Wie soll das eigentlich gehen, die besten Pommes? Von Selfkant bis Görlitz, von Glücksburg bis Sonthofen, in ganz Deutschland gibt es abertausende Frittenbuden. Sie alle zu testen, endet in einem kardiovaskulären Desaster, belohnt mit einem Freifahrtschein direkt über den Jordan. Allein alle Buden zusammenklauben ist ein Ding der Unmöglichkeit.
Vielleicht macht ein schräger Typ mit Frittenschneider und Freiluftfritteuse die besten Pommes, nur eben in einem schimmligen Hinterhof in Buxtehude, abgeschirmt durch traurige Plattenbauten.
Für das österreichische Kulinarik-Magazin "Falstaff" kein Problem. Das hat nicht nur in Deutschland, sondern (offenbar) europaweit Pommesbuden getestet, mehreren Redakteur:innen (wahrscheinlich) eine Fettleber beschert, dafür aber (tatsächlich) eine Top 5 geschustert. Und siehe da: eine deutsche hat es in die Liste geschafft. Die Berliner Edelfritten-Kette Goldies. Zeit für einen Test!
Der Ersteindruck ist irgendwie enttäuschend. In Filmen und Serien liegen die "besten" Restaurants irgendwo versteckt in den Eingeweiden einer Großstadt, kleine Bretterverschläge mit einem mürrischen Koch/Kassierer/Inhaber; urige Kaschemmen fernab des Glamours der Michelin-Elite, kurz: nach Freiheit müffelnde Underdogs.
Aber Goldies?
Gleich drei Läden gibt es. Alle liebevoll eingereiht in überdrehte Berliner Trend-Viertel. Solche, die sich über die Jahre zu Lieblingskulissen affektierter Filmstudent:innen entwickelten. Doch einer davon sticht heraus, ist praktisch die Beanie-Mütze des Franchise. Das Lokal in der Oranienstraße, direkt neben einem Geschäft mit "Krtzbrg"-Shirts in frisch polierten Schaufenstern.
Aber nicht die verkrampft coole Umgebung hat mich gerade in das Fritten-Etablissement geführt; nicht der verzweifelte Versuch, mittels viel zu neuer Holzvertäfelung alt zu wirken; auch nicht der für eine Imbissbude mit Fritteusendauerfeuer viel zu frische Geruch. Ebenso wenig war es die dröhnende Musik, die jede Unterhaltung in Bässen erstickt. Es war die Portion prätentiöser Trüffel-Pommes, die – ups, Monokel verloren – die mich jedenfalls reizte.
Zwar werden sie im "falstaff" nicht explizit genannt, aber große Ideen brauchen keine Credits. Meine Bestellung wird recht kurz angebunden angenommen, anschließend drückt mir die Dame hinter dem Tresen eine Nummer in die Hand. Eine Frittenbude mit der Effizienz eines Bürgeramts – deutsche Zungen schnalzen.
Während ich auf die Fritten warte, schaue ich nach Leuten, die ich zwecks Recherche beim Essen belästigen kann. Doch da ist niemand. Einsam. Hat Berlin (und der Rest der Welt) den "falstaff" vielleicht gar nicht gelesen?
Erste Zweifel machen sich breit. Vielleicht ist das Magazin nicht die beste Quelle für Frittenfinesse, vielleicht hat es sich sogar geirrt. Und wieso zum Teufel habe ich eine Nummer bekommen? Ohje. Ich werde nervös, starre auf eine Plastik aus Plastik, die aussieht wie ein Stück zertretenes Plastik (oder eine zerknüllte Zeitung) und an der sonst so kargen Restaurantwand irgendwie verloren wirkt. Dann werde ich aufgerufen, meine Fritten sind fertig. Panisch stolpere ich los. Herzrasen, zittrige Hände.
Und was sehe ich?
Liebevoll mit Parmesan besprenkelte Trüffelscheiben, gebettet auf goldgelben Pommes, darüber ein feinmaschiges Netz aus Mayonnaise. 13,50 Euro, jeden Cent war die Optik wert. Ich schaue mich um, nicke den leeren Bänken (und der Plastik) zu und probiere.
An dieser Stelle wird es knifflig. Ich bin kein Foodie, kein Restaurantkritiker, auch kein Fast-Food-Connaisseur. Gar nicht so leicht also, mit dem nicht durch regelmäßiges Geschmacksknospentraining und auf Gastro ausgerichteten Wortschatz das Essen zu beschreiben. Klar, alles war stimmig, Trüffel und Parmesan harmonierten wunderbar mit knusprig fettigen Fritten. Fürs kluge Urteil fehlt mir aber die Expertise.
Doch irgendwie muss das auch ohne gehen. Nur fällt mir dazu lediglich ein Wort ein. Eines, das viel und auch nichts sagt, eines, das das Produkt eines futterkomagelähmten Verstands sein muss: lecker! Also wirklich. Es war großartig.
Ob die Trüffelpommes ihren Preis wert sind, ist eine Frage des Geschmacks. Doch Goldies macht gute Pommes, keine Frage. Und die Toppings, gilt zumindest für meine Variante, sind ausgewogen. Es waren vielleicht nicht die besten Pommes, die ich je gegessen habe. Mein Traditionalisten-Ich bevorzugt eben die klassische Schranke. Trotzdem waren es verdammt gute Pommes.