Über 350.000 Ukrainer und Ukrainerinnen sind seit dem Angriff Russlands schon aus ihrem Heimatland nach Deutschland geflüchtet. Zwar lernen die Kinder in der Ukraine bereits ab der ersten Klasse Englisch oder Deutsch, doch gerade für die ältere Generation kann die Kommunikation mit Hilfsorganisationen und privaten Helfern ein Problem darstellen.
Diese Hürde kennt Alexander Mechow aus eigener Erfahrung. Der gelernte Fotograf begann 2015, sich in der Flüchtlingshilfe für syrische Menschen zu engagieren und erkannte die enorme Bedeutung davon, sich gerade in Notlagen schnell und unkompliziert verständigen zu können. "Wir können uns dieses Kommunikationsproblem aus unserer Sicht hier kaum vorstellen", sagt er im Gespräch mit watson.
Der "Refugee Translator" nutzt selbsterklärende Piktogramme, also kleine und leicht verständliche Icons oder Symbole, zur Verständigung. Dazu gibt es Erläuterungen in den Sprachen Deutsch, Englisch, Ukrainisch, Russisch und Arabisch. So ermöglicht das kleine Booklet die schnelle und präzise Verständigung zwischen den Menschen.
Zwar denke man bei der Lösung eines solchen Problems meist zuerst an eine App, erzählt Mechow, doch diese sei nicht immer besser geeignet.
Dazu komme das Problem störender Hintergrundgeräusche bei einer Übersetzungs-App sowie die Tatsache, dass nicht alle Geflüchteten ein Smartphone hätten. "Dieses Buch ist einfach schneller. Du hast mit einem Fingerzeig sofort das nötige Kapitel und meistens direkt auch den Icon, den du brauchst. Da bist du schneller als beim Smartphone."
Das Buch hat Mechow fast ganz alleine entworfen. Viel von dem nötigen Know-How dafür hat er sich selbst erarbeitet oder hatte es aufgrund seines, wie er es nennt "ungewöhnlichen Lebensweges". Ein Glück für ihn: "Dadurch konnte ich das alles überhaupt auf den Weg bringen. Sonst wäre das ja unbezahlbar", sagt er.
Viel Arbeit sei es aber schon gewesen. "Überall war ich dabei, bei jeder Übergabe, hatte mit jedem Kontakt und hab mir überall die Feedbacks von Menschen, von Helfern und von Geflüchteten geholt." Sogar das Design der Icons und das Verschicken der Pakete hat der gelernte Fotograf selbst übernommen. "Ich habe einfach mal mit einer Seite angefangen. Ich habe mir überlegt: Was würde ich für wichtig halten?"
Irgendwann kamen aber auch Zweifel. Mechow fragte sich, wie er all die Arbeit jemals alleine schaffen solle. "Aber irgendwann saß ich dann ein Jahr dran und es kamen ein paar Leute mit dazu, die mir geholfen haben." Dies sei auch nötig gewesen, wie Mechow erzählt. "Das Ganze frisst dich auf und in der Syrien-Edition ist mir das beinahe auch passiert. Da kommst du nicht mehr zum Schlafen."
Sein Durchhaltevermögen erklärt er damit, dass er "mehr zu den Menschen, die wohin rennen, statt wegzulaufen" gehöre. Außerdem sei er auf Reisen durch die Welt schon selbst in Situationen gewesen, in denen er die Sprache nicht konnte. Da sei man sehr froh, wenn man sich mitteilen könne. Diese Erfahrung habe er sozusagen in Form seines Booklets "nur größer skaliert".
Was aber auch half, weiterzumachen, waren die positiven Rückmeldungen der Geflüchteten, wie Alexander Malchow erzählt.
Nicht nur den Geflüchteten gefiel das Booklet, sondern auch den Behörden und politischen Entscheidungsträgern. So erhielt das Übersetzungstool in seinen verschiedenen Varianten bereits einige Verdienstpreise – sowohl die erste Version "Cuby Helps Refugees" zu Zeiten der Syrien-Krise, als auch das neue "Refugee Welcome Book". Sogar der Bundespräsident bedankte sich durch ein persönliches Schreiben bei dem Berliner.
Zwischendurch sah es trotzdem so aus, als ob Mechow sein Projekt wegen Geld- und Zeitmangel einstampfen müsse. Die spendenbasierte Arbeit durch seine gemeinnützige Plattform, "Einfach Mensch sein", finanzierte zwar zahlreiche Booklets für Hilfsorganisationen, aber nicht seinen Lebensunterhalt.
Denn trotz vieler Preise unterstützte die Politik das Projekt nicht finanziell: "Ich habe es versucht, bin da aber nicht wirklich vorangekommen. Und deswegen jetzt dieser Ansatz, erst mal so viel Impact zu erzeugen, dass die Politik da gar nicht mehr wegschauen kann."
Seit dem Krieg gegen die Ukraine ist das überarbeitete Buch kein Willkommensgeschenk mehr, sondern ein richtiges Übersetzungswerkzeug. Der Ansatz ist nun ebenfalls ein anderer: Das Booklet kann man nicht mehr als Einzelausgabe bestellen, sondern nur in größerem Maßstab und über andere Hilfsvereine bekommen, die von ihren Spenden den "Refugee Translator" bei Mechow erwerben.
Denn sonst sei die dazugehörige Buchführung "ein uferloses Unterfangen". Der 48-Jährige machte anfangs alles allein und sagt: "Ich bin daran ehrlich gesagt, fast zerbrochen."
Die Nachfrage nach seinen Booklets ist groß. Mechow erzählt von Firmen, die ihn anschreiben würden, da sie etwas Nachhaltiges und Sinnvolles mit ihrem Geld tun wollten. Gerade lässt Mechow für die Rotarier "schon die nächsten zehntausend Exemplare nachdrucken." Innerhalb von knapp zwei Wochen habe er somit 30.000 Exemplare produziert.
Mechow sagt: "Ich hoffe, dass das auch die Politik erreicht. Das Booklet ist ja kein teures Instrument, das kostet fast weniger als eine Flasche Wasser." Gerade sei man dabei, mit der Druckerei eine Lösung zu finden, die auch kleinere Bestellungen ab 50 Stück bedienen könne.
Die Geschäftsidee von Alexander Mechow ist universell einsetz- und erweiterbar in andere Sprachen und Kulturkreise. Probleme hinsichtlich der verschiedenen Bedeutung von Symbolen gab es bisher noch nie. Tatsächlich habe Mechow "die Frage erwartet, sie ist aber noch nie gekommen."
So verstünden die meisten Menschen doch die Sprache der Symbole gleichermaßen. "Was so erstaunlich ist bei der Arbeit an dem Buch: Die gesamte kommunikative Gemeinsamkeit, egal wer woher kommt."