Die letzten zwei Wochen waren für viele ein einziges Wechselbad der Gefühle. Der Grund: In den Vereinigten Arabischen Emiraten, genauer gesagt in Dubai, fand seit dem 30. November die Weltklimakonferenz COP28 statt. Rund 100.000 Teilnehmende sind nach Dubai gereist, um darüber zu beraten, wie die menschengemachte Erderhitzung gestoppt werden kann.
Das Ziel: zu verhindern, dass sich die Erde im Vergleich zur vorindustriellen Zeit bis zum Ende des Jahrhunderts um mehr als 1,5 und höchstens 2 Grad erhitzt. Das nämlich hatten die Vertragsstaaten bei der 21. UN-Klimakonferenz 2015 feierlich im Pariser Klimaabkommen beschlossen.
Doch davon ist die Welt aktuell weit entfernt.
Mit den derzeitigen Klimaschutzzusagen wird sich die Welt bis 2100 voraussichtlich um 2,9 Grad erhitzen, wie ein neuer UN-Bericht ergeben hat. Einige Expert:innen und Prognosen gehen gar davon aus, dass wir die 1,5-Grad-Marke bereits in den nächsten drei Jahren reißen werden – mit gravierenden Folgen.
Das Gute an der Sache: Die schlimmsten Folgen lassen sich noch verhindern. Und, noch besser: Wir wissen, was wir tun müssen, um das zu verhindern: Schnellstmöglich aus den fossilen Energien aussteigen.
Doch genau das war einer der größten Streitpunkte auf der Klimakonferenz. Die wichtigsten Ergebnisse haben wir für dich zusammengetragen.
Um feststellen zu können, ob sich die 198 Vertragsstaaten auch tatsächlich an ihre nationalen Klimaschutzzusagen halten, werden diese im Fünf-Jahres-Rhythmus begutachtet. Das Ergebnis lässt zu wünschen übrig: Kein Land hat bislang seine eigenen Zusagen erfüllt. Damit wird auch die ursprüngliche Idee hinfällig, dass eine kritische Masse ehrgeizigerer Länder hinterherhinkende Länder zum Mitziehen bewegt.
"Selbst, wenn es optimal verläuft und sich alle an die nationalen Maßnahmen halten, wären die so erreichten Ziele nicht konform mit dem Pariser Klimaabkommen", berichtet Friedrich Bohn vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung gegenüber watson aus Dubai. Stattdessen würde sich die Welt im Schnitt um 2,4 Grad erwärmen, im besten Fall 1,9 Grad.
Dass der Ausstieg aus den fossilen Energien Kohle, Öl und Gas möglichst schnell erfolgt, ist der wichtigste Mechanismus, um die Emissionen zu senken und damit die Erderhitzung zu stoppen. Denn etwa zwei Drittel der weltweiten Treibhausgase entstehen durch die Nutzung fossiler Energieträger. Dementsprechend wichtig ist eine entsprechende Verankerung des Ausstiegs in der Abschlusserklärung der COP.
Laut dem Weltklimarat IPCC müssen die Emissionen bis 2030 um mindestens 43 Prozent verringert werden, um die Erderhitzung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen.
Doch kurz vor Ende der Konferenz wird ein Entwurf veröffentlicht, der nicht einmal auf ein Auslaufen der Nutzung fossiler Energien eingeht. Ein No-Go für Deutschland und die EU, die den Entwurf ablehnen. Das Entsetzen war groß. Vorab hatten sich bereits mehr als 100 Staaten für einen Ausstieg aus den fossilen Energien ausgesprochen, viele bedrohte Inselstaaten und weitere Länder wiesen den Entwurf als unzureichend oder gar "Todesurteil" zurück.
Die Nervosität auf der COP stieg – die Klimakonferenz muss in die Verlängerung.
Nach dem katastrophalen ersten Entwurf liegt die Messlatte niedrig. Viele Expert:innen vermuten, dass COP-Präsident Al-Jaber genau das beabsichtigt hat. Jetzt ruft die UN-Klimakonferenz erstmals zur Abkehr von fossilen Energien auf – auch, wenn nicht mehr, wie von ambitionierteren Staaten gefordert – von einem tatsächlichen Ausstieg, also "Phase out" die Rede ist.
Dazu kommt, dass der Text auch weiterhin Hintertüren offen lässt, wie etwa die Nutzung von Gas als Übergangskraftstoff. Allerdings ist die Wissenschaft hier eindeutig: Gas ist ein methanhaltiger fossiler Brennstoff und nicht als Übergangskraftstoff geeignet.
Was stattdessen immer wieder thematisiert wird: Man könne das CO2 doch einfach wieder einfangen und in tieferen Gesteinsschichten speichern. In der Wissenschaft spricht man hierbei von der CCS-Technik, kurz für Carbon Capture and Storage.
Das Problem: So schön das auch klingt – so realitätsfern ist es auch. Denn bislang ist das nur im winzigen Maßstab möglich und gilt eher als willkommenes Ablenkungsmanöver und Ausrede für fossile Verfechter:innen. Dazu kommt: Auch die Atomkraft wird plötzlich als Klimalösung angepriesen.
"Der Text ist schon einmal besser als der, den wir vor einem Tag gesehen haben – das ist gut", sagte Niklas Höhne, Mitbegründer des New Climate Institutes und Klimaexperte gegenüber Deutschlandfunk Kultur. "Aber es ist eigentlich überhaupt nicht das, was passieren müsste. Wir bräuchten einen kompletten Ausstieg aus den Fossilen."
In einigen Punkten aber zeichnet sich auch Einigkeit ab: So konnten sich die rund 200 Staaten auf die Verdreifachung der Erneuerbaren Energien und die Verdopplung der Energieeffizienz bis 2030 einigen. Die G20 hatten sich dieses Ziel bereits vorher gesetzt.
Aus deutschen Delegationskreisen heißt es, Außenministerin Annalena Baerbock sei ein riesiger Stein vom Herzen gefallen. UN-Klimachef Simon Stiell wie auch die besonders vom steigenden Meeresspiegel bedrohten Inselstaaten fühlen sich hingegen übergangen: "Die Kurskorrektur, die wir brauchten, ist nicht erreicht worden", sagte eine Vertreterin der Samoas.
Friederike Otto, Wissenschaftlerin und Gründerin der World Weather Attribution, erklärte hierzu:
Denn ohne einen klaren Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen sowie Formulierungen, die Klimaschutz und Anpassungen an die Klimakrise lediglich "zur freiwilligen Option" erklären, gebe es keinen festen Rahmen, um das Pariser Klimaabkommen umzusetzen. Sie ergänzt: "Das Pariser Klimaabkommen ist ein Vertrag der Menschenrechte. Wenn wir die Pariser Klimaziele verfehlen, verletzen wir die Grundrechte von Menschen auf der ganzen Welt."
"Es ist überraschend, dass man sich gleich zu Beginn der COP bezüglich des Klimafonds zum Ausgleich von Klimaschäden geeinigt hat", sagt Experte Friedrich Bohn gegenüber watson.
Gleich am ersten Tag sagten die Vereinigten Arabischen Emirate und Deutschland jeweils 100 Millionen Dollar zu. Auch andere Länder machten finanzielle Zusagen: Die USA etwa geben 17,5 Millionen, Großbritannien 60 Millionen Dollar. Damit fließt erstmals Geld in den im vergangenen Jahr auf der COP27 beschlossenen Fonds. Mit dem Geld sollen die Länder unterstützt werden, die bereits jetzt unter den Folgen der Klimakrise leiden und in der Vergangenheit am wenigsten zu ihr beigetragen haben.
Unklar ist aber noch immer, wie das Geld verwaltet und verteilt werden soll. Für die kommenden vier Jahre soll sich darum erst einmal die Weltbank kümmern.
Auch wenn die Entwicklung positiv ist, kritisiert Bohn: "Die bislang zugesagten Summen sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein – es ist noch immer nicht klar, woher das restliche Geld kommen soll." Dazu, wie viel Geld in den kommenden Jahren in den Fonds einfließen müsste, gibt es unterschiedliche Schätzungen: Eine von der UN beauftragte Expert:innen-Gruppe geht etwa von jährlichen Schäden in Höhe von 150 bis 300 Milliarden Dollar ab 2030 aus.