An zahlreichen Orten auf der Welt war es in diesem Jahr heiß. Zu heiß: In Phoenix, in Kalifornien, in Rom, in Bologna, in Andalusien, in Athen – ja, selbst in Deutschland. Und vielen, vielen weiteren Orten. Der Grund für die steigende Anzahl von Hitzewellen: die Klimakrise.
Forschende aus den USA errechneten, dass sich auch in unseren gemäßigteren Breiten die Tage mit gefährlicher Hitze bis 2050 mehr als verdoppeln werden. Bis 2100, so schrieben sie es in ihrer Studie, rechnen sie gar mit drei bis zehn Mal so vielen Tagen mit gefährlicher Wetterlage wie im Vergleichszeitraum zwischen 1979 und 1998.
Die Aussichten, das dürfte schnell klar werden, sind nicht gut.
Denn Hitze ist gefährlich. Mehr als 60.000 hitzebezogene Todesfälle hat es einer Berechnung zufolge im Sommer 2022 in Europa gegeben, dem bis dato heißesten Sommer auf dem Kontinent seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Das geht aus einer Auswertung eines Forschungsteams im Fachmagazin "Nature Medicine" hervor. Deutschland verzeichnete demnach mit 8173 Toten die drittmeisten Toten nach Italien (18.010 Tote) und Spanien (11.324 Tote).
Doch 2022 könnte, was die Hitze angeht, von 2023 noch getoppt werden. Der Juli jedenfalls war der heißeste seit Jahrtausenden.
Doch dass Hitze zur gesundheitlichen Gefahr werden kann, müssen wir in Deutschland erst lernen.
Auf welche Warnsignale man achten sollte und wann man in die Notaufnahme fahren sollte, erklären Andrea Nakoinz von der "Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit" (KLUG) und der Präsident der Berliner Ärztekammer, Peter Bobbert, im Gespräch mit watson.
Dass man die pralle Sonne und Hitze besser meiden sollte, ist seit Jahrzehnten bekannt. Spätestens aber, seit Ärzt:innen herausfanden, dass Sonneneinstrahlung das Risiko für Hautkrebs erhöht – selbst dann, wenn man keinen Sonnenbrand bekommt. "Und trotzdem setzen sich die Menschen mittags in die pralle Sonne – um braun zu werden", sagt Andrea Nakoinz. Sie ist Ärztin und unterstützt das Hitzeteam von KLUG bei der Umsetzung von Hitze- und Klimaschutzmaßnahmen in Krankenhäusern und im Rettungsdienst.
Sie weiß: Durch die sich häufenden, heißen Tage aufgrund der Klimakrise wird Hitze zur wachsenden Gefahr, auch bei uns in Deutschland. "Man kann an hitzebedingten Krankheiten einfach sterben", sagt Nakoinz und betont weiter: "Hitze ist eine tödliche Gefahr. Nicht zu jedem Zeitpunkt für jeden, aber grundsätzlich ist das so."
Man müsse von dem Bild wegkommen, dass es klassischerweise alte, vorerkrankte Menschen sind, die durch Hitze gesundheitliche Probleme bekommen. Auch junge Menschen könnten an einem Herzinfarkt oder Herzstillstand sterben, wenn sie mittags in der Sonne bei 40 Grad joggen gehen. "Solche Fälle gab es in den letzten Jahren immer wieder in Krankenhäusern", sagt Nakoinz.
Natürlich könne man auch bei großer Hitze rausgehen, sagt Ärztin Nakoinz im Gespräch mit watson. Aber was wir im Juni und Juli vermutlich alle festgestellt haben: "Wenn es 38 Grad heiß ist, will man eigentlich gar nicht raus."
Laut dem Max-Planck-Institut fühlen wir uns bei etwa 21 Grad am wohlsten, auch die Luftfeuchtigkeit sollte nicht zu hoch sein. Denn: Bei hoher Luftfeuchtigkeit kann Schweiß schlechter verdunsten. Die Folge: Wir können uns nicht mehr gut abkühlen und überhitzen schneller. Nakoinz erklärt:
Auch der Ort, wo man sich aufhalte, habe laut Nakoinz einen großen Einfluss darauf, wie gut wir mit der Hitze klarkommen: Bei 38 Grad im Park oder Wald spazieren zu gehen, sei somit entsprechend angenehmer als in der Stadt, wo es jede Menge Beton gibt.
Um gesundheitliche Folgen zu minimieren, gibt der Deutsche Wetterdienst (DWD) bei größerer Hitze Warnungen heraus. Diese Warnungen werden mithilfe des sogenannten Klima-Michel-Modells berechnet – einer Formel zur Bewertung des Wärmehaushalts von Menschen und der thermischen Umgebungsbedingungen.
Die Vergleichsperson für diese Berechnung ist 35 Jahre alt, 1,75 Meter groß und 75 Kilogramm schwer. Andrea Nakoinz findet die Berechnung aus diesem Grund zu optimisch, gehe sie doch an den meisten Betroffenen vorbei: "Dass die Belastung für Frauen, Kinder und ältere Menschen höher ist, wird da nicht berücksichtigt", sagt sie. Schließlich seien diese zumeist kleiner und leichter – und somit stärker gefährdet.
Aber nicht nur die Hitze ist mitentscheidend für gesundheitliche Risiken, auch die Luftfeuchtigkeit spielt eine wesentliche Rolle: Denn wenn man seine Muskeln bewegt, entsteht Wärme – "und wenn dann zusätzlich von außen noch Wärme kommt, wird es für den Körper sehr viel schwieriger, die Wärme abzugeben". Schafft der Körper das nicht, entsteht eine Art Wärmestau, die dazu führt, dass die Körpertemperatur steigt. "Und wenn die Körpertemperatur über 42 Grad steigt, kann das tödlich sein", sagt Nakoinz.
Wer trotz großer Hitze draußen unterwegs ist, sollte ganz besonders auf körperliche Signale hören. "Wenn man bei starker Hitze Kopfschmerzen bekommt, oder einem schwindelig wird, sollte man aus der Hitze raus, sich abkühlen, viel Wasser trinken und sich schonen", mahnt Nakoinz. Auch harmlos wirkende Symptome wie Unwohlsein, Müdigkeit oder Übelkeit sollte man an heißen Tagen ernst nehmen.
Peter Bobbert, Präsident der Ärztekammer Berlin, betont gegenüber watson:
Im schlimmsten Fall könne es aber auch zu Krampfanfällen und Bewusstlosigkeit kommen. "Dann muss dringend der Rettungsdienst alarmiert werden", unterstreicht Nakoinz.
Aber auch, wenn einem auffalle, dass jemand verwirrt sei oder wirke, als sei er überhitzt ohne zu schwitzen, solle man sofort reagieren. Denn bei einem Hitzschlag, der schwersten Form der hitzebedingten Erkrankungen, schwitze man nicht.
Und auch einige Tage nach einer Hitzewelle sollte man noch auf sich aufpassen. Denn durch das viele Schwitzen hat man nicht nur Wasser, sondern auch lebenswichtige Salze verloren – etwa Elektrolyte und Kalium. Dieses Ungleichgewicht müsse der Körper wieder ausgleichen, was auch ein paar Tage dauern könne. Das Problem: Ist der Elektrolytehaushalt durcheinander, könne das für viele Organe problematisch werden. Nakoinz erklärt:
Insbesondere in Deutschland sei die Hitze in den vergangenen Jahren "fahrlässig unterschätzt" worden. "Es ist nicht überspitzt, wenn man sagt: Hitze tötet Menschen", betont Bobbert.
Er mahnt: "Jeder muss sich selbst und seine Mitmenschen schützen, das ist eine Aufgabe der solidarischen Gesellschaft. Denn viel zu oft sind es ältere und alleinlebende Menschen, die an Hitze sterben – und das ist in einem Land wie Deutschland inakzeptabel."