Verbraucher müssen künftig gut haushalten, wenn sie Geld sparen wollen.Bild: iStockphoto / Damir Khabirov
watson antwortet
13.04.2022, 09:4112.12.2023, 12:47
Vielleicht brachte es der CDU-Chef Friedrich Merz vergangenen Sonntag im "Bericht aus Berlin" auf den Punkt, als er feststellte: Wir Deutschen hätten, angesichts der stark steigenden Verbraucherpreise "zumindest für eine gewisse Zeit, den Höhepunkt unseres Wohlstandes hinter uns". Es werde nun schwieriger und man werde sich das ein oder andere nicht mehr leisten können.
Für viele sind die Worte des CDU-Vorsitzenden keine Neuigkeit. Die gestiegenen Lebenshaltungskosten sind längst als Loch in ihrem Geldbeutel angekommen.
Die aktuell hohe Teuerungsrate bringt laut einer YouGov-Umfrage im Auftrag der Postbank immer mehr Menschen in Deutschland in finanzielle Schwierigkeiten. Rund jeder siebte Erwachsene kann demnach kaum noch seine täglichen Ausgaben bestreiten. Dies entspricht über 10,4 Millionen Menschen. Besonders betroffen sind Menschen mit niedrigem Einkommen, darunter auch viele Studentinnen und Studenten.
So gab fast jeder vierte Befragte mit einem Haushaltsnettoeinkommen von weniger als 2500 Euro im Monat an, dass die Inflation die eigene Existenz bedrohe. Zwei Drittel der Befragten reduzierten bereits ihre Konsumausgaben. Doch acht Prozent sahen gar keine weiteren Möglichkeiten, Geld zu sparen.
Ob für gute Bio-Qualität bei Lebensmitteln im Geldbeutel demnächst noch genug übrig bleibt? Bild: imago stock&people / photothek
Inflation auf Höchststand seit 40 Jahren
Angetrieben von den hohen Energiepreisen war die Inflationsrate im März weiter gestiegen und hatte den höchsten Stand seit mehr als 40 Jahren erreicht. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, stiegen die Verbraucherpreise im Vergleich zum Vorjahresmonat etwa um 7,3 Prozent.
Die Ampelkoalition möchte dem entgegensteuern. Rund 30 Milliarden Euro umfassen die jüngst beschlossenen Finanzpakete, die den Bürgern in Deutschland Entlastung für massiv gestiegene Energiekosten bringen sollen.
Das klingt zunächst nach viel. Aber wie viel kommt davon auch bei jenen an, die die Unterstützung am meisten brauchen? Das dürften neben Haushalten mit kleinem Einkommen vor allem auch Empfänger staatlicher Zahlungen wie beispielsweise Rentner und Rentnerinnen, Sozialhilfeempfänger und Studenten und Studentinnen mit Bafög sein.
So bekommen Studenten, Auszubildende und andere Bafög-Berechtigte einmal pauschal 230 Euro Ausgleichszahlung.
Nicht nur das Tanken, sondern auch das Heizen könnte zum Luxusgut werden.Bild: www.imago-images.de / imago images
Studie befindet Entlastungen der Regierung als "sozial ausgewogen"
Zum Hilfspaket der Bundesregierung gehören auch eine Erhöhung der Steuerfreibeträge, eine Energiepreispauschale für Erwerbstätige, ein Familienzuschuss – und eine Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe.
Die Entlastungen seien "insofern sozial ausgewogen, als insbesondere bei Haushalten mit geringen und mittleren Einkommen, und speziell bei Familien, ein besonders hoher Anteil der Mehrausgaben für Energie ausgeglichen" werde, erklärte das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in einer am Montag veröffentlichten Studie.
Eine Familie mit zwei Kindern und niedrigem bis mittlerem Einkommen profitiert am meisten vom Entlastungspaket der Bundesregierung.Bild: www.imago-images.de / imago images
Eine Familie mit zwei erwerbstätigen Erwachsenen, zwei Kindern und einem niedrigen Einkommen zwischen 2000 und 2600 Euro könne bei den Energiekosten beispielsweise um 90 Prozent entlastet werden. Bei einem mittleren Einkommen von 3600 bis 5000 Euro betrage die Entlastung noch 77 Prozent. Deutlich geringer fällt die Entlastung aber aus, wenn nur ein Familienmitglied erwerbstätig ist: Der Grund dafür ist, dass die Energiepreispauschale nur an Erwerbstätige ausgezahlt wird.
Die Entlastungspakete der Bundesregierung halten 61 Prozent der Befragten der YouGov-Umfrage für nicht ausreichend, nur 16 Prozent sind damit zufrieden. Wie kann man sich also in der derzeitigen Situation am besten vorbereiten, um nicht beim Öffnen der nächsten Heizkosten- oder Gasrechnung in eine Schockstarre zu fallen?
watson hat eine Finanzexpertin und einen Energieberater gefragt.
