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Gen Z: Bei jungen Menschen ist die Kneipe wieder im Trend

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Immer öfter entscheidet sich die Gen Z für einen gemütlichen Abend in der urigen Kiez-Kneipe.Bild: Pexels / elevate
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Kneipe statt fancy Bar: Die Gen Z entdeckt altmodische Gaststätten für sich

Immer mehr Kneipen schließen und gleichzeitig entdecken sie junge Menschen für sich. Was macht die traditionellen Gaststätten so attraktiv? Eine Hommage an einen besonderen Ort.
17.05.2025, 09:2317.05.2025, 09:23
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Es ist früher Sonntagabend und ich sitze in meiner Lieblingskneipe in Berlin-Neukölln. Drinnen sind nur zwei ältere Männer und trinken schweigend ihr Bier. Durch die offene Tür zieht die laue Frühlingsluft hinein, die sich mit dem Tabakrauch vermischt. Hinter dem Tresen steht eine junge Aushilfe, die mit ihrem modernen-edgy Look zwischen der Holzvertäfelung und alten Werbeschildern heraussticht. Auf dem Fernseher, der oben in einer Ecke montiert ist, läuft eine Sendung über Gärten.

An einem Tisch in der Mitte des Gastraums sitzt Maria, die Seele der Kneipe. Wer zum ersten Mal hier ist, könnte die kleine Frau mit dem grauen Bob leicht mit einem Gast verwechseln. Maria sitzt wie immer an ihrem Stammplatz, von wo sie alles gut überblicken kann. Die Zigarettenpackung liegt stets griffbereit vor ihr.

Im Laufe des Abends finden noch ein paar Durstige ihren Weg in die Alt-Berliner Eckkneipe. Sie gehen alle erst schnurstracks zu Maria, um sie zu begrüßen. Man kennt sich hier. Heute ist es vergleichsweise ruhig, aber an anderen Abenden finde ich kaum einen freien Platz. Das liegt auch daran, dass immer mehr junge Leute hierherkommen und der Laden am Wochenende brummt.

Zwischen Jukebox und Dartscheibe schmeckt das Bier noch besser

Früher dachte ich immer, solche Orte wären nur etwas für alte Männer mit Bierbäuchen. Jetzt sitze ich selbst gerne mit einem Pils in der Hand hier. So geht es offenbar auch vielen anderen in ihren Zwanzigern. Die Kneipenkultur scheint in meinem Umfeld ein Revival zu erleben. Aber warum gehen so viele junge Menschen ausgerechnet in Gaststätten, die wirken, als wären sie aus der Zeit gefallen?

In Kneipen scheint die Zeit stehengeblieben zu sein.
In Kneipen scheint die Zeit stehengeblieben zu sein.bild: privat

Bars sind stylischer eingerichtet und haben eine größere Getränkeauswahl zu bieten, mit ständig neuen Kreationen. Obwohl ich einen guten Cocktail zu schätzen weiß, zieht es mich doch öfter in die Kneipe. Das liegt vor allem an der ungezwungenen Atmosphäre. Egal, ob ich mich extra schick mache oder nur schnell nach dem Einkaufen vorbeischaue – hier fühle ich mich immer wohl. Ich habe das Gefühl, dass die Gäste in Kneipen lockerer sind und man hier schneller ins Gespräch kommt als in einer durchgestylten Bar.

Kneipen: Wo man einen Futschi für 2,50 Euro bekommt

Dartscheiben und Kicker, die zu einer guten Kneipe einfach dazugehören, tragen maßgeblich dazu bei. Eine Kneipe versucht nicht, etwas zu sein, das sie nicht ist. Sie will nicht modern und angesagt sein. Gerade das macht sie authentisch. Man weiß, was man von Kneipen erwarten kann: kaltes Bier, einen geselligen Abend und ab und zu einen Futschi für den Nostalgie-Faktor. Vielleicht ist es genau das, wonach sich viele sehnen – ich auf jeden Fall.

Seit über 100 Jahren existiert die Kneipe.
Seit über 100 Jahren existiert die Kneipe.bild: privat

Ein neuer Gast kommt herein, der sich (natürlich nach der Begrüßung von Maria) neben mich an den Tresen setzt. Wir kommen ins Gespräch. Tonio ist Anfang 30, Schauspieler und lebt gleich um die Ecke. Seine Haare trägt er in einem verwuschelten Dutt. Er erzählt mir, dass er hier seit fünf Jahren hingeht, weil er es schön findet, einen Ort zu haben, wo man die Leute kennt. Das sei in der Kneipe einfacher als in einer trendy Cocktail-Bar. Ich stimme ihm zu. Gerade in einer Großstadt, wo man überall anonym ist, möchte man manchmal wiedererkannt werden.

Für mich ist es jedenfalls ein Erfolg, wenn die Wirtin sich an mich erinnert und man einen kleinen Plausch hält. Doch selbst, wenn einige von uns diesen Ort für sich entdeckt haben, kämpfen Kneipen ums Überleben. Denn egal wie oft meine Freund:innen und ich was trinken gehen, musste laut dem Statistischen Bundesamt in den letzten 20 Jahren jede zweite Kneipe in Deutschland schließen. 2002 gab es noch 46.500 Kneipen in Deutschland. 2022 waren es nur noch etwa 21.000.

Kneipen sind vom Aussterben bedroht

Die Gründe dafür sind vielfältig. Heutzutage bleiben wir öfter zu Hause, streamen eine Serie und scrollen durch Social Media, statt abends nochmal rauszugehen. Martin Franz, der zur Kneipenkultur an der Uni Osnabrück forscht, sieht deshalb einen Faktor für das Kneipensterben in unserer Mediennutzung.

"Die Kneipe konkurrierte zunächst mit der Verbreitung des Fernsehers und des Kühlschranks. In den letzten Jahrzehnten kam dann das Internet, Streamingdienste, das Handy als Konkurrenz zur Kneipe hinzu", erklärt Franz bei Deutschlandfunk Nova.

Dazu kommt, dass sich viele einen regelmäßigen Besuch in der Kneipe um die Ecke nicht mehr leisten können, weil die Lebenshaltungskosten gestiegen sind. Viele wollen auch gar nicht mehr so viel Alkohol trinken. Der Bierkonsum der Deutschen lag 2013 noch bei durchschnittlich 106 Litern pro Kopf, 2023 waren es nur noch 88 Liter. Die Corona-Pandemie wirkte dann zusätzlich wie ein Brandbeschleuniger, als die Kneipen gänzlich leer blieben.

Maria, die Wirtin meiner Stammkneipe, hat diesen Wandel hautnah miterlebt. Vor 36 Jahren hat ihr Mann Sasha die Gaststätte übernommen. Als er letztes Jahr starb, konnte Maria es nicht übers Herz bringen, die Kneipe zu schließen. Seitdem gibt sie in dem Laden den Ton an. Maria erzählt mir, dass sich das Publikum über die Jahre stark verändert hat. "Früher waren hier viele Rentner, die jeden Tag gekommen sind. Aber viele gibt’s nicht mehr, sind gestorben", sagt Maria trocken. "Jetzt kommen viele Junge, viele verschiedene Länder."

Für ihre Kneipe ist die neue Generation an Gästen ein Segen. Ohne sie würde es sonst auch hier düster aussehen. Maria merkt, dass sich zugleich die Trinkgewohnheiten verändert haben: Die Leute bestellen immer öfter alkoholfrei.

"Ist auch irgendwie atziger hier."

Anna, die junge Aushilfe, ist auch ein Zeichen dieses Wandels. Vor einem Monat hat sie angefangen hier zu arbeiten neben ihrem Sozialwissenschafts-Studium. Sie geht selbst lieber in Kneipen als in Bars. "Ich zahl' keine sechs Euro fürn Bier. Ist auch irgendwie atziger hier", sagt sie.

Kneipen sind vom Aussterben bedroht und gleichzeitig gibt es eine neue Generation, die den Orten frischen Wind einhaucht. Vielleicht mag das nicht den großen Trend des Kneipensterbens aufhalten – aber es zeigt, dass ihre Zeit noch nicht vorbei ist.

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