Im Sommer mutieren meine Füße zum Alptraum meines Orthopäden. Ich tausche feste Schuhe samt dringend benötigter Einlagen gegen ein paar ausgelatschte alte Schlappen, mir einredend, dass das integrierte Fußbett meine Fußfehlstellung schon genauso richten wird.
Meine Füße werden zum Prototyp einer jeden Einkaufsstraße. Ich gehe unter in der Masse an Birkenstock gerahmten Füßen. Neue Modelle mit Glitzer und Plüsch. Plattgetretene Klassiker. Sie sind auffällig unauffällig. Irgendwie hässlich, manche so sehr, dass sie schon wieder schön sind.
Birkenstocks sind wie Ikea-Möbel: Ich will sie eigentlich gar nicht haben. Trotzdem greife ich letztendlich doch wieder zu ihnen. Beständige Begleiter in einer unbeständigen Welt.
Meine ersten – und bisher einzigen – Birkenstock-Sandalen leben nach vielen gemeinsamen Jahren immer noch bei mir. Es ist das Modell "Gizeh" in glänzendem schwarz, das sind die mit dem Zehentrenner. FlipFlops in gemütlich. Und ohne nervige Geräusche.
Sie passen zu (fast) jedem Anlass, sind schick genug für's Theater und schäbig genug für den Strand. Sie haben mich nach Griechenland und Spanien begleitet und eignen sich prima als Badeschlappen-Ersatz in semi-sauberen Hotel-Duschen. Vom Studium über Praktika bis zum jetzigen Job: Im Sommer geh ich stets auf meinen Birkenstocks.
Meine erste Erinnerung an den "Porsche unter den Sandalen", wie Birkenstock-Sprecher Jochen Gutzy sie nennt, habe ich aus einem Urlaub in Kroatien. Eine damalige Freundin beschützte ihre Birkenstocks beharrlich. "Die könnten geklaut werden", so ähnlich rechtfertigte sie es, wenn sie die Sandalen vor den Augen der anderen Strandbesucher:innen versteckte.
Birkenstocks sind Kult. Dabei gibt es solche Schlappen auch von anderen Firmen zu günstigeren Preisen.
Klar, dass dem Modeunternehmen die Konkurrenz ein Dorn im Auge ist und versucht, aus dem Kult-Produkt auch ein gerichtlich festgestelltes Kunst-Produkt zu machen. Dafür zog es durch die Instanzen bis hin zum obersten deutschen Zivilgericht.
Und so durften sich die Richter:innen vom BGH jetzt mit der Frage beschäftigen: Sind Birkenstocks Kunst?
Dann nämlich wäre die Sandale nach dem deutschen Urheberrecht geschützt und andere Unternehmen dürften ähnliche Schlappen nicht mehr verkaufen. Konkret ging es um die vier Modelle "Arizona" mit zwei breiten Riemen, "Madrid" mit einem Riemen, den Clog "Boston" und "Gizeh", das Modell aus meiner Schuhgarage. Das seien die Klassiker, die Kund:innen typischerweise mit der Marke in Verbindung bringen.
Solche Sandalen begleiten mich schon lange, seit meiner Kindheit, um genau zu sein, wenn ich mit meiner Mutter in den nächsten Marktkauf gefahren bin und sie die Schuh-Ecke nach neuen Pantoletten in den richtigen Größen durchforstet hat.
Ich erinnere mich, wie mir die Zehen in ihren Clogs weh taten, und wie ich aus den viel zu großen Zwei-Riemen-Sandalen meines Vaters rausrutschte, wenn ich sie mir für den Gang in den kalten Keller oder zu den Mülltonnen lieh. Irgendwann hatte ich meine eigenen. Ein Modell mit drei schmalen Riemchen.
Eines hatten sie gemeinsam: Sie waren nicht von Birkenstock.
Einen Unterschied machte und macht das für mich nicht. Es ist eine schlichte Sandale: Cork-Sohle mit mehr oder weniger praktischen Variationen an Halterungen, damit sie mir nicht vom Fuß fallen.
Auch der BGH hat entschieden: Kunst ist das nicht. Das Gericht bestätigte ein vorangegangenes Urteil des Oberlandesgerichts Köln. Ein rein handwerkliches Schaffen mit formalen Gestaltungselementen reiche für den Schutz des Urheberrechts nicht aus. Der Gestaltungsspielraum müsse in einem bestimmten Maß künstlerisch ausgeschöpft werden. Bei den Birkenstock-Sandalen konnte man das aber nicht feststellen.
Bin ich absolut fein mit.
Birkenstock will juristisch weiterkämpfen, den Fall sogar bis zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) bringen. Ein beständiger Eifer. Wie sehr meine Leidenschaft für Birkenstocks hingegen noch Bestand hat, wird sich diesen Sommer zeigen.