Weniger heizen, weniger kühlen, Licht aus: Die spanische Regierung hat ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Einsparung von Energie verabschiedet, um so die Abhängigkeit von russischem Gas weiter zu reduzieren. Die Maßnahmen gelten für Geschäfte, kulturelle Einrichtungen und den Verkehrssektor, also auch für Flughäfen und Bahnhöfe, wie Umweltministerin Teresa Ribera am Montagabend nach einer Kabinettssitzung sagte.
Überall dort soll im Winter nur noch auf maximal 19 Grad geheizt und im Sommer nicht unter 27 Grad gekühlt werden. In Geschäften sollen Schaufenster nach Ladenschluss nicht mehr beleuchtet und das Licht in öffentlichen Gebäuden bei Nