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Stürme und Klimawandel: Ist die menschengemachte Erderwärmung Schuld an mehr Wind?

Der Fischmarkt mit der Fischauktionshalle ist am Morgen während einer Sturmflut beim Hochwasser der Elbe überschwemmt.
Das Orkantief "Zeynep" hat in Deutschland immense Schäden verursacht. Und noch bevor der Sturm gänzlich abgeflaut ist, nahte mit "Antonia" bereits der nächste Sturm. Bild: dpa / Daniel Bockwoldt
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Stürme und Orkane in Deutschland: Ist das noch Wetter oder schon Klimawandel?

21.02.2022, 17:2822.02.2022, 12:39
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Ob Starkregen, Hitzeperioden oder Überflutungen – die Klimakrise beeinflusst unser Wetter, Extremwetterereignisse häufen sich. Ein Blick auf die Sturmtiefs "Ylenia", "Zeynep" und "Antonia", die in den vergangenen Tagen über Deutschland hinwegfegten, scheint das zu bestätigen. Doch ist die Erderwärmung tatsächlich auch für eine Zunahme an Stürmen verantwortlich?

Nein, wohl eher nicht, klärt der Meteorologe Peter Knippertz vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gegenüber watson auf: "Insgesamt ist wohl das wahrscheinlichste Szenario, dass die Zahl der Stürme gleich bleibt oder sogar zurückgeht, während die Intensität der stärksten Stürme möglicherweise leicht zunehmen wird." Denn: Die Temperaturunterschiede zwischen der Arktis und den Subtropen und damit auch die Unterschiede des Luftdrucks nehmen bodennah ab – die Folge: Stürme fallen schwächer aus.

"Außerdem erwarten wir eine Verschiebung der Stürme nach Norden, so dass insbesondere der Süden von Deutschland in Zukunft eher selten getroffen werden würde."
Meteorologe Peter KnippertzKarlsruher Institut für Technologie

"Die Stärke einzelner Stürme hängt auch davon ab, wieviel Regen oder Schnee sie produzieren", so Knippertz weiter. Da wärmere Luft mehr Wasser aufnehmen kann, erwarten Klimawissenschaftler hier eine Zunahme. "Außerdem erwarten wir eine Verschiebung [Anm. d. Red. der Stürme] nach Norden, so dass insbesondere der Süden von Deutschland in Zukunft eher seltener getroffen werden würde." Die Forschung diesbezüglich gilt aber noch immer als unsicher.

Auch Johannes Quaas, Professor für Theoretische Meteorologie an der Universität Leipzig, schreibt der Klimakrise eine eher geringe Rolle bei der Zunahme von Stürmen zu – sofern sie nicht aus Stark- oder Schneeregenereignissen resultieren: "Es lassen sich mittlerweile recht verlässliche Wahrscheinlichkeitsaussagen auch bei Einzelereignissen treffen, inwieweit sich Intensität oder Wahrscheinlichkeit durch den Klimawandel geändert haben. Aber bei den Stürmen ist das schwierig, weil das Signal des Klimawandels hier gering ist", erklärt Quaas gegenüber watson.

Weil die Sturmtiefs des vergangenen Wochenendes nicht so viel Regen gebracht hätten, ist der Einfluss der Klimakrise hier wohl als gering einzustufen. Bei der Zunahme von Hitzewellen und Starkregenfällen ist das anders – hier konnten Klimaforschende längst feststellen, dass die menschengemachte Erderwärmung eine entscheidende Rolle spielt.

Stärkere Stürme in Deutschland? Ein Trugschluss

Dass sich starke Stürme in Deutschland häufen, ist ein Trugschluss, wie auch das "Sturmmonitor-Dashboard" des Helmholtz-Zentrums Hereon in Statistiken veranschaulicht. Während die Anzahl der Stürme in der Deutschen Bucht in den 1980ern und frühen 1990ern leicht erhöht war, sank sie in den 2000ern deutlich. Für Nordostdeutschland ergibt sich ein ganz ähnliches Bild.

Ein Auto steht zerstört durch einen umgestürzten Baum an einer Straße. Durch das Sturmtief «Antonia» sind in Nordrhein-Westfalen Hausdächer, Autos und eine Busoberleitung zerstört worden.
Das Sturmtief "Zeynep" hat zum Start ins Wochenende für zahlreiche entwurzelte Bäume, Sturmfluten, Unfälle und Behinderungen im Bahnverkehr gesorgt.Bild: dpa / Federico Gambarini

"In den letzten Jahrzehnten ist an der Nordsee in Folge der globalen Erwärmung keine Änderung der mittleren Windgeschwindigkeit und der Spitzenböen festzustellen", erklärt auch Uwe Kirsche, Sprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD) gegenüber watson. Ab 1950 habe es eine leichte Abnahme des geostrophischen Windes gegeben, in den 1980er und 1990er Jahren sei es hingegen windreich gewesen. "Es gibt Hinweise darauf", so Kirsche, "dass die Zahl der Sturmtage im Binnenland in den letzten 30 Jahren abgenommen haben könnte."

"In jedem heutigen Wetterphänomen steckt schon der Klimawandel drin"

Das Sturmtief "Zeynep" gehört laut Karsten Smid, Klimaexperte von Greenpeace, zur Kategorie der "Bombenzyklone". "Die heißen so, weil sie sich bei ihrer Entstehung sehr schnell intensivieren", erklärt er gegenüber watson. Auch wenn sich die Klimawissenschaft noch uneins darüber ist, inwieweit Stürme aus der Klimakrise resultieren, legen wissenschaftliche Studien nahe, dass die Häufigkeit extremer Stürme bis zum Jahr 2100 voraussichtlich zunehmen wird. "Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler befürchten in ihren Prognosen", so Smid, "dass sich starke Stürme mit Windgeschwindigkeiten über 144 km/h mehr als verdoppeln."

Auch erklärt er, dass eine eindeutige Trennung zwischen Wetter und Klima nicht möglich sei. "Die veränderten Klimabedingungen wirken ja bereits auf das Wetter. In jedem heutigen Wetterphänomen steckt schon der Klimawandel drin", sagt er gegenüber watson. Die eigentliche Gefahr lauert Smid zufolge im "perfekten Sturm" – einem äußerst seltenen Wetterphänomen, das in Folge der Klimaerhitzung aber immer häufiger vorkommen werde. "Die Macht und die Zerstörungskraft von diesen klimabedingten, unerwarteten Ereignissen werden eklatant unterschätzt."

Vorsorgemaßnahmen gegen Extremwetterereignisse

Dem ist sich auch die deutsche Bundesregierung bewusst. "Extremwetterereignisse wirken sich lokal aus und dabei auch von Ort zu Ort unterschiedlich", erklärt Christopher Stolzenberg, Sprecher des Bundesumweltministeriums (BMUV), auf eine Anfrage von watson. Aus diesem Grund hätten einige Länder – zum Teil unter Beteiligung des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie (BKG) – damit begonnen, Starkregenhinweiskarten für besonders betroffene Gebiete zu erstellen. So sollen Bürgermeister und Landräte über "mögliche Schwachstellen" in ihrer Region informiert werden, um dann entsprechende Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen. In Ergänzung dazu gebe es weitere Unterstützungs- und Fördermaßnahmen des BMUV, die dazu beitragen sollen, Schäden durch Extremwetterereignisse abzumildern oder gar vorzubeugen.

Forscher recyclen Wirkstoffe und Chemikalien aus alten Medikamenten

Alte Arzneimittel werden normalerweise entsorgt und dann verbrannt. Das ist eine große Verschwendung von Ressourcen, finden Forschende. Denn die Chemikalien, die sich in alten Tabletten und Kapseln befinden, können weiterhin nützlich sein. Die Wissenschaftler:innen der Uni Erlangen arbeiten deshalb an der Entwicklung von Verfahren, um mehr aus den alten Medikamenten herauszuholen. Sie wollen Wirkstoffe und Chemikalien aus verschiedenen Medikamenten recyceln und diese für mehrere Zwecke wiederverwenden. Das ist ihnen bereits gut gelungen.

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