Flüssige Vollmilchschokolade bahnt sich ihren Weg über den nackten Tisch. Mit großen Augen schaue ich zuerst auf das glänzende Zucker-Meer und dann zu Chocolate Maker Arvid Dombrowski. Ohne mit der Wimper zu zucken, hat er sie aus der Form heraus gekippt. Wie Farbe aus einem Eimer. Und das soll ich gleich auch machen!?
"Mit Essen spielt man nicht", kreischt es in meinem Kopf. Eingetrichtert in meiner Kindheit. Eingetrichtert von Erwachsenen, wie auch Dombrowski einer hätte sein können. "Wir sind hier in einer Schokowerkstatt. Hier darf gekleckert werden", sagt der gelernte Konditor stattdessen. Diese Ansage hören die 15 Teilnehmenden und ich mehrmals.
An diesem Samstagabend machen wir einen Workshop für Dubai-Schokolade in der Bunten Schokowelt von Ritter Sport in Berlin. Der Kern des Trends liege im Selbermachen, deshalb will das Unternehmen auch keine eigene Variante auf den Markt bringen.
"Dubai Style Schokolade", schreibt Ritter Sport. Nicht Dubai-Schokolade.
Wer die Bezeichnung "Dubai-Schokolade" nutzt, läuft Gefahr, abgemahnt zu werden. Tatsächlich ist die Rechtslage hier gar nicht so einfach. Andreas Wilmers vom Süßwarenvertrieb Wilmers, der aus Dubai importierte Schokolade auf dem deutschen Markt anbietet, argumentiert, dass die Bezeichnung sonst den Eindruck erweckt, dass die Tafel tatsächlich aus Dubai kommt. Das sei irreführend.
Konkurrent Lindt hat bereits eine Abmahnung erhalten. Lidl und Aldi sollen noch folgen. Gegenüber "Bild" erklärt Lindt, dass die Bezeichnung sich für sie nicht auf die Herkunft, sondern auf die typische Füllung beziehe.
Pistaziencreme, Kadayif, Tahin.
Exakt diese drei Zutaten stehen nun auch für uns in kleinen Schälchen bereit. Außerdem ein Brettchen, ein Spachtel, zwei Löffel und eine Form für die 250-Gramm-Tafel im quadratischen Ritter Sport-Look.
Jede:r von uns hat eine Nummer. Form und Brettchen sind damit schon beschriftet – und mein T-Shirt schmückt auch ein Aufkleber: 1298. Die Nummer ist wichtig, damit wir unsere Schokoladen-Tafeln nicht verwechseln. Die müssen zwischendrin nämlich immer wieder in den Kühlschrank, um auszuhärten.
Anders als erwartet, beginnen wir zunächst mit dem Verzieren. Es geht das erste Mal zum Schoko-Brunnen. Ich entscheide mich für weiße Schokolade. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, damit "watson" auf die Schokolade zu schreiben. Die quadratische Form macht mir aber einen Strich durch die Rechnung. Zu wenig Platz. Ich male also nur das watson-w.
Wer sich unser Logo schon mal genau angeschaut hat, weiß: Beim watson-w ist eine kleine Lücke. Natürlich fällt mir zu spät auf, dass ich gerade spiegelverkehrt arbeite und lasse die Lücke an der falschen Stelle. Mist.
Chocolate Maker Dombrowski weiß aber ganz genau, wie er die Perfektionistin in mir zum Schweigen bringt. Wir würden hier alle unsere eigenen "Kunstwerke" machen, verkündet er. Mehrmals an diesem Abend.
Alles klar! Die Form ist meine Leinwand und ich werde sie füllen. Und zwar mit den Farben (Schoki-Sorten), die ich will. Das wird mein Bild (meine Tafel) und es wird wunderschön! So!
Ich bin so konzentriert, dass ich schon nach ein paar Minuten vergesse, dass es hier um Dubai-Schokolade geht. Erst der Hype hat mich in die kleine Schokowerkstatt von Ritter Sport gebracht.
Dabei ist die Idee der Dubai-Schokolade nicht neu. In der Schokoladen-Manufaktur "Fix Dessert Chocolatier" in Dubai vertreibt Gründerin Sarah Hamouda schon seit 2022 die Dubai-Schokolade. Hamouda gilt als ihre Erfinderin. Die Rezeptur hat sie in ihrer zweiten Schwangerschaft entwickelt, als sie nichts fand, um ihren Heißhunger zu befriedigen. Groß geworden ist die Dubai-Schokolade dann über Social Media.
Ein Selbstläufer. Dubai-Schokolade, Dubai-Crêpe, Dubai-Bratwurst, Dubai-Alles: Mein Insta-Feed ist geflutet und hat die süßen Hunde-Videos verdrängt. Ich kann es schon nicht mehr hören. Als ich von dem Workshop erfahren habe, hat trotzdem die Neugier gesiegt und der Entschluss: Ich tauche jetzt einmal ganz tief in die Welt der Dubai-Schokolade und danach will ich wirklich nichts mehr davon hören.
Der Hype ist aber längst nicht bei allen Auslöser für die Teilnahme. Eine Frau erzählt mir, sie hätte sich von ihrem Mann zum Geburtstag einfach eine Tafel Schokolade gewünscht. Er wollte ihr aber mehr schenken und ist dann online auf den Workshop gestoßen. Eine andere Frau erzählt, sie sei mit ihrer Freundin hier. Den beiden ging es darum, sich zusammen einen schönen Abend zu machen.
Darauf ist der 90-Minuten-Workshop auch ausgelegt. Sich einen schönen Abend zu machen. Die Schokolade ist schon bereit zum Verarbeiten. Die Kadayif-Teigfäden geschnitten und angeröstet. Wir müssen nur noch schichten: Schokolade, Füllung, Schokolade. Und: Schoko-Zigarillos herstellen! (Dazu unten mehr.)
Dafür nimmt Ritter Sport knapp 70 Euro, wenn man den Workshop privat bucht. Den hohen Preis erklärt das Unternehmen mit den durch die hohe Nachfrage gestiegenen Kosten für die Zutaten, deren Qualität und die Unterstützung durch die Chocolate Maker. Tatsächlich ist noch ein weiterer Konditor vor Ort, der uns betreut. Die Pistaziencreme wird außerdem selber hergestellt.
Wir sind inzwischen beim übriggebliebenen Schokoladenhaufen auf dem Tisch angelangt: Die Reste der Schokoladen-Schicht, die wir nach der Verzierung erst in und dann wieder aus der Form gegossen haben. Die streichen wir mit dem Spachtel glatt. Denn nein, die Schokolade wird natürlich nicht einfach entsorgt. "Nachdem sie etwas ausgehärtet ist, modellieren wir mit dem Spachtel und viel Muskelkraft kleine Röllchen, die sich super zum Naschen als Deko eignen."
Wie "Maler und Lackierer" sollen wir dann die berühmt-berüchtigte Pistazien-Kadayif-Füllung gut in der Form verstreichen. Während unsere "Kunstwerke" dann mal wieder im Kühlschrank vor sich hin reifen, gibt es eine kurze Unterrichtseinheit über die Pistazie. Oder auch den "grünen Diamanten", wie der Chocolate Maker sagt.
Eine passende Bezeichnung. Schließlich benötigt der Anbau von Pistazien nicht nur unheimlich viel Wasser, auch die Ernte ist extrem aufwendig. Die erfolgt nämlich oft per Hand und muss schnell gehen, damit sich kein Schimmelpilz bilden kann. Zwei von mehreren Gründen, weshalb der Preis für Dubai-Schokolade so hoch ist.
Bei unseren Tafeln fehlt jetzt noch die letzte Schokoladen-Schicht. Meine Kreation hat sich mittlerweile völlig von dem Vorbild verabschiedet. Ich entscheide mich wieder für weiße Schokolade.
Gedanklich bin ich ganz weit weg von Dubai-Schokolade. Denke darüber nach, dass ich gar nicht wusste, wie viele Schritte es braucht, bis man eine Tafel Schokolade (wenn man annähernd wie die Profis arbeitet) selber gemacht hat. Und dass das Klopfen auf den Tisch mit den Plastik-Formen, um Luftbläschen aus der Schokolade zu bekommen, ganz schön laut war.
Da macht es auch nichts, dass ich mir den Hype um die Dubai-Schokolade nicht erklären kann. Aber das ist ja das Tolle: Geschmäcker sind verschieden. Kunstwerke sind einzigartig. Mein Meisterwerk wurde in der Redaktion verkostet. Es schmeckte gut, ja. Wie Kinder Bueno, war unser Fazit. Mehr aber auch nicht. Und nun kann ich das Thema beruhigt abhaken.