Bringt die Abschaffung der EEG-Umlage tatsächlich günstigere Strompreise?
Um die Verbraucher bei den Energiepreisen nicht erst zum Ende des Jahres 2022 zu entlasten, hat die Ampel-Regierung die Abschaffung der EEG-Umlage auf den ersten Juli vorgezogen. Doch wird das reichen, um die nächste Stromrechnung spürbar zu senken?
Martin Brandis, Energieexperte bei der Energieberatung der Verbraucherzentrale, beziffert die reale Entlastung für Verbraucher gegenüber watson so: "Die EEG-Umlage beträgt aktuell 3,723 Cent pro kWh, das sind derzeit etwa 10 Prozent des Bruttostrompreises." Die Umlage soll künftig aus dem Bundeshaushalt gezahlt werden und nicht mehr wie vorher von Verbrauchern und Unternehmen. "Energieversorgungsunternehmen werden verpflichtet, die Entlastung in vollem Umfang an ihre Kunden weiterzugeben."
Ob das dann auch wirklich der Fall sein wird, sieht Ines Rutschmann, Redakteurin Energie beim Geldratgeber-Portal Finanztip, noch skeptisch.
Sie sagt gegenüber watson:
"Im Gesetzentwurf ist festgelegt, dass Stromlieferanten die Kostensenkung weitergeben müssen. Verbraucher sollten diese Senkung daher spüren. Möglich ist natürlich, dass ein Stromlieferant zwar erklärt, niedrigere Umlagen weiterzugeben, dies aber mit höheren Kosten an anderer Stelle – etwa beim Stromeinkauf – kompensiert. Darüber ist der Kunde aber zu informieren und es steht ihm dann ein Sonderkündigungsrecht zu."
Welche Kosten kommen wirklich auf mich zu?
Das Portal rbb24 schrieb Mitte Januar zu den gestiegenen Heizkosten: "Dem Vergleichsportal Verivox zufolge verteuerte sich Energie im Laufe eines Jahres um 35 Prozent. Und laut Check24 hoben allein im neuen Jahr bereits mehr als 700 Grundversorger ihre Gaspreise an.
Die durchschnittliche Preiserhöhung bedeute für einen Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 20.000 kWh zusätzliche Kosten von mehr als 1.000 Euro pro Jahr." Portale wie Verivox oder Check24 sind vielleicht praktisch, wenn man auf die Schnelle einen neuen Gasanbieter sucht – doch wirklich unabhängig sind die Vergleiche hier nicht.
Denn in ihrem Geschäftsmodell kassieren die Portale Provisionen von empfohlenen Anbietern. Wie realistisch schätzt Martin Brandis als Energieberater der Verbraucherzentrale diese Angaben zum Gaspreis?
"Bei einem Arbeitspreis von ca. 7,5 Cent/kWh 2021 ergeben sich bei einer Preiserhöhung von 35 Prozent Mehrkosten von 2,625 Cent/kWh und bei 20.000 kWh 525 Euro. Es könnten in der Grundversorgung ohne Mindestlaufzeiten und Preisgarantien weitere Preiserhöhungen kommen." Das sei aber in der Höhe nicht vorherzusagen. Besser für Kunden seien daher Sonderverträge der Anbieter, die Preisgarantien enthalten.
Für den schnellen Überblick der Angebote taugen Vergleichsportale – unabhängig sind sie jedoch nicht.Bild: www.imago-images.de / Janine Schmitz/photothek.net
Auch Ines Rutschmann bestätigt die Preiserhöhung seitens der Anbieter: "Es ist richtig, dass fast alle Grundversorger die Preise angehoben haben. Die Gaspreise haben sich für Verbraucher binnen eines Jahres sogar um mehr als 70 Prozent erhöht, der Strompreis um rund 13 Prozent; Heizöl ist gegenüber dem ersten Halbjahr 2021 doppelt so teuer."
Bei Heizöl hänge es aber entscheidend davon ab, wann der Hauseigentümer oder Vermieter bestellt. Ein Musterhaushalt verbrauche in Deutschland auch nicht 20.000 kWh Gas. Die Gaskunden, und dazu zählen auch Vermieter von Mehrfamilienhäusern mit Zentralheizung, würden im Schnitt 20.000 kWh verbrauchen, nicht aber private Haushalte.
"Die rund 18 Millionen mit Gas beheizten Wohnungen verbrauchten 2020 rund 250 kWh Gas. Das macht rund 14.000 kWh im Jahr pro Wohnung. Bei 5,2 ct/kWh höheren Preisen macht das rund 730 Euro Mehrkosten", so Rutschmann im Gespräch mit watson.
Ist es sinnvoll, für die nächste Rechnung schon jetzt Geld zurückzulegen?
Bleibt die Frage, wie man sich auf die kommende Rechnung bestmöglich vorbereitet. Denn, so Energieberater Brandis, bleiben Verbrauch und monatliche Abschläge unverändert, ist in diesem Jahr mit hohen Nachforderungen der Energieversorgungsunternehmen zu rechnen.
Er gibt daher diesen Rat: "Die Entscheidung, wie damit umzugehen ist, treffen Verbraucher am besten selbst. Für viele ist es sinnvoll, vorbereitet zu sein, zum Beispiel mit Rücklagen oder erhöhten Abschlägen."
Soll man Geld für die nächste Nebenkostenabrechnung jetzt schon zurücklegen?Bild: imago stock&people / Michael Weber
Laut Finanzexpertin Ines Rutschmann haben Verbraucher noch ein wenig Zeit, um sich vorzubereiten. Denn so richtig teuer wird es erst nächstes Jahr: "Deutlich teurer werden die Kosten auf der Heizkostenabrechnung sein, die für das Jahr 2022 im Jahr 2023 zugestellt wird.
Darauf können sich Berufstätige vorbereiten – und etwa den Kinderbonus und das Energiegeld, die die Bundesregierung ausschütten will, verwenden. "Rentner, Studierende und andere, die nicht berufstätig sind, sollten jeden Monat Geld zurücklegen." Wer in einem Mehrfamilienhaus mit Zentralheizung wohnt, erhalte vielleicht für das Jahr 2021 schon eine kostspieligere Abrechnung.
Diejenigen, die ein eigenes Haus besitzen, wissen vermutlich schon über die Kosten Bescheid, so Rutschmann im Gespräch mit watson: "Verbraucher, die selbst Gas oder Öl einkaufen, zahlen die höheren Preise längst. Auch die Abschläge für Strom sind für die meisten Verbraucher längst höher als noch 2021."
Wie kann man selbst die Kosten eindämmen?
Dazu kann Martin Brandis konkrete Tipps geben. Die größten Potenziale zur Einsparung von Kosten hätten Verbraucher bei der Heizung und im Bereich Verkehr: "Die Raumtemperaturen absenken bringt viel Einsparung. Ebenso die Heizung auf Räume und Tageszeiten begrenzen, in denen sie wirklich nötig ist. Wer beispielsweise den ganzen Tag abwesend ist, benötigt dann keine Heizung. Im Verkehr heißt es so wenig Auto fahren wie möglich – und wenn, dann möglichst kraftstoffsparend."
Und wie lange geht das noch so weiter mit den Preissteigerungen?
Die Abhängigkeit der Bundesrepublik von russischen Rohstoffen wie Öl und Gas rächt sich mit dem Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine massiv. Dazu kommt noch die durch den Krieg und mögliche Embargos entstehende Unsicherheit über mögliche Lieferengpässe. Sie treibt die ohnehin durch die Inflation gestiegenen Energiepreise noch weiter in die Höhe:
"Neben erhöhter Nachfrage nach Strom und Gas, die preissteigernd wirkt, spielen politische Gründe eine Rolle", analysiert Energieberater Brandis im Gespräch mit watson.
"Der Beginn des Krieges gegen die Ukraine hatte direkte Auswirkungen auf die Gaspreise. Da auch ein erheblicher Teil der Stromproduktion mit Erdgas erfolgt, gab es auch dort Auswirkungen auf die Preise." Eine seriöse Vorhersage der Entwicklung sei nach Ansicht der Verbraucherzentrale im Moment nicht möglich.
Die nächste Heizkostenabrechnung wird vermutlich wenig erfreulich.Bild: chromorange / Christian Ohde / CHROMORANGE
Finanzexpertin Rutschmann dagegen sieht, zumindest in Teilbereichen, das Ende der Preisspirale erreicht: "Beim Strom erwarte ich keine weitere Preissteigerung. Auch die Preise für Heizöl und Sprit sind wieder gesunken und sollten nicht wieder auf 2 Euro pro Liter steigen."
Die Gaspreise werden laut Rutschmann dagegen vermutlich weiter steigen, weil die Beschaffungskosten bis einschließlich 2024 hoch bleiben und immer noch nicht voll auf die Verbraucherpreise durchgeschlagen sind.
"Noch profitieren viele Gaslieferanten von langfristig geschlossenen Verträgen im Gaseinkauf, die sie zu deutlich niedrigeren Preisen geschlossen haben. Laufen diese Verträge aus und müssen neue zu den aktuell hohen Preisen geschlossen werden, werden diese höheren Kosten an die Verbraucher weitergereicht werden."
Ines Rutschmann, Redakteurin Energie beim Ratgeber Finanztip gegenüber watson
Gerade kommt der Frühling, die Heizperiode hat sehr bald ein Ende und das spart zumindest an einem Ende ein wenig Kosten. Denn da sind sich die Experten einig: Dass die Beschaffungspreise für Gas am Markt wieder deutlich sinken, sei aufgrund des Krieges in der Ukraine und der Diskussion um einen Gasboykott derzeit nicht zu erwarten.
(mit Material von afp)