Benziner und Dieselfahrzeuge werden mehr und mehr von Deutschlands Straßen verschwinden. Ab 2035 greift das von der EU erlassene Verbrenner-Verbot. Was nicht bedeutet, dass Benzin oder Diesel verboten sein werden – alte Fahrzeuge dürfen weiterhin betrieben werden.
In Deutschland ist mit bloßem Auge zu erkennen, dass der Anteil an E-Autos stetig steigt. Doch wie ist die aktuelle Situation rein statistisch? Wie viele Fahrzeuge sind jetzt schon rein elektrisch? Wo fahren in Deutschland die meisten BEV (Battery Electric Vehicle)? Und warum zögern die Menschen oft noch, sich ein batteriebetriebenes Fahrzeug zu holen? Zum Jahresende analysiert watson den aktuellen Stand.
Die "Allianz Direct" hat eine repräsentative Umfrage, deren Daten hier einsehbar sind, in Auftrag gegeben, die eine bemerkenswerte Zahl ausspuckte: 53 Prozent aller Deutschen können sich nicht vorstellen, jemals ein E-Auto zu kaufen. Prozentuale Differenzen zwischen Altersgruppen oder Geschlechtern waren dabei kaum messbar.
Hauptgrund für die Ablehnung: der Kaufpreis oder die Kosten für Reparaturen, Strom oder private Ladesäulen. Zu niedrige Reichweiten nannten nur 9,8 Prozent als Hauptargument.
Die Beweggründe für einen E-Auto-Kauf fielen deutlich aus: Mehr als die Hälfte der Befragten entscheidet sich aus Klimaschutzgründen für ein elektrisch betriebenes Fahrzeug. Rund 29 Prozent sehen niedrigere Stromkosten im Vergleich zu Benzin. Immerhin 10,2 Prozent nannten die staatliche Förderung, nur eine von 20 Personen die geringere Lautstärke der Autos.
Motointegrator, ein etablierter Ersatzzteile- und Zubehörshop, hat eine Auswertung der Daten des Kraftfahr-Bundesamts aufbereitet. Eine der Kernerkenntnisse: Die fünf ostdeutschen Bundesländer, ohne Berlin, belegen deutschlandweit die fünf letzten Plätzen bei der E-Auto-Bestandsquote. Hamburg, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern führen hingegen die Rangliste an.
Legt man die Gründe für einen E-Auto-Kauf und die Statistiken der Bundesländer übereinander, ergibt sich ein Gesamtbild:
Die vier Bundesländer mit den höchsten Bruttojahresgehältern pro Kopf führen das Ranking an, während die fünf mit der schlechtesten finanziellen Situation die fünf letzten Plätze belegen.
48,5 Millionen Autos waren Ende 2022 in Deutschland zugelassen. Der ADAC hat aufgeschlüsselt, wie die Fahrzeuge betrieben werden: 63 Prozent Benziner, 30 Prozent Diesel, ergibt sieben Prozent E-Autos. Und in dieser Statistik sind in den sieben Prozent die Hybridlösungen inkludiert. Über den Oktober dieses Jahres schreibt der ADAC: "Der Anteil der Stromer an der Gesamtzahl der Neuzulassungen betrug gut 17 Prozent, im Ranking der Antriebsarten liegen sie damit wieder vor den Dieselfahrzeugen."
Anders formuliert: Die deutlich mehr als eine Million reine E-Autos, im Oktober 2023 waren es laut "Statista" 1,3 Millionen, sind nur knapp mehr als zwei Prozent aller Autos.
"E-Mobilität wächst unaufhaltbar in Deutschland, auch im Osten. Dennoch wird der Westen Deutschlands in den nächsten zwei Jahren voraussichtlich seinen Vorsprung ausbauen", sagt Motointegrator-Geschäftsführerin Anna Ganska gegenüber watson. Sie glaubt nicht an die Vorhaben der Bundesregierung: "Das Ziel von 15 Millionen E-Autos in Deutschland bis 2030 ist momentan nicht nur gefährdet, sondern eigentlich nahezu unerreichbar."
Agora Verkehrswende, eine Initiative der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation, schreibt: "Um 15 Millionen BEV bis 2030 zu erreichen, bräuchte es 5.000 BEV-Neuzulassungen pro Tag, aber im Oktober waren es nur 1.204."
Was man beim Blick auf die Zahlen nicht vernachlässigen darf, ist die Tatsache, dass gewerblich betriebene Fahrzeuge einen extrem großen Anteil an den Gesamtzahlen haben. Agora stellt fest: "Gewerbliche Fahrzeuge machen in der Regel etwa zwei Drittel des Neuwagenmarkts aus und werden relativ schnell als Gebrauchtwagen weiterverkauft." Zu gewerblichen Autos gehören Dienstwagen, aber auch Carsharing-Wagen.
Motointegrator fasst den Fakt so zusammen: Gewerbliche Halter:innen machen nur elf Prozent des Gesamtbestands an Autos aus, fahren aber 41 Prozent aller Elektrofahrzeuge.
VW setzt zwar in der Gesamtheit mehr Fahrzeuge ab, das beliebteste Einzelauto stellt allerdings Tesla: Das Model Y wurde bis Oktober fast 40.000 Mal neu zugelassen. Das schreibt das "Handelsblatt".
"Statista" schlüsselt den Bestand exakt auf: 181.000 BEVs von VW sind auf Deutschlands Straßen unterwegs, 118.000 Teslas. Es folgen Renault, Hyundai und Smart.
Die E-Autos wurden lange von SUVs dominiert, doch gerade junge Menschen suchen eher günstigere und kleinere Autos. Bemerkenswert gut unterwegs ist mittlerweile wieder der elektrische Fiat 500, der laut Handelsblatt der viertbeliebteste Neuwagen des Jahres ist und nach Schwierigkeiten zum Jahresstart das Niveau nun doch halten kann.
In den Top Ten finden sich zudem mit dem Skoda Enyaq, dem Audi Q4, dem Cupra Born, dem Mercedes EQA und dem Hyundai Kona fünf weitere Hersteller.
"Als Newcomer sind besonders Seat und Skoda interessant, die gerade in diesem Jahr sehr auf den Markt drängen", erklärt Ganska gegenüber watson. Der Blick auf die Zahlen zeigt Wachstumsraten von 50 bis 60 Prozent.
"Statista" weist zudem drei weitere prominente Hersteller aus, die sich auf mittlerem Bestandsniveau mehr als verdoppelt haben: Opel, Audi und Mercedes machten 2023 riesengroße Fortschritte.
Die Wachstumsraten bei chinesischen BEVs sind zwar bemerkenswert, allerdings starteten sie auch mehr oder minder bei Null.
Die Zusammenfassung fällt optimistisch und ernüchternd zugleich aus.
Positiv ist vor allem der Blick der Verbraucher:innen: Das Angebot wächst, die E-Autos werden besser und man hat auch endlich eine größere Auswahl an E-Autos, die nicht nur für die Reichsten unserer Gesellschaft finanzierbar sind.
An anderer Stelle bleiben Fragezeichen bei den Kosten: Wie teuer jeder gefahrene Kilometer ist, hängt vom Strompreis ab. Während sich der Benzinpreis 2023 nach dem Hoch zu Beginn des Ukraine-Kriegs 2022 eher nach unten entwickelt oder zumindest stabilisiert hat, gibt es am Energiemarkt in Deutschland aktuell wieder Sorgen.
Völlig utopisch wirkt allerdings das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 15 Millionen E-Autos auf Deutschlands Straßen zu haben. Denn der E-Auto-Markt entwickelt sich rasant, aber lange nicht schnell genug für dieses Ziel.
Parallel dazu arbeiten die Hersteller an den E-Autos der Zukunft. Über diesem Text siehst du ein Foto des Opel Experimental. Es ist ein "Konzeptfahrzeug", das heißt: An ihm werden sich neue Autos der Marke orientieren. Sieht aus wie Science Fiction, wird aber Realität werden.