Es ist das dritte Krisenjahr in Folge: Erst die Pandemie, dann der Ukraine-Krieg. Dazwischen gingen kleinere und größere Katastrophen quasi nahtlos ineinander über. Und dennoch: Die Bürger:innen nehmen die Umwelt- und Klimakrise ernst. Gut drei Viertel der Deutschen sorgen sich um die Folgen der globalen Erhitzung.
Zu diesem Ergebnis kam die "Umweltbewusstseinsstudie 2022" des Umweltbundesamtes, für die im Rhythmus von zwei Jahren Daten zu Umwelteinstellungen und -verhalten erhoben und im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Entwicklungen betrachtet werden. Dafür wurden im Sommer vergangenen Jahres rund 2000 Bürger:innen ab 14 Jahren online befragt.
"Auch in Zeiten vielfältiger Krisen wird Umweltzerstörung nicht als Luxusproblem abgetan", sagt Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes gegenüber watson. "Das macht Mut."
Trotz der sich gleichzeitig abspielenden Krisen auf der ganzen Welt nehmen 57 Prozent der Bevölkerung den Umwelt- und Klimaschutz als wichtig wahr. Damit landet das Thema allerdings nur noch auf Platz fünf der wichtigsten politischen Herausforderungen. In der letzten Umfrage von vor zwei Jahren lag das Thema noch auf Platz vier.
Als noch wichtiger betrachten die Deutschen die folgenden Themen:
Schwerpunkt der diesjährigen Studie war die Einstellung der Deutschen zur umweltfreundlichen Transformation der Wirtschaft. 90 Prozent der Befragten halten dieses Vorhaben für richtig und wichtig, was Messner angesichts der Vielzahl der Krisen als "sehr erstaunlich" empfindet. Gegenüber watson sagt er:
Immerhin für 41 Prozent der Befragten geht die Ampel-Regierung diesbezüglich nicht weit genug, nur jedem Fünften hingegen ist das politische Vorgehen zu progressiv.
Und trotzdem: Die Sorge, die mit dem Umbau der Wirtschaft einhergeht, treibt den Großteil der Deutschen um. Über 80 Prozent sorgen sich vor steigenden Lebenshaltungskosten, etwa durch höhere Preise für Strom, Heizung, Mobilität oder Nahrungsmittel.
41 Prozent der Menschen – im Osten sogar 54 Prozent – gehen zudem davon aus, dass der ökologische Umbau der Wirtschaft ihren sozialen Status gefährdet. "Daraus spricht Sorge und Verunsicherung darüber, wie sich konsequente Umwelt- und Klimapolitik auf die wirtschaftliche und soziale Situation im Land auswirkt", sagt Messner.
Dementsprechend wichtig sei auch die richtige Kommunikation der Bundesregierung. Es müsse zu jeder Zeit deutlich gemacht werden, dass der Klimaschutz unseren Wohlstand nicht gefährde. Messner betont gegenüber watson:
Das zentrale Ergebnis: Die Wirtschaft muss nicht nur ökologisch, sondern gleichzeitig auch sozial gerecht umgestaltet werden. Es müssen also auch diejenigen bedacht und mit einbezogen werden, die aus einfacheren Bildungsgruppen und wirtschaftlich weniger starken Regionen kommen.
Denn aus der Studie geht klar hervor: Je jünger und je gebildeter die Befragten sind, desto mehr fordern sie auch weitere Anstrengungen der Bundesregierung. Auch die Größe der Wohnorte spielt eine Rolle: In Städten mit über 100.000 Einwohner:innen ist der Wunsch nach weitreichenderen Politikmaßnahmen für rund die Hälfte der Befragten stärker als in kleineren Orten, wo sich dies nur knapp vier von zehn Personen wünschen.
Diese Erkenntnis zeigt, wie wichtig die richtige Kommunikation und das Miteinbeziehen aller Bevölkerungsschichten ist.
Dass Umwelt- und Klimathemen vor allem für jüngere Menschen eine wesentliche Rolle spielen, ist laut der Umfrage aber ein Trugschluss. Als besonders wichtig empfanden diese Themen sowohl die 14- bis 29-Jährigen, als auch Befragte ab 65 Jahren. "Es gibt also keinen Generationenkonflikt", sagt Messner.
Dementsprechend schätzen auch die meisten Bürger:innen das Engagement der Klima- und Umweltbewegungen, deren Ziele sie grundsätzlich unterstützen. Und dennoch: "Eine sehr große Mehrheit lehnt Protestaktionen wie Straßenblockaden ab", wie Messner gegenüber watson erklärt. Er fügt hinzu:
Trotzdem sei den Menschen klar, dass es ein Weiter-so nicht geben kann. "Sie unterstützen den Wandel – trotz all der Krisen drumherum", so Messner.
Das sollte die Regierung darin bestätigen, ambitionierten Klimaschutz voranzutreiben. Die demokratischen Parteien müssten zeigen, dass der Schutz des Erdsystems alle angeht und gute Lösungen gefunden werden müssen, um unsere Zukunft zu sichern und die Lebensqualität zu verbessern. "Das klimapolitische Tohuwabohu der letzten Wochen hat die Verunsicherung der Bevölkerung weiter verstärkt", sagt Messner.
In einer Zeit, in der eine Krise die nächste jagt und es darauf ankommt, alle hinter dem einen großen Ziel der Klimaneutralität zu vereinen, schürt politische Verunsicherung nur zusätzliche Ängste, die unter allen Umständen vermieden werden müssen. Deswegen sei es jetzt umso wichtiger, dass die Bundesregierung dem Anliegen der Bevölkerung nachkomme – und sozialverträglichen Klimaschutz umsetzt.