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Gen Z: Wie oberflächlich sind junge Menschen?

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Schönheit ist nicht nur Aussehen. Klingt wie aus einer schlechten Frauenzeitschrift, stimmt aber trotzdem. Bild: Pexels / alina rossoshanska
Nast antwortet

Bin ich oberflächlich, wenn mir das Aussehen wichtig ist?

Wir alle fragen uns manchmal, ob mit uns etwas nicht stimmt. Doch wir trauen uns oft nicht, die Frage laut auszusprechen. Aus Angst vor der Reaktion. Das wollen wir ändern – und bitten Bestsellerautor Michael Nast um ehrliche Antworten.
28.01.2025, 18:5228.01.2025, 19:10
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Wie oft fällt der erste Blick auf Äußerlichkeiten? Und wie oft schleicht sich danach diese unangenehme Frage ein: Ist es eigentlich okay, wenn mir das Aussehen so wichtig ist? Dass der äußere Eindruck zählt, scheint einerseits selbstverständlich, andererseits haftet ihm doch ein Hauch von Oberflächlichkeit an.

Denn was zählt wirklich, wenn es um Schönheit geht? Ist es das strahlende Lächeln, die perfekte Frisur oder nicht doch viel eher etwas, das sich nicht im Spiegel erkennen lässt? Freundlichkeit und Empathie beispielsweise.

Michael Nast, bin ich oberflächlich, wenn mir das Aussehen wichtig ist?

Michael Nast
Autor Michael Nast antwortet für watson offen und ehrlich auf unbequeme Fragen.Bild: Michael Nast / Privat

Das ist die Antwort von Michael Nast

Natürlich bin ich oberflächlich. Es fällt nur schwer, sich das einzugestehen, weil man sich ja selbst nicht so sehen will.

Es ist schon alles sehr oberflächlich geworden. Auch ich bin da keine Ausnahme. Darum habe ich vor einigen Monaten alle Dating-Apps von meinem Smartphone gelöscht. Aus Selbstschutz. Weil ich nur noch anhand eines Fotos entschied, ob ich an einer Frau interessiert war oder nicht.

Ich hatte das Gefühl für die Schönheit verloren, auf die es ankommt. Einer Schönheit, die nicht nur auf Äußerlichkeiten beruht. Alle reden von Body-Positivity, aber es gibt mehr Schönheits-OPs als jemals zuvor. Alle reden von mentaler Gesundheit, aber es scheint immer mehr um Äußerlichkeiten zu gehen. Wir sind als Gesellschaft offensichtlich noch nicht so weit, wie wir es uns einreden.

Das ist Michael Nast
Michael Nast, 1975 in Ost-Berlin geboren, arbeitet seit 2014 als Schriftsteller und Autor. Er hat bisher sechs Bücher veröffentlicht. "Generation Beziehungsunfähig" hielt sich neun Monate auf der Spiegel-Bestsellerliste. 2021 erschien der zugehörige Kinofilm. Aktuell ist er mit seinem Buch "Weil da irgendetwas fehlt" auf Lesetour.
Schönheit
Was tut man nicht alles, um (äußerlich) schön zu sein?Bild: unsplash / velizar ivanov

Das liegt daran, dass wir Schönheit für etwas halten, das gar keine Schönheit ist. Wir verwechseln sie mit Attraktivität. Dieses Missverständnis liegt in unserer Kultur, in der wir annehmen, dass es die Äußerlichkeiten sind, die uns ausmachen. Und damit auch liebenswert. Darum haben wir uns auf die Oberflächen konzentriert. Aber leider achten wir so sehr auf Äußerlichkeiten, dass das einen Großteil unseres Wertesystems verschoben hat. Und vor allem den Blick auf uns selbst. Darum ist das Äußere der Grund aller Komplexe und Unsicherheiten. Ich kenne viele, die sich Sorgen um ihr Gewicht machen, aber niemanden, der sich darüber beklagt, zu wenig Empathie zu haben.

"Diese Frauen waren schön, weil sie etwas in mir berührten, von dem ich nicht wusste, dass es überhaupt da war."

Aber niemand verliebt sich nur in das Aussehen. Schönheit ist eine vielschichtige Collage. Ich habe mich letztlich nie in Frauen verliebt, weil sie attraktiv waren. Ich habe mich in ihre Art verliebt. Wie sie sich gaben. Wie sie dachten. Ich habe mich in ihre Natürlichkeit verliebt. In das Strahlen ihrer Augen, wenn sie über etwas sprachen, das sie begeisterte. Ich habe mich in ihr Lachen verliebt und in ihren Blick. Diese Frauen waren schön, weil sie etwas in mir berührten, von dem ich nicht wusste, dass es überhaupt da war.

Aber die wirklich interessante Frage ist ja, was die glatten, perfekt polierten Fassaden verbergen. Vor allem, wenn man berücksichtigt, dass wir in einer Gesellschaft leben, die so viele psychische Erkrankungen produziert wie keine zuvor. Ich glaube, das ist das eigentliche Problem. Wir haben uns zu sehr auf die Oberflächen konzentriert. Wir haben versäumt, an einem gesunden Wesen zu arbeiten.

"Schön sind Menschen, die mir etwas geben, weil wir uns etwas zu sagen haben."

Es ist immer noch äußere Schönheit, die gesellschaftlich am meisten zählt. Aber Schönheit ist ein vielschichtiges Gesamtkonzept. Schön ist man, wenn man sich nicht verstellt. Schön sind Menschen, die mir etwas geben, weil wir uns etwas zu sagen haben. Es gibt kaum etwas Schöneres als eine Persönlichkeit, zu der ich mich hingezogen fühle. Und es gibt nichts Schöneres, als jemand, der mein Herz berührt. Das ist die Schönheit, auf die es ankommt.

Darum plädiere ich dafür, unsere Schönheitsstandards zu korrigieren – indem wir sie erweitern. Mehr Humor, Empathie und Wertschätzung für andere. Mehr Selbsterkenntnis und Charme. Ich wünsche mir immer häufiger, die Leute würden versuchen, auf diese Art schön zu sein. Unsere Gesellschaft wäre wesentlich lebenswerter. Man könnte ja damit beginnen, mehr Komplimente zu machen, die nichts mit dem Aussehen zu tun haben. Das wäre ein schöner, erster Schritt, um auch den Blick auf sich selbst zu korrigieren. Also sorgt euch nicht darum, ob euer Gewicht, irgendwelchen Schönheitsidealen entspricht – macht euch lieber Gedanken über euren Charakter.

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