Wenn es London an einer Sache nicht mangelt, dann sind es wohl Sehenswürdigkeiten. Da wäre Big Ben, die große Glocke im Uhrturm des britischen Parlaments, der imposante Buckingham Palace, in dem die britische Königsfamilie residiert, oder das gigantische Riesenrad London Eye, das einen beeindruckenden Blick über die Stadt bietet.
Ein weiterer großer Anziehungspunkt für Tourist:innen ist der Stadtteil Notting Hill. Dort findet jedes Jahr der berühmte Notting Hill Carnival statt. Außerdem können Besucher:innen das gesamte Jahr in trendigen Boutiquen oder dem berühmten Portobello Road Market stöbern.
Entlang der Portobello Road (und einiger anderer Straßen) findet sich ein weiteres Wahrzeichen von Notting Hill: bunte Häuser. Die pastellfarbenen Fassaden der Gebäude ziehen jedes Jahr zahlreiche Tourist:innen an. Auf Tiktok finden sich Unmengen Videos, in denen User:innen teilen, wo sich die einzelnen Straßen genau befinden und wo sich am besten Erinnerungsfotos schießen lassen.
Genau das sorgt im Londoner Viertel aber zunehmend für Unmut, wie "The Independent" berichtet. Demnach sind immer mehr Anwohner:innen von den Massen an Tourist:innen genervt, die vor ihren Wohnhäusern für Fotos posieren.
Einige Besucher:innen bleiben nämlich nicht nur kurz auf der Straße stehen, um Bilder zu machen, sondern klettern teils auf die Geländer an den Wohngebäuden oder versuchen sogar in die Häuser einzudringen, heißt es in dem Bericht.
Einige Influencer:innen würden ganze Koffer voller Outfits mit nach Notting Hill bringen, um den ganzen Tag Fotos vor den bunten Häusern zu machen. Anwohner:innen hätten sogar beobachtet, wie manche Touris Zelte aufschlugen, um darin ihre Outfits zu wechseln.
"Die Leute auf der Straße haben wirklich Probleme, [ihre Häuser] zu vermieten, weil die Leute zu ihren Häusern kommen und 200 Menschen davor stehen", zitiert "The Standard" einen Anwohner.
Man könne nicht einmal die Straße entlanggehen, weil man nicht an den Leuten vorbeikomme. Die Menschen seien unhöflich, wenn man versuche, in sein eigenes Haus zu kommen, beschwert sich die einheimische Person. Und sie fügt hinzu: "Mir wurden sogar schon Sachen aus meinem Auto gestohlen. Es ist einfach ein Albtraum geworden."
Einige Anwohner:innen haben dem Bericht zufolge bereits versucht, ihre Treppen mit Ketten und Seilen abzusperren, um zu verhindern, dass die Tourist:innen auf den Stufen posieren. Andere hätten Schilder mit der Aufschrift "Ruhezone" aufgehängt, in der Hoffnung, dass die Besucher:innen dadurch mehr Rücksicht zeigen. Von Erfolg waren das aber nicht gekrönt, deswegen greifen einige Einheimische nun zu radikaleren Maßnahmen.
Wie der "Independent" berichtet, haben einige ihre bunten Häuser nun nämlich schwarz gestrichen. Dadurch sollen die Gebäudefassaden unattraktiver für Influencer:innen werden, die auf der Suche nach dem perfekten Fotomotiv für ihre Social-Media-Kanäle sind. Zusätzlich haben die genervten Anwohner:innen eine Kampagne gestartet, um andere Hausbesitzer:innen zu ermutigen, ihrem Beispiel zu folgen.
"Wir alle schätzen den Charme unserer Straße, doch die unbeabsichtigte Folge war ein Anstieg des disruptiven Tourismus", heißt es dem Bericht zufolge in einem offenen Brief. Die Straße sei schon immer bunt gewesen, aber man habe nie ein Problem gehabt. "Wir müssen irgendwo auf einer Influencer-Liste gelandet sein. Und alle anderen sind wie Schafe gefolgt".
Man habe nicht die Voraussetzungen für Massentourismus. "Es ist nur eine Wohnstraße. Solche Häuser gibt es überall in Westlondon. Ich weiß nicht, warum sie ausgerechnet an diesen Ort kommen", zitiert der "Independent" weiter. "Wir sind kein Museum."
Das heben auch lokale Behörden hervor und bitten Besucher:innen, sich respektvoll in Notting Hill zu verhalten. Es gebe Ordnungsbeamt:innen, die die Straßen patrouillieren und bei unsozialem oder belästigendem Verhalten eingreifen. Ob das ausreicht oder am Ende noch mehr Anwohner:innen, ihre Häuser schwarz streichen, wird sich erst noch zeigen.