen möchte. Doch für Valerie ist das Ausdruck ihrer Resilienz:

"Ich lasse mir mein Leben nicht von Männern diktieren und verfolge deshalb weiterhin meinen großen Wunsch, noch so viel mehr von der Welt zu sehen. Diese Art des Reisens erfüllt mich auf eine Weise, die ich durch nichts ersetzen könnte. Und genau deshalb lasse ich mir das nicht von ein paar Männern verderben, die ihre Grenzen nicht kennen."

Konsequenzen für Übergriff: Mann muss sich öffentlich entschuldigen

Um auf den Vorfall und das strukturelle Problem dahinter aufmerksam zu machen, teilte sie das Video. Was danach passierte, überraschte nicht nur Valerie, sondern auch ihre Community auf Social Media.

Denn der kirgisische Tourismusverband sah das Video und erfuhr so von dem übergriffigen Verhalten des Mannes. Valerie erhielt eine lange, aufrichtige Nachricht des Tourismusverbandes. Man entschuldigte sich im Namen des Landes und versicherte ihr, alles dafür zu tun, damit so etwas in Zukunft nicht mehr passiere.

Und der Verband meinte es ernst: Sie machten sich auf die Suche nach dem Mann – und konnten ihn tatsächlich ausfindig machen. Der Hirte musste sich in einem Video bei Valerie entschuldigen; die kirgisische Presse berichtet dazu ausführlich.

Valerie ist beeindruckt davon, wie schnell und konsequent das Land reagierte: "Es war das komplette Gegenteil von dem, was viele Frauen – auch ich selbst – aus anderen Ländern kennen. Selbst bei wirklich schlimmen Fällen bleibt die Betroffene oft ohne echte Gerechtigkeit oder ohne das Gefühl, dass jemand Verantwortung übernimmt."

Die Frage, ob sie die Entschuldigung des Mannes annehmen konnte, bejaht Valerie. Für sie würde es dazugehören, Menschen eine Chance zu geben, sich zu erklären. Sie hoffe, dass er die Entschuldigung ernst gemeint habe und in Zukunft keine Frau in so eine Situation bringe.

Aus Valeries Sicht muss beim Thema Schutz von Frauen noch einiges getan werden. "Für mich beginnt vieles bei Bildung und Aufklärung. Wir müssen offener darüber sprechen, womit Frauen im Alltag konfrontiert sind, damit überhaupt ein Bewusstsein entstehen kann."

Aber die Wurzel des Problems sehe sie in der Politik. Weltweit seien Frauen in Regierungen unterrepräsentiert. "Wenn Gesetze überwiegend von Männern gemacht werden, werden die Bedürfnisse von Frauen oft nicht ausreichend berücksichtigt. Eine repräsentative Politik würde die Welt deutlich sicherer machen in meinen Augen."

Übergriffe in mehreren Ländern: "Das Problem ist der Mann selbst"

Obwohl Valerie viele Erfahrungen mit übergriffigen Männern machen musste, betont die 29-Jährige, dass es ihr wichtig sei, nicht Männer gegen Frauen aufzuhetzen. Sie wolle Männer für dieses Thema sensibilisieren und Empathie fördern: "Wir müssen gemeinsam an einer besseren Gleichstellung arbeiten. Das passiert nicht von einem Tag auf den anderen. Aber wir müssen jetzt gemeinsam anfangen, diesen Weg zu gehen."

Sie habe auch schon zahlreiche positive Begegnungen beim Reisen mit Männern gehabt:

"Ich bin oft per Anhalter mit Gruppen von Männern gefahren und wurde fast immer wie eine Schwester oder Tochter behandelt. Auch in schwierigen Situationen habe ich ehrliche Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft erfahren. Und das ganz besonders in Zentralasien."

Auch ist es ihr wichtig, dass dieser Übergriff und die Problematik dahinter nicht mit dem Land Kirgisistan in Verbindung gebracht werden, denn es sei ihr absolutes Lieblingsland und sie habe unzählige wunderschöne Erlebnisse mit sehr herzlichen Einheimischen gemacht: "Das Problem ist nicht die Herkunft eines Mannes. Das Problem ist der Mann selbst, nicht das Land."

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