Kultur und Tradition sind in der heutigen Zeit sehr kontroverse Themen. Ist ein Brauch gut, weil wir ihn schon immer so gemacht und zelebriert haben? Wohl kaum sagen viele progressive Städter, während so manche Dorfgemeinschaft verbal auf die Barrikaden geht.
Ihr habt ja recht: Gemeinsame Routinen, Rituale oder Aktivitäten verbinden eine Gemeinschaft und können der Kleber für eine Gesellschaft sein. Doch manches Zeug gehört einfach abgeschafft. Von wegen gesunder Menschenverstand und so.
Wenn etwa seit Jahrhunderten Tiere gequält und Menschen der Lebensgefahr ausgesetzt werden, dazu noch in geschmacklos bunter Kleidung und unter tosendem Applaus Besoffener und Kinder, dann ist das doch nichts Gutes. Darauf hatte man sich auch auf den Balearen geeinigt, doch nun gibt es ein Comeback des Stierkampfes.
Am Sonntag, dem 13. April, ist in der mallorquinischen Stadt Inca ein Ereignis über die Bühne gegangen, das viele längst tot geglaubt hatten: Ein Stierkampf – restlos ausverkauft, mit Hunderten jungen Zuschauer:innen und lautstarken Protesten davor.
Der Andrang war laut der "Mallorca Zeitung" so enorm, dass der Beginn um 30 Minuten verschoben werden musste – Parkchaos rund um die Arena inklusive. In der vollen Arena sollen sogar über 700 Kinder und Jugendliche unter 25 Jahren gewesen sein, wie die "Diario de Mallorca" berichtete.
Noch vor Kurzem wäre das undenkbar gewesen: Ein Gesetz hatte Minderjährigen den Zugang zu Stierkämpfen auf den Balearen verboten. Doch seit Juni 2024 ist alles anders – die rechte Mehrheit im Inselrat kippte das Gesetz mit der Begründung, der Stierkampf sei "Kulturgut" und müsse auch dem Nachwuchs zugänglich sein.
Angezogen hatte die Menge vor allem das Versprechen der Veranstalterfirma, edle und berüchtigte Miura-Stiere in den Ring zu schicken. Ein trauriger Coup – gerade, weil der Stierkampf auf Mallorca in den vergangenen Jahren ein verdientes Schattendasein fristete.
Die Mehrheit der Bevölkerung soll schon länger nicht mehr hinter der zweifelhaften Tradition stehen. Zuletzt wurde die Arena in Felanitx umgewidmet, in ihr sollen ab 2026 andere Events stattfinden, keine Stierkämpfe mehr.
Immerhin: Während drinnen der Jubel laut war, soll sich am Sonntag draußen vor der Arena der Widerstand bemerkbar gemacht haben. Mehrere Tierschutzorganisationen hatten zum Protest aufgerufen. Mit Bannern wie "Blut und Schmerz können niemals Tradition sein" und "Schluss mit der Qual" stellten sie sich gegen das brutale Spektakel.
Ob das Comeback des Stierkampfs ein einmaliges Aufbäumen ist oder der Auftakt zu einer neuen Welle solcher Veranstaltungen, bleibt derweil abzuwarten.