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Supermarkt: Garnelen grausam gezüchtet – deutsche Märkte unter Druck

QINGDAO, CHINA - SEPTEMBER 04: People shop for shellfish at Jiaozhou Bay on September 4, 2025 in Qingdao, Shandong Province of China. Jiaozhou Bay in Qingdao City, Shandong Province, was bustled with  ...
Garnelen werden in großen Stationen für den Handel gezüchtet. Bild: Visual China Group / VCG
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Supermarkt: Schockierende Praxis für deutsche Produkte – Tiere werden gequält

Eine aktuelle Untersuchung einer Tierschutzorganisation deckt grausame Praktiken in der Garnelenzucht auf. Garnelen aus diesen Zuchtanlagen werden auch in Deutschland verkauft. Deutsche Supermärkte reagieren – aber nur zögerlich.
10.10.2025, 11:3110.10.2025, 11:31

Viele Menschen erledigen ihren Wocheneinkauf auf Autopilot. Lebensmittel werden in den Einkaufswagen gelegt und von der Liste gestrichen, während man an der Kasse steht und sie einpackt, denkt man schon über den Ärztinnentermin am nächsten Tag nach.

Was genau man sich da in den Einkaufswagen legt, wird selten reflektiert. Transportwege, bio- oder regionaler Anbau und Angaben zur Tierhaltung sind dann meist doch nur kleine Labels auf leckeren Produkten.

Aber zumindest gibt es die wichtigsten Informationen zu den Lebensmitteln auf den Verpackungen. Oder? Eine aktuelle Recherche zeigt: Bei einem Produkt wissen wir ganz und gar nicht, was dahinter steckt.

Während Garnelen in Deutschland als Delikatesse gelten, spielt sich in den Zuchtbetrieben der Lieferländer eine brutale Realität ab. Eine aktuelle Untersuchung des International Council for Animal Welfare (ICAW) zeigt: In der industriellen Garnelenzucht werden Tiere häufig unter extremen Bedingungen gehalten und getötet – meist ohne Betäubung.

ICAW zufolge werden weltweit rund 440 Milliarden Farmgarnelen pro Jahr geschlachtet. Der Großteil stammt aus Ländern wie Ecuador, China, Indien, Venezuela und Vietnam. In Europa ist Deutschland größter Abnehmer.

Weil die Zucht und Schlachtung überwiegend im Ausland stattfinden, hätten Verbraucher:innen hierzulande kaum Einblick in die Zustände, erklärt ICAW.

Garnelenzucht: Augen abschneiden bei vollem Bewusstsein

Die Organisation deckt zwei besonders problematische Praktiken auf: Bei der sogenannten Augenstielablation werden weiblichen Zuchtgarnelen ein oder beide Augenstiele mit Rasierklingen oder erhitzten Scheren abgeschnitten – ohne Betäubung. "Diese Praxis ist in der Garnelenindustrie weit verbreitet, weil sie kurzfristig die Ei-Produktion steigert", heißt es in dem Bericht.

Auch die Tötung selbst ist ICAW zufolge problematisch: Garnelen werden häufig in Eiswasser getaucht, was angeblich einen schnellen Tod herbeiführen soll. In der Realität aber würden die Tiere dabei oft bei vollem Bewusstsein ersticken.

Laut dem Bericht gebe es keine Belege, dass Garnelen dabei zuverlässig das Bewusstsein verlieren würden. Kathrin Herrmann, europäische Fachtierärztin für Tierschutz, führt dazu aus:

"Die weit verbreitete Praxis, Tiere kurz in Eis-Bäder zu tauchen, macht sie zwar bewegungsunfähig, betäubt sie aber oft nicht zuverlässig – ein tierschutzrelevantes Problem, das mit einem langsamen, leidvollen Tod vergleichbar ist."

Garnelenzucht: Tierschützer fordern elektrische Betäubung

Das ICAW fordert, Garnelen künftig vor der Tötung elektrisch zu betäuben – eine Methode, die auch von der London School of Economics als humaner eingestuft wird. Dabei sehen die Tierschützer:innen nicht nur die Zuchtbetriebe in der Pflicht, sondern auch den Handel: "Supermärkte haben in diesem System die größte Verhandlungsmacht: Sie kaufen in enormen Mengen ein, drücken Preise und setzen Qualitätsstandards durch", betont die Organisation.

Großbritannien geht voran – Deutschland zögert

"Kund:innen sind schockiert, wenn sie erfahren, dass Garnelen die Augen abgeschnitten werden. Unsere Recherchen legen nahe, dass Aldi Garnelen aus diesen tierquälerischen Bedingungen verkauft.", sagt Jonas Becker vom International Council for Animal Welfare in einer Pressemitteilung. "Wir fordern ein Verbot des Augen-Abschneidens und eine Garantie für effektive elektrische Betäubung – von Aldi und allen deutschen Supermärkten."

Während in Großbritannien sieben der zehn größten Supermarktketten zugesagt haben, beide Praktiken bis 2027 zu beenden, bleibt die Reaktion deutscher Händler zurückhaltend, schreibt die "Frankfurter Rundschau". Nur Aldi und Rewe haben sich öffentlich zu den Vorwürfen geäußert.

Qualvolle Garnelenzucht: So reagieren Aldi und Rewe

Aldi Süd erklärte gegenüber Ippen Media, man wolle "Fisch und Meeresfrüchte aus verantwortungsvoll bewirtschafteten Quellen beziehen". Der Discounter plant, die Augenstielablation bei weißen Tigergarnelen bis Ende 2030 und bei schwarzen Tigergarnelen bis Ende 2031 abzuschaffen.

Weiterhin würden wissenschaftliche Leitlinien zum Prozess des elektrischen Betäubens geprüft werden. Auch Aldi Nord hat sich verpflichtet, die Methode "bis 2029 für Weißfußgarnelen, beziehungsweise bis 2031 für Riesengarnelen" zu beenden. Die Praxis betreffe allerdings nur Zuchtpopulationen, nicht die Tiere, die direkt verkauft werden.

Die Betäubung im Eisbad sei laut Aldi "bei Standardgebern wie dem Aquaculture Stewardship Council (ASC) anerkannt", werde aber derzeit überprüft.

Rewe betont, dass bereits "alle bio-zertifizierten Garnelen ohne Augenstiel-Manipulation angeboten" werden. "Wir streben an, eine Umsetzung in unseren EM-Lieferketten möglichst bis 2027 zu erreichen", sagte ein Sprecher.

Für konventionelle Garnelen gilt eine Übergangsfrist bis 2030. Zudem prüfe man, in welchem Umfang vertretbare Tötungsverfahren unter Berücksichtigung von Tierwohlaspekten auch auf Fangschiffen umgesetzt werden können.

Edeka und Lidl haben sich bislang nicht zu den Praktiken geäußert.

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