Noch drei Wochen bis zur Geburt – und vor ein paar Tagen hat die Panik eingesetzt. Nicht die Angst vor unerträglichen Wehenschmerzen oder der Geburt an sich. Panik deshalb, weil uns bei einem Wellnesswochenende bewusst geworden war, dass diese Tage wohl die letzten dieser Art für lange, lange Zeit sein werden. Kaum hatten wir unsere Zimmerkarte in Empfang genommen, befanden wir uns im Vor-Eltern-Modus.
Es fühlte sich sofort wie früher an. Keine Verpflichtungen außer pünktlich zur Behandlung im Spa zu erscheinen. Abendessen dann, wenn wir hungrig waren und so lange, wie wir Lust hatten, sitzen zu bleiben. Vorher spontan ein Drink an der Bar? Klar. Stundenlang zwischen Sauna, Dampfbad, Naturbadeteich und Ruheraum pendeln. Und zwischendurch ein paar Seiten auf den gemütlichen Betten in Nähe des Kaminfeuers lesen, bis einen der Nachmittagsschlaf überkommt. Nicht Ansprechpartner sein, nicht verantwortlich sein, selbstbestimmt sein.
Zwar hatten wir Zuhause ein Kleinkind sitzen, aber zumindest war dieses nach vier Jahren endlich in der Lage, ein paar Tage alleine mit seiner Oma zu verbringen, ohne dass ich hinterher die Trennung in Form von anstrengenden Verhaltensweisen wochenlang ausbaden musste. Gerade sind wir an einem Punkt, an dem er – vorausgesetzt er liegt zwischen uns – nachts durchschläft.
Ich kann endlich wieder bis 14 Uhr arbeiten, weil er seit zwei Wochen im Kindergarten zu Mittag isst. Manchmal beschäftigt er sich tatsächlich 15 Minuten alleine. Kurz: Wir haben uns über so lange Zeit ein Niveau erarbeitet, mit dem ein paar Dinge erträglicher wurden. Und nun werden wir in knapp drei Wochen abstürzen und wieder ganz unten aufschlagen? Gerade unvorstellbar. Im Hotel läuft eine Mutter mit Baby auf dem Arm an uns vorbei und mein Mann sagt: "Ich kann einfach nicht glauben, dass wir bald wieder nonstop dieses Geschrei haben werden." Ich antworte: "Was haben wir uns bloß angetan?"
Eine meiner Freundinnen erzählt mir freudig am Telefon, dass ihr zweites Kind nun vollständig in der Krippe eingewöhnt ist. Und ich bin neidisch. Neidisch, weil ich mir mit einem Ungeborenen im Bauch wünsche, an genau diesem Punkt zu sein. In dem Moment, in dem ich damals völlig beseelt die Tagesmutter verlassen habe, weil es sich anfühlte, als würde ich mit der abgeschlossenen Eingewöhnung einen Teil meines Lebens zurückbekommen.
Eine andere Freundin, ebenfalls zweifache Mutter, sagt, sie müsse dauernd an dieses Interview mit einer Scheidungsanwältin denken, die meinte, mit einem Kind würden die meisten gerade noch so klarkommen. Beim Zweiten bräche dann häufig alles zusammen. Gemeint war wohl die Beziehung. Genieße die Zeit, bevor die nächste Rakete in dein Leben tritt, schreibt sie. Wie Recht sie hat. Nur leider bleibt nicht eine Sekunde zum Genießen, weil ich als Selbstständige bis zum Beginn der ersten Wehe arbeiten werde, weil ich noch ein vierjähriges Kind zu versorgen habe und weil ich nebenbei 127 Klein-Projekte abzuschließen versuche, bevor mein Leben wieder stillsteht.
Die passendere Formulierung wäre gewesen: bevor die nächste Rakete einschlägt. Bevor sie all die winzigen Freiheiten, die wir uns so ultrahart erkämpft haben, vernichtet. Bevor ich wieder in einer Stillen-Wickeln-Tragen-Dauerschleife festhänge und Uhrzeiten keine Rolle mehr spielen. Bevor ich mir wieder überlegen muss, ob ich mit meinem äußeren Erscheinungsbild tatsächlich das Haus verlassen kann. Bevor das Highlight der Woche wieder der Besuch des Drogeriemarkts sein wird. Bevor es wieder vier Jahre dauern wird, fünf Tage am Stück unbeschwert zu zweit verreisen zu können. Wie sehr freue ich mich schon jetzt auf den Herbst 2025.