Die Klimakrise wirbelt die Unterwasserwelt kräftig durcheinander. Die Erhitzung unseres Planeten – sie ist unter der Wasseroberfläche längst zu spüren. Das gesamte Ökosystem gerät aus dem Gleichgewicht – und leidet unter den Folgen des Klimawandels. Auch und vor allem die Fische. Denn sie sind wechselwarm, heißt: Sie halten ihre Körpertemperatur nicht konstant wie wir Menschen, sondern passen sich an ihre Umgebung an.
Das Problem daran: Wird es wärmer, laufen die chemischen Reaktionen in den Körpern der Fische schneller ab als normalerweise. Wird es zu warm, können diese Reaktionen überhaupt nicht mehr ablaufen.
In vielen Teilen der Meere ist es schon jetzt zu warm.
Über 90 Prozent der durch Menschen verursachten Treibhausgase haben die Ozeane seit 1970 aufgenommen – und sich dadurch kontinuierlich erhitzt. Den Einfluss der Klimakrise auf das Ökosystem Meer ist daher häufig früher zu beobachten als an Land.
Und es wird immer wärmer.
"Die globale Erwärmung ermöglicht es einigen Fischarten, in Gebiete vorzudringen, in denen sie zuvor nicht existieren konnten, weil es einfach zu kalt war", sagt Meeresbiologe Flemming Dahlke vom Thünen-Institut für Fischereiökologie im Gespräch mit watson.
Er geht davon aus, dass auch in der Nord- und Ostsee zunehmend Fischarten beheimatet sein werden, die eigentlich den südeuropäischen Atlantikküsten oder dem Mittelmeerraum zugeordnet werden. Dahlke sagt:
Viel stärker als an den Küsten lässt sich die Abwanderung von immer mehr Arten aber im offenen Meer beobachten – etwa im nördlichen Nordatlantik oder der Arktis. Dies konnte auch in zahlreichen Studien bereits nachgewiesen werden. Der Grund dafür: Dort geht die Meereserwärmung noch schneller vonstatten als an den Küsten.
Doch was viele Taucher:innen freuen dürfte, ist nicht immer ganz unproblematisch. Siedeln sich nämlich neue Arten in für sie neue Gebiete an, werden sie zur Konkurrenz für die vorhandenen. Das System kann so aus dem Gleichgewicht gebracht werden: "Zum Beispiel, wenn sich eine neue invasive Art ansiedelt, die sich von den Eiern schon vorhandener Arten ernährt und diese dadurch verdrängt", gibt Dahlke zu bedenken.
Aber so muss es nicht kommen. Zum Teil werde auch beobachtet, dass sich die Artenvielfalt erhöht, wenn neue Arten dazukommen. Dahlke merkt an:
Das könne im touristischen Sinne sein, weil es plötzlich auch in der Ost- und Nordsee eine höhere Artenvielfalt mit farbenprächtigeren Fischen gibt. Oder das könnten bestimmte Arten sein, die für die Fischerei von hoher Bedeutung sind. "Und wenn sich da Veränderungen einstellen, die diese Serviceleistungen von Ökosystemen beeinträchtigen, dann ist das natürlich negativ."
Als Beispiel dafür nennt Dahlke etwa die Schwarzmundgrundel, eine sogenannte invasive Art. Heimisch ist sie eigentlich im Schwarzen Meer, doch da sie sehr anpassungsfähig ist, verdrängt sie in für sie eigentlich fremden Gebieten heimische Arten. Ähnlich ist das auch mit dem Feuerfisch. Dieser kommt eigentlich aus dem Pazifik, wurde aber in die Karibik und das Mittelmeer eingeschleppt, wo er nun zahlreiche Fischarten verdrängt, was zu einem Rückgang der Biodiversität in den Riffen führt.
Die Auswirkungen sind so drastisch, dass harte Maßnahmen eingeführt wurden, wie Dahlke erläutert: "Taucher sind dort sogar dazu angehalten, diese Feuerfische, die ja sehr schön, aber auch sehr giftig sind, einzufangen, um den Bestand einzudämmen. Aber meistens funktionieren solche Maßnahmen nicht."
"Wir sehen hauptsächlich Bewegungen zu den Polen hin – also von den wärmsten Gebieten in Richtung Norden, wo es kühler ist", sagt Dahlke.
Schon heute existieren in den wärmsten, tropischen Gebieten viele Arten an ihrer oberen Temperaturgrenze. Steigen die Temperaturen weiter – und diese Tendenz lässt sich schon jetzt beobachten – wird sich die Artenvielfalt in den tropischen Meeren immer weiter reduzieren. Dahlke warnt:
Das bereitet Forschenden wie Dahlke große Sorgen. "Die Worst-Case-Szenarios sehen vor, dass wir in vielen Gebieten, zum Beispiel in den tropischen Korallen-Gebieten, einen erheblichen Verlust an Arten sehen können, wenn der Klimawandel ungebremst voranschreitet", warnt der Meeresbiologe.
Die Korallen gehören nicht nur zu den "allerempfindlichsten Arten", sie sind auch die sogenannten "Kinderstuben der Meere", wie Meeresbiologin Judith Hauck sie bezeichnet. Denn obwohl Korallen weniger als einen Prozent der Gesamtoberfläche der Ozeane bedecken, beherbergen sie ein Viertel aller marinen Arten. Hinzu kommt noch, dass sie die Küsten vor Erosionen schützen und uns Menschen Nahrung und Einkommen aus Tourismus und Fischerei liefern.
Flemming Dahlke ergänzt:
"Die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels, das sehen wir in vielen Studien, würde einen Großteil der Verluste verhindern", betont Dahlke. Mit jedem zehntel Grad steige die Wahrscheinlichkeit, dass Arten in bestimmten Ökosystemen verloren gehen. "Insofern ist der Kampf gegen den Klimawandel natürlich das primäre Ziel, auf das wir global hinarbeiten müssen."
Andererseits gebe es auch weitere lokale Schutzmaßnahmen, die sinnvoll seien. Wichtig sei etwa die Ausweisung von zusätzlichen Umwelt- und Meeresschutzgebieten, wo keine oder nur reduzierte Fischerei stattfindet. Dahlke ergänzt: