Über das Thema Schwangerschaftsabbrüche wurde vergangene Woche hitzig diskutiert. Der "Spiegel" hatte berichtet, dass eine von der Bundesregierung eingesetzte Fachkommission empfehle, Abtreibungen innerhalb der ersten zwölf Wochen zu legalisieren. Dass sich die Expert:innen mit einem weiteren Thema befasst haben, blieb in der Berichterstattung weitgehend unbeachtet.
Die Ampel-Koalition hatte die Fachkommission beauftragt, auch eine Legalisierung nicht-kommerzieller Leihmutterschaften und Eizellspenden zu prüfen. Beides ist in Deutschland bislang verboten. Nun stellten die Expert:innen ihren Abschlussbericht vor.
Zur Leihmutterschaft schreiben sie, dass der Gesetzgeber an seinem Verbot festhalten könne. Wenn der Schutz der Leihmutter und das Wohl des Kindes sichergestellt werden, sei in bestimmten Fällen aber eine Legalisierung denkbar.
Voraussetzung: Entweder kennen sich die Leihmutter und die künftigen Eltern bereits, weil sie befreundet oder verwandt sind. Oder sie treffen eine Vereinbarung, dass zwischen beiden Seiten auch nach der Geburt des Kindes noch eine Beziehung besteht.
Was die Eizellspende angeht, sehen die Expert:innen eine Legalisierung für ethisch vertretbar. Dafür sei aber ein entsprechendes Gesetz notwendig, das "den Schutz der Spenderinnen und das Kindeswohl gewährleistet".
Das Thema ist für viele Paare ein wichtiges: In Deutschland ist fast jedes zehnte Paar zwischen 25 und 59 Jahren laut Bundesfamilienministerium ungewollt kinderlos. Liegen die Gründe dafür beim Mann, besteht die Möglichkeit, ein Kind mithilfe einer Samenspende zu zeugen.
Doch wie sieht eine andere Option, die Leihmutterschaft, konkret aus? Wie ist die rechtliche Situation in Deutschland? Und warum ist das Thema so umstritten? Watson beantwortet die wichtigsten Fragen.
Ist eine Frau unfruchtbar, könnte sie sich theoretisch mit einer Eizellspende den Kinderwunsch erfüllen. Dabei wird einer Spenderin eine Eizelle entnommen, die künstlich befruchtet und dann der künftigen Mutter eingesetzt wird.
Von einer Leihmutterschaft spricht man, wenn eine Frau nicht ihr eigenes Kind austrägt, sondern das einer anderen Person oder eines anderen Paares. Auf diese Weise können beispielsweise auch homosexuelle Männer ein leibliches Kind bekommen.
"Manche Wunscheltern gehen diesen Weg aus Verzweiflung, andere sind pragmatisch", sagt die Sozialanthropolgin Veronika Siegl gegenüber watson. Sie hat unter anderem zu Leihmutterschaft in der Ukraine und Russland geforscht. Die Paare, mit denen Siegl gesprochen hat, hätten schon viel versucht, um ein Kind zu bekommen. Die Leihmutterschaft sei für sie oftmals der letzte Weg.
In manchen Fällen stammen sowohl die Eizelle als auch die Samenzelle von den künftigen Eltern. Nach einer künstlichen Befruchtung wird der Leihmutter die Eizelle eingesetzt. Sie trägt ein Kind aus, mit dem sie genetisch nicht verwandt ist. Sie "verleiht" ihren Körper.
Es gibt aber auch Konstellationen, in denen entweder die Eizelle oder der Samen von fremden Spender:innen stammen. Außerdem ist es möglich, dass eine Frau sowohl Leihmutter als auch Eizellspenderin ist.
In Deutschland ist sowohl die Durchführung einer Eizellspende als auch die einer Leihmutterschaft verboten. Geregelt ist das im Embryonenschutzgesetz. Dort steht im Kern, dass jeder Person eine Geld- oder Freiheitsstrafe droht, die einer Frau eine fremde Eizelle überträgt. Ebenfalls strafbar ist es, eine Frau künstlich zu befruchten, die die Absicht hat, das Kind abzugeben.
Das Verbot betrifft also in erster Linie Ärzt:innen, die Wunscheltern machen sich nicht strafbar. Da aber nach dem Adoptionsvermittlungsgesetz auch die Vermittlung von Leihmüttern unter Strafe steht, entscheiden sich manche Paare, ihren Kinderwunsch im Ausland zu erfüllen.
Weltweit gibt es einige Länder, in denen Leihmutterschaft legal ist. In Großbritannien, Dänemark oder Portugal ist beispielsweise die altruistische Leihmutterschaft erlaubt. Das bedeutet, eine Frau trägt freiwillig und ohne Bezahlung ein Kind für ein anderes Paar aus.
Von einer kommerziellen Leihmutterschaft spricht man, wenn die Frau von den Wunscheltern bezahlt wird. Das ist in Ländern wie der Ukraine oder Russland sowie einigen US-Bundesstaaten erlaubt.
Diese Möglichkeit haben auch schon einige Stars genutzt: Sänger Elton John, "It-Girl" Paris Hilton, Schauspielerin Rebel Wilson oder "How I Met Your Mother"-Star Neil Patrick Harris.
Teilweise sind die "Aufwandsentschädigungen" für altruistische Leihmütter aber so hoch, dass die Grenzen zur kommerziellen Leihmutterschaft verschwimmen, merkt Siegl an.
Es gibt Agenturen, die sich auf die Vermittlung von Leihmüttern im Ausland spezialisiert haben. Aus Datenbanken dieser Agenturen können sich die werdenden Eltern oftmals eine Leihmutter aussuchen.
Die meisten Agenturen werben damit, dass alle notwendigen Unterlagen vorbereitet werden, damit die Wunscheltern auch als rechtliche Eltern anerkannt werden.
In Deutschland gilt nämlich die Frau als rechtliche Mutter, die das Kind zur Welt gebracht hat. Das bringt rechtliche Unsicherheiten mit sich, auf die auch das Auswärtige Amt hinweist:
All das lassen sich die Agenturen gut bezahlen: In der Ukraine belaufen sich die Kosten auf schätzungsweise 30.000 bis 50.000 Euro. In den USA zahlen Eltern teils doppelt so viel.
Laut dem Marktforschungsunternehmen "Global Market Insights" lag der Umsatz dieser Branche 2022 weltweit bei rund 14 Milliarden Dollar.
Ein Hauptkritikpunkt betrifft die Leihmütter. Viele Frauen würden sich aus finanzieller Not dafür entscheiden, ein fremdes Kind auszutragen. Genau diese Notlage würden die Vermittlungsagenturen und Wunscheltern für ihre Zwecke ausnutzen.
"Russland und die Ukraine sind zwei Länder, in denen viele Menschen in wirtschaftlicher Unsicherheit leben. Da macht niemand selbstlos eine Leihmutterschaft", sagt Sozialanthropologin Siegl. In den USA sei die Situation anders. "Dort machen es die Frauen nicht ohne Bezahlung, aber auch nicht wegen der Bezahlung."
Dass die Frauen darunter leiden würden, dass sie ein Kind, das in ihnen herangewachsen ist, nach der Geburt direkt abgeben müssen, kann Siegl für ihre Forschung nicht bestätigen: "Das ist ein großer Irrtum, dass es den Leihmüttern nach der Geburt ganz schlecht gehen würde." Die Frauen würden sich bereits während der Schwangerschaft bewusst machen, dass sie ein fremdes Kind austragen.
Schwieriger sehe die Frage aus, wie eng der Kontakt zwischen Leihmutter und Wunscheltern ausfällt. In Siegls Forschung hätten die Leihmütter nur wenig Mitspracherechte gehabt, vor allem, wenn Agenturen beteiligt waren. "Die haben extrem viel Macht und nutzen sie auch aus", sagt Siegl.
Manche Menschen befürchten, dass ein Kind Schäden davontragen könnte, wenn die soziale und die genetische Mutter nicht die gleiche Person ist. Das war auch der Grund, warum der Gesetzgeber die Eizellspende 1990 verbot.
Die Studienlage dazu ist dünn, aber Untersuchungen konnten diese Befürchtungen nicht bestätigen. Und auch die von der Ampelkoalition beauftragten Expert:innen halten das Argument nicht mehr für überzeugend.
Ihre Empfehlungen sind zwar nicht bindend für die Bundesregierung, könnten nun aber einen Anstoß für eine gesetzliche Neuregelung geben.