Was macht eine Freundschaft wirklich wertvoll? Ist es die Anzahl der gemeinsamen Erlebnisse, die stundenlangen Gespräche, bei denen man sich gegenübersitzt oder reicht es, die richtige Person an der Seite zu wissen, auch wenn sie hunderte Kilometer entfernt ist?
Auf Instagram haben wir hunderte Follower:innen, etliche Likes auf jedem Bild – aber Freund:innen sind die meisten davon nicht. Auch viele Freund:innen hören wir oft nur am Telefon oder per Whatsapp. Sind die Verbindungen zu diesen Menschen oberflächlicher als wir denken? Oder kann das Digitale eine ganz andere, neue Art von Nähe schaffen?
Michael Nast, bin ich oberflächlich, wenn ich Freundschaften nur online pflege?
Mit wie vielen Personen kann man befreundet sein, ohne jemanden zu vernachlässigen? Das ist eine gute Frage. Als ich meine Bekannte Paula darauf ansprach, wie sie ihre Freundschaften pflegt, sagte sie: "Na, online."
Das ist ja heutzutage nicht ungewöhnlich. Es ist tatsächlich so, dass die meisten Freundschaften online stattfinden. Aber man übersieht dabei oft, dass es eine Freundschaft aus der Distanz ist. So wie man in einer Fernbeziehung mehr Single bleibt. Es ist eine Form von Freundschaft, die am Leben anderer nur noch in Form von Likes oder Kommentaren teilnimmt.
Seitdem es Social Media gibt, ist die Pflege des Soziallebens zu einem Verwaltungsakt geworden. Menschen werden in Listen zusammengefasst, man kann ihnen Schlagworte geben, sie in Kategorien organisieren und über alles haben die Entwickler von Facebook das Wort "Freund" gesetzt. Offen gestanden frage ich mich schon, was das mit jemandem macht, der mit Social Media aufgewachsen ist? Ob das sein Verständnis dafür, was Freund:innen sind und wie man sein soziales Umfeld generell pflegt, verändert hat? Ich fürchte, man muss diese Fragen mit "Ja" beantworten.
Soziale Medien machen Freundschaften unverbindlicher, nur fällt die Unverbindlichkeit nicht so auf. Die heutigen Technologien sind der effiziente Weg, die Beziehung zu einem Menschen zu pflegen. Ich öffne Instagram, gebe Fotos Likes, weil sie von Freund:innen gepostet werden. Jedes Foto in sozialen Netzwerken gibt mir das Gefühl, über ihr Leben informiert zu sein und jedes Like, das ich gebe, gibt mir das Gefühl, an ihrem Leben teilzunehmen. Das ist natürlich ein Missverständnis. Ein Missverständnis, das allerdings immer weniger Menschen aufzufallen scheint.
Wir sind immer vernetzter, haben aber immer oberflächlichere Beziehungen zu anderen. Wir sind immer vernetzter, aber haben immer weniger tiefgehende Beziehungen. Ich glaube, dass sich damit auch das Verständnis von Freundschaft verändert hat.
Verwechselt Freund:innen nicht mit Bekannten. Und vor allem verwechselt sie nicht mit Follower:innen. Entscheidend ist nicht, mit wie vielen Menschen man sich umgibt, entscheidend ist, wie verbunden man sich ihnen fühlt. 1000 Freund:innen in sozialen Medien sind nichts gegen Freund:innen in der Wirklichkeit. Verschickt weniger Bilder, sondern begegnet euch. Schreibt weniger, sondern sprecht miteinander. Denn es sind keine Chatverläufe, an die wir uns in 20 Jahren erinnern – es sind die Begegnungen.
Was denkst du dazu? Siehst du es anders als Michael Nast oder stimmst du ihm zu?
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