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Mama-Kolumne – Mutter: "Energielevel reicht nur noch für ein Wort: 'Fresse'"

Worried woman working at home and holding her crying little son
Manchmal hat man als Mutter schon am frühen Morgen keine Energie mehr. Bild: E+ / aluxum
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Seit ich Mutter bin, habe ich nur noch einen einzigen Wunsch zum Geburtstag

"Schonungslos ehrlich" – die Mama-Kolumne ohne Insta-Filter
05.10.2020, 12:0612.01.2021, 09:30
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Es gibt Tage, an denen bin ich völlig erschöpft, ausgelaugt, am Ende. Die komplette Energie, die mein Körper für diesen Tag zur Verfügung stellt, ist aufgebraucht – um 8.30 Uhr.

Ich habe meinen Sohn im Kindergarten abgegeben und möchte am liebsten zurück ins Bett, durchschlafen bis zum nächsten Tag, bitteschön. Hinter mir liegt nämlich ein Morgen mit nicht-aufstehen-wollen, nicht-anziehen-wollen, nicht-frühstücken-wollen, schon-gar-nicht-Zähne-putzen-wollen, nicht-diese-Schuhe-tragen-wollen, nicht-ins-Auto-einsteigen-wollen, nicht-aus-dem-Auto-aussteigen-wollen, nicht-in-den-Kindergarten-gehen-wollen. Dazwischen ich, mit Erklärungsversuchen, mit lauter werden, mit Geschrei, mit am Arm packen, mit Gebrüll.

Als ich ihn halb in den Kindergarten zerre, ruft mir eine Mutter verschwörerisch "Tief durchatmen" zu. Mein Energielevel reicht heute eigentlich nur noch für ein einziges Wort:

"Fresse"

Stattdessen lächle ich gequält. An Tagen wie diesen wünsche ich mir nur eines: das berühmte Dorf, das es braucht, ein Kind großzuziehen. Ich würde ihn mittags zu meinen Eltern rüberschieben, um durchzuschnaufen, bis das nicht minder anstrengende Abendprogramm startet. Selbst an Tagen, an denen sich die Trotzphase/der Entwicklungsschub/der "starke Charakter" ausnahmsweise im Zaum halten, gibt es so viele Situationen, in denen ich Hilfe gebrauchen könnte.

Unsere Autorin berichtet über die unschönen Seiten des Mutterdaseins – schonungslos ehrlich.
Unsere Autorin berichtet über die unschönen Seiten des Mutterdaseins – schonungslos ehrlich.Bild: Emmy Lupin Studio
Unsere Autorin...
... wurde mit Anfang 30 Mutter. Und kommt noch immer nicht damit klar, dass ihr altes, schönes Leben seitdem vorbei ist. Sie ist wütend, dass Eltern nie den Mut hatten, zu erzählen, was es wirklich bedeutet, ein Kind zu haben. Aus diesem Grund legt sie alle zwei Wochen den Finger in die Wunde – und berichtet schonungslos. Und weil sie weiß, dass Mütter sehr giftig werden können, wenn es um ihr Heiligstes geht, bleibt sie lieber anonym. Die täglichen Entrüstungsstürme ihres Sohnes reichen ihr völlig aus.

Wenn mein Mann und ich etwas ohne Kind machen wollen, geht das nie spontan

Dabei geht es gar nicht immer um lange Auszeiten, sondern um kleine Momente im Alltag: Mal eben eine Besorgung alleine erledigen, für eine Stunde weiterarbeiten, um die kreative Phase zu nutzen, nach fünf schlimmen Nächten einen Sonntagmorgen ausschlafen dürfen. Ein Schwager, der ihn mit auf den Spielplatz nimmt. Eine befreundete Nachbarin, die in dieser stressigen Woche für mich mit einkauft. Ein Opa, der mittwochs die Kinderturnstunde wuppt. Cousins ums Eck, bei denen ich ihn für einen Nachmittag parken kann, weil die Jungs zusammen ein Selbstläufer sind.

Ich kann mich gut erinnern, wie ich als junges Mädchen bei Freunden meiner Eltern auf die Kinder aufgepasst habe. Mal nachmittags, mal abends, mal am Wochenende. Die Jungs waren wie Geschwister für mich, ein paar Mark gab's auch dafür und am tollsten fand ich, wenn sie mich ab und zu zum Pizzaessen eingeladen haben. Oder auf ein Eis. Alles war unkompliziert und oft spontan.

Nur noch ein einziger Wunsch zum Geburtstag

"Ich wünsche mir ausschließlich Babysitter-Gutscheine von meinen Geschwistern und freie Wochenenden von meiner Schwiegermutter, damit ich entfernte Freunde besuchen kann."

Wenn mein Mann und ich ins Kino gehen möchten, ist alles durchgeplant. Dann kostet uns ein solcher Abend mit Babysitterin – wenn wir es mit Popcorn und Getränk so richtig knallen lassen – fast 80 Euro. Sogar das wäre es mir wert. Doch die Babysitterin, die unser Sohn jetzt kennt und meistens akzeptiert, muss Zeit haben, weil sie selbst Mutter von drei älteren Kindern ist.

So sehr ich immer unabhängig sein und in den Metropolen dieser Welt leben wollte, so sehr verstehe ich jetzt das Prinzip Großfamilie und die Struktur einer Dorfgemeinschaft. Ich habe sogar eine ziemlich große Familie, doch diese ist über fünf Bundesländer verteilt. Inzwischen sehne ich Feiertage und Feste herbei, wenn alle zusammenkommen. Kündigt sich meine Schwester für ein Wochenende an, freue ich mich Tage vorher darauf. Ich wünsche mir ausschließlich Babysitter-Gutscheine von meinen Geschwistern und freie Wochenenden von meiner Schwiegermutter, damit ich entfernte Freunde besuchen kann.

Würde die Familie in derselben Stadt wohnen, wäre das unbezahlbar

Mein eindringlichstes Erlebnis? Durch Corona fiel Verreisen dieses Jahr aus. Stattdessen planten wir eine Woche Sommerurlaub mit der ganzen Familie bei meinen Eltern. Von dort aus wollten wir kleinere Ausflüge in der Umgebung machen. Zum ersten Mal seit drei Jahren kamen Urlaubsgefühle bei mir auf: weil mit Tanten, Onkel, Oma und Opa sechs Rund-um-die-Uhr-Babysitter auf einen Schlag vorhanden waren. Ich hatte meinen sonst sehr anhänglichen Sohn nur noch nachts im Bett an mir kleben. Es war entspannend, erholsam, das Paradies.

"Was tun, wenn die Reserven um 8.30 Uhr bereits verpufft sind? Und, mal ganz nebenbei, wo bleibe ich?"

Die ursprünglichen Großfamilienstrukturen sehen heute jedoch ganz anders aus: Jeder richtet sich nach seinem Job oder Partnerschaften und so verteilen sich Familien übers ganze Land – und manchmal auch über Grenzen hinaus. Wie soll das also funktionieren?

Wie schaffe ich es, ein Kind tagsüber und nachts alleine oder als Paar zu erziehen, es altersgerecht zu bespaßen, seine vielfältigen Bedürfnisse zu erfüllen? Was tun, wenn die Reserven um 8.30 Uhr bereits verpufft sind? Und, mal ganz nebenbei, wo bleibe ich? Meine Arbeit, meine Interessen, mein Leben?

Natürlich lässt sich auch aus Freunden und Bekannten ein Netzwerk aufbauen. Und wer die finanziellen Mittel hat, zieht Dienstleister hinzu. Doch mein noch kinderloser Bruder oder die eigene Mutter sind unbezahlbar. Weil sie für meinen Sohn eben Familie sind. Würden wir in derselben Stadt wohnen, ich könnte immer anrufen. Auch dann, wenn ein schlimmer Montagmorgen hinter mir liegt und der Grund für meinen Hilferuf lauten würde: Ich muss ganz dringend ins Bett, einfach nur schlafen.

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