Angeblich hat die Natur ja alles so eingerichtet, dass es von alleine flutscht. Wehen, Geburt, Milcheinschuss. Schön. Nur frage ich mich, wie sich die Natur eine Schwangerschaft vorstellt, wenn bereits ein erstes Kind auf der Welt ist? Ich verstehe es einfach nicht! Ich kann meinem Bedürfnis, mich zwischendurch hinzulegen, um in den letzten eineinhalb Wochen Kraft und Energie zu schöpfen, nicht nachgehen. Ich finde keine ruhige Minute um, wie von allen Seiten empfohlen, zu entspannen und mich dabei mit meinem Kind zu connecten. Ich kann mir die Nichts-Schweres-Heben-Regel sonst wohin schmieren, weil sie absolut unrealistisch ist. Das Problem? Ich habe einen Vierjährigen im Haus, der nicht akzeptiert, dass mein Zustand seinen Zustand einschränkt.
Sämtliche Veränderungen der letzten Monate sind schon schwierig genug für ihn. Als er erfuhr, dass er ein Geschwisterchen bekommt, freute er sich. Als er erfuhr, dass es ein Mädchen wird, wurde er wütend. Seitdem gibt er regelmäßig schlecht gelaunt kund, dass er doch eigentlich einen Bruder wollte. In schwierigen Entwicklungsphasen, von denen wir in den letzten neun Monaten einige hatten, sucht er meinen wunden Punkt, um Frust abzulassen. Dann kann ich mir anhören, dass das Baby tot sein soll. Zu den letzten Highlights zählt, als mein Mann ihn nach einem Namensvorschlag für das Baby fragte. Er überlegte kurz und antwortete dann völlig trocken: "Scheiße."
Neben diesen psychischen Attacken, die ich stoisch aushalte, sind es die physischen Herausforderungen, die mich zum Teil in die Knie zwingen. Manchmal springt er einfach auf mich drauf. Manchmal vergisst er in seiner Emotionalität, dass es gerade doppelt nicht ok ist, auf mich loszugehen. Nachts kann es passieren, dass er mich in den Bauch tritt. Letztens fand er es spontan sehr lustig, meinen Fuß festzuhalten, sodass ich beinahe die Treppe hinuntergestürzt wäre.
Er möchte vom Kindergarten abgeholt werden, er möchte an den „kurzen“ Kita-Tagen ein Mittagessen gekocht bekommen. Ich muss einkaufen, um die wenigen Dinge, die er isst, im Haus zu haben. Ich muss ständig Wäsche waschen, aufhängen und wegräumen, damit er jeden Tag eine frische Unterhose und Socken hat. Ich muss mit ihm spielen, mit ihm auf Verabredungen gehen, seine Kindergarten-Veranstaltungen besuchen. Dabei möchte ich nur eines: eine Kanne Schwangerschaftstee kochen, mich aufs Sofa legen und Netflix starten, sobald ich vom Frühstückstisch aufstehe. So habe ich in der ersten Schwangerschaft die letzten Wochen überlebt.
Länger als zehn Minuten am Stück laufen ist inzwischen unmöglich, weil die Symphyse schmerzt – ein extrem fieses Ziehen im Schambein. Stehen ist ebenfalls anstrengend. Also suche ich gerade an Nachmittagen, an denen ich meinen Sohn alleine betreuen muss, nach sitzender Beschäftigung: Ich schlage ihm Ballzuwerfen vor, bei dem ich mich auf dem Sofa keinen Zentimeter bewege – so lange, bis der Ball irgendwann meinen Bauch trifft. Ich kaufe ständig neue Bücher, um möglichst viel vorlesen zu können. Ich schalte Hörspiele ein, muss jedoch abbrechen, weil er anfängt, vor Langeweile auf mir herumzuklettern.
Und irgendwann gebe ich auf. Ich breche unsere Regel, dass nur noch am Wochenende geglotzt werden darf und verkaufe es ihm jeden Tag aufs Neue als Ausnahme. Dafür verfrachte ich ihn mit Laptop in den Sessel und liege selbst auf dem Sofa. 24 Minuten Auszeit, so lange dauert seine aktuelle Lieblingssendung. Die Frage am Ende kommt jedes Mal: "Darf ich noch eine?" Seit drei Tagen lautet die Antwort: "Ausnahmsweise, ja!"
Großartig, dass Mütter in Deutschland sechs Wochen vor Geburtstermin Mutterschutz beantragen können, um nicht mehr arbeiten zu müssen. Was ab der zweiten Schwangerschaft zusätzlich dringend nötig wäre? Vaterschutz!