Die Situation an deutschen Krankenhäusern ist weiterhin angespannt. Zwar hat die Bundesregierung eine Reform auf den Weg gebracht, die am 1. Januar 2024 in Kraft treten soll. Doch damit sind leider noch nicht alle Probleme des deutschen Gesundheitssystems, wie etwa das ungeordnete Kliniksterben oder der Fachkräftemangel gelöst.
Die Folge: Häufig arbeitet das medizinische Personal an ihrer Belastungsgrenze. Gerade Notaufnahmen sind ständig überlastet – mitunter auch, weil zu viele Menschen unnötigerweise kommen. Den Vorschlag des Kinderärztepräsidenten Thomas Fischbachs, in diesem Fall die Eltern von kranken Kindern zur Kasse zu bitten, stieß bei Karl Lauterbach jedoch auf taube Ohren.
Zurecht, findet Notärztin Julia Rehme-Röhrl, die auf Instagram unter dem Namen "Notarztmami" medizinische Erste-Hilfe-Tipps für Eltern gibt. Ihr Ziel ist es, mit ihrem Account aufzuklären, damit die Eltern "aus den richtigen Gründen den Notruf wählen und in die Notaufnahme kommen".
Die Unfallchirurgin ist selbst Mutter und findet den Vorschlag der Strafgebühr für Kinder in der Notaufnahme "persönlich schwierig".
Zum einen, weil sogar Erwachsene häufig unnötigerweise in die Klinik kommen – "wegen einmal Durchfall oder Erbrechen". Und zum anderen, weil es bei kleinen Kindern schneller mal ernst werden kann, wenn sie krank sind oder sich verletzten. "Die meisten Eltern haben wirklich Angst und kommen aus guten Gründen."
Für watson hat Dr. Julia Rehme-Röhrl die wichtigsten Antworten für Eltern parat, wenn man wieder mal vor einem verletzten oder kranken Kind und damit vor der Frage steht: In die Notaufnahme oder erst einmal abwarten?
"Als erstes würde ich den Leuten gerne sagen, dass man auf sein Bauchgefühl und seine Mama-Instinkte vertrauen kann", rät die Notärztin. Man solle seinen gesunden Menschenverstand benutzen, vor allem bei Kindern. Aber: Lieber einmal zu viel als zu wenig zum Arzt zu gehen. "Du kennst dein Kind am besten, also weißt du vielleicht auch, wenn irgendwas nicht stimmt." Deshalb sollte man seinem Instinkt vertrauen und nicht nur auf das, was man liest.
Sind die Kinder noch sehr jung, seien Krankheiten oder Verletzungen zudem besonders schwer einzuschätzen, da die Kinder noch nicht sprechen können.
Auf jeden Fall den Notruf wählen sollte man bei:
"Beim Googeln wäre ich vorsichtig", sagt Julia Rehme-Röhrl. Stattdessen solle man im Internet lieber auf seriöse Seiten gehen, wenn man sich denn unbedingt dort informieren möchte. Beispielsweise auf der Website "Kinder- und Jugendärzte im Netz" oder "Kindergesundheit-info.de" vom Bundesgesundheitsministerium. Bei ersterem sind sogar die meisten Kinderärzte mit Öffnungszeiten registriert.
Am besten wäre es, sich bei Symptomen aber einfach bei seinem Kinderarzt zu erkundigen, was man tun sollte. Oft geht das ja auch telefonisch oder per E-Mail.
Zudem kann man sich an einem Sonntag auch außerhalb der Notaufnahme Hilfe suchen, wenn man unsicher ist, was man tun soll. Sogar telefonisch. Die Ärztin empfiehlt dafür den kassenärztlichen Dienst unter der Nummer 116 117 anzurufen. Dieser habe in jeder Region einen Facharzt-Telefondienst für medizinische Auskünfte und Not-Termine hinterlegt.
Und noch einen Geheimtipp für unsichere Eltern hat Rehme-Röhrl, wenn sie ein Feedback oder Unterstützung brauchen:
Natürlich sollte man diese Telefonnummer verantwortungsvoll benutzen und nur in wirklich ernsten Fällen anrufen.
Überflüssige Besuche hat natürlich auch Rehme-Röhrl schon erlebt: Etwa, wenn sich eine Kruste am Kopf als eingetrockneter Ketchup-Fleck entpuppt. Oder auch der Klassiker, bei einmaligem Durchfall bereits den Notarzt zu rufen.
Besonders häufig kämen Leute zu Rehme-Röhrl in die Notaufnahme aufgrund von Zecken. Das sei aber "wirklich nicht nötig", wie die Ärztin beont. "Eine Zecke sollte man einfach selbst entfernen und den Stich beobachten." Man kann die Stelle im Zweifel auch vom Kinderarzt anschauen lassen oder selbst fotodokumentieren. Wenn es dort, wo sich die Zecke befunden habe, rot würde, sich entzünde oder das Kind Fieber habe, sei das aber wirklich ein Grund, beim Kinderarzt vorstellig zu werden.
Ansonsten sei das lange Herumsitzen in der Notaufnahme mit einer Zecke in der Haut sogar eher schädlich. "Bei der Zecke gilt wirklich: So schnell wie möglich entfernen, weil sie dann am wenigsten ihrer Bakterien 'ausspucken'", rät die Expertin.
Eltern kennen es gut. Gefahren lauern für Kinder überall – auch da, wo man sie wirklich nicht erwarten würde. Kinder sind einfach sehr neugierig. Eine Sekunde nicht hingeschaut und schon ist ein Unfall passiert oder ein Spültab im Mund. Und was jetzt?
Julia Rehme-Röhrl rät allen Eltern, vor der Geburt einen professionellen Erste-Hilfe-Kurs zu absolvieren. Das sei schon mal eine gute Vorbereitung. Auch beim Thema Pseudokrupp (einem bellenden Hustenanfall) oder Verschlucken müsse man vorher wissen, auf was zu achten ist. Man sollte sich daher zu den gängigsten Kinderkrankheiten belesen und wissen, was bei diesen im Zweifelsfall zu tun ist. "Das ist schon die Verantwortung der Eltern", findet die Ärztin.
Für den Notfall rät sie zu einem Zettel am Kühlschrank mit wichtigen Telefonnummern: Dem Notruf 112, der 116 117, der Nummer vom Kinderarzt und der nächsten Kinderklinik sowie die Nummer des Giftnotrufs sollten dort stehen.
Ansonsten rät die Kinderärztin aus eigener Erfahrung: "Ich habe immer und überall Pflaster und ein aufgeladenes Handy mit, auch wenn wir nur an den See gehen oder eine kleine Wanderung machen. Mit Kindern musst du einfach auf alles vorbereitet sein." Auch beim Urlaub mit Kindern gehören ein paar wichtige Medikamente wie Fiebersaft immer in die Reisetasche.