
Ahh, ein schöner Glimmstängel!Bild: Reza Mehrad
Vor Ort
Unser Autor ist leidenschaftlicher Raucher. Eine furchtbare wie tödliche Angewohnheit. Er will sich lossagen – und probiert es mit Hypnose.
19.04.2025, 13:3123.04.2025, 14:12
Ich liebe Zigaretten. Liebe den ersten Zug, das Synapsen-Dauerfeuer, sobald das Nikotin die Nerven stimuliert; liebe das Innehalten, während die restliche Welt pflichtbewusst von A nach B stromert; liebe die Gespräche, die nur in Raucherbereichen entstehen, soziale Schmelztiegel konzentriert auf vier-mal-vier Quadratmeter.
Was ich nicht liebe, sind die Folgen. Verfärbte Zähne, schlechter Atem, graue Haut, Atemnot, Krankenhausbetten, Beatmungsschläuche, kopfschüttelnde Mediziner:innen, mitleidig piepende Herzmonitore, ein früher Tod. Ein schmerzhafter. Einer, der sich hätte vermeiden lassen können.
In meinem Kopf stehen sich die haushohen Gedanken-Ungetüme gegenüber, ringen mehrmals am Tag. Dem will ich ein Ende setzen und endgültig weiterrauchen aufhören. Dafür suche ich mir Hilfe – bei einem Hypnotiseur.
Hypnose: Mehr als Scharlatanerie
Am Petersburger Platz, Berlin Friedrichshain, hat Bernhard Tewes seine Praxis mit hauptstadttauglichem Namen "Kiez Hypnose". Was nach hipper Hauptstadtästhetik aussieht, ist inhaltlich fundierte Therapiearbeit: Tewes zählt zu den gefragtesten Hypnosetherapeuten Deutschlands. Er hat sich auf die Behandlung von Ängsten, Panik und Raucherentwöhnung spezialisiert – und bringt nicht nur Expertise, sondern auch persönliche Erfahrung mit: Er selbst wurde durch Hypnose zum Nichtraucher.
Er selbst ist tätowiert, trägt Piercings, einen liebevoll getrimmten Bart und ist gesegnet mit einer cortisolhemmenden Stimme, kurz: Er ähnelt einem menschgewordener Meditationspodcast.
Schwierig, nicht voreingenommen zu sein. Bei Hypnose denke ich unweigerlich an schwingende Pendel, an die Schlange aus dem "Dschungelbuch", an gewaltigen Humbug. Quatsch, den windige Quacksalber verticken, einfach des schnöden Mammons wegen.
Ein Blick in die Studienlage reicht, um meinen Verdacht zu entkräften. Hypnose ist wirksam, zum Beispiel zur Angstbewältigung. Das gilt längst als unbestritten. Beim Rauchstopp sieht es anders aus. "Die aktuelle Studienlage zur Wirksamkeit von Hypnotherapien bei der Tabakentwöhnung wird von Fachleuten als inkonsistent bezeichnet", schreibt die Techniker Krankenkasse. Heißt: Manche Studien deuten auf eine Wirksamkeit hin, andere nicht.
Es bleiben Zweifel.
Tewes will mir meine Zweifel nehmen. "Hypnose hat nicht nur durch Popkultur einen furchtbaren Ruf. Auch einige Show-Hypnotiseure vermitteln ein völlig verzerrtes Bild", sagt er und erklärt mir, wie Hypnose wirklich funktioniert. Suggestion sei das zentrale Werkzeug – sie beeinflusse geistig-seelische Prozesse mit dem Ziel, unbewusste Verhaltensmuster zu verändern.
"Dein Unterbewusstsein ist verdammt mächtig. Es löst Handlungsimpulse aus, die du ganz automatisch umsetzt." In meinem Unterbewusstsein könne abgespeichert sein, dass mich Rauchen entspannt. Empfinde ich Stress, folgt also der Impuls und ich zünde mir eine Kippe an. "Diese Verknüpfung zwischen Stress und Zigarette möchte ich auflösen", sagt Tewes. Und zwar in einer 90-minütigen Sitzung – eine Art Turbo-Entwöhnung.
Endlich rauchfrei, endlich eine bessere Gesundheit: Wir gehen rein!
In der Praxis stehen viele Sitzgelegenheiten: Schaukelstühle, Liegen, Sessel. Ich darf mir einen für die Reise aussuchen. Mein Unterbewusstsein rät mir zum Zero Gravity Chair, eine Art Proktologenstuhl. Offenbar strebt es nach wohliger Wehrlosigkeit.
Kopfhörer mit holzverkleideter Ambient-Musik sollen mich in Trance geleiten, mit Tewes als Sherpa. Mit gesalbten Worten will er mich allmählich in einen Dämmerzustand führen. Abschalten kann ich zunächst nicht. Mein Wunsch-Stuhl hängt im 45-Grad-Winkel, die Dudelei verdrängt alle Umgebungsgeräusche und der liebevoll formulierte Befehl, meine Augen zu schließen, raubt mir den letzten Sinn. Panik.
So soll ich mir etwa einen Strand vorstellen, imaginieren, wie der warme Sand meine Füße umschließt, doch ich denke nur an Folterkeller und kalte Messer. Laut Tewes gibt es innere Stimmen, die eine Hypnose erschweren, sogenannte Planer und Kritiker. Den Warner kann er gleich dazunehmen.
Nach dem Vorgeplänkel, stell dir dies vor, genieß das, ist doch alles nett, schwindet die Furcht vor einem Mordverbrechen. Es folgt der inhaltliche Wechsel. Tewes zeigt mir zwei Wege.
Der erste führt mich in eine smogdurchflutete, maximal schmutzige Welt. Überall liegen Kippen, ich sehe krank aus, alles düster. Umso düsterer und schmutziger wäre es aber, wenn ich Zuhause den Herd angelassen hätte oder eine Kerze noch brennt. Mein Kopf gleitet in eine Welt, in der mich Schusseligkeit um mein ganzes Hab und Gut bringt.
Als ich gedanklich wieder einsteige, soll ich mich auf dem anderen Weg befinden. Einer, der sauber ist, den ich beschwingt entlanglaufe, der … was möchte ich heute Abend eigentlich essen? Ein Curry wäre nett. Curry oder lieber Karē, also eher japanisch. Schönes Lehnwort, um ehrlich zu sein. Lädt zu Wortspielen ein. Karégrafie, Karédoskop, Kleinkarét.
Aufhören muss ich schon selbst
Tewes will, wie er zuvor erklärte, unbewusste Verknüpfungen des Rauchens mit bestimmten positiven Emotionen und suchtförderlichen Überzeugungen auflösen. Ziel sei, das Suchtmuster durch neue positive Reaktionsmuster zu ersetzen. Mein Gedankengehopse stellt sich aber als hinderlich heraus.
Denn das zieht sich durch den gesamten Prozess. Auch am Ende, als ich all meine positiven Emotionen gegenüber dem Rauchen in einen Luftballon blasen und anschließend gen Himmel steigen lassen soll. In meinem Kopf bleibt er am Boden. Luft ist zu schwer für einen Freiflug.
Nach Ende bietet mir Tewes suggestiv eine Zigarette an. Ich lehne ab. Aus Gewissensgründen. Mein Unterbewusstsein pusht mich weiterhin Richtung Selbstvergiftung. Ich habe Schmacht.
Liegt es an Tewes?
Eher nicht. Vielmehr fehlte mir selbst die Bereitschaft, mich vollständig auf den Prozess einzulassen. Die positiven Verknüpfungen mit dem Rauchen sind noch spürbar – und vermutlich wären sie durch die Hypnose stärker ins Wanken geraten, wenn mein innerer Wunsch, aufzuhören, größer gewesen wäre. Tewes bietet mit seiner Methode einen professionellen Rahmen für Veränderung – doch wie bei jeder therapeutischen Arbeit gilt: Der Schlüssel liegt auch in der eigenen Motivation.
Zigaretten gewinnen
Stiftung Warentest sagt etwa, dass die Hypnose dann sinnvoll ist, wenn andere Methoden fehlschlagen. Das ist insofern schlüssig, als beim Griff zu anderen Methoden der Wunsch zum Rauchstopp bereits besteht. Hier lässt sich was machen. Menschen, die zu Tewes kommen und für eine Sitzung zahlen, sind fest entschlossen, nutzen wahrscheinlich sogar im Anschluss seine Hypnobox-App für Heimübungen. Ich hingegen bleibe zwiegespalten.
Mittlerweile stehe ich vor meiner Wohnung, einige Kilometer von Tewes' Praxis entfernt. Ich fühle mich sicher. Verstohlen klaube ich eine Zigarette aus meiner Jackentasche und stecke sie an. Melancholisch blase ich den Rauch in die Abendluft. Diesmal schmeckt sie besonders bitter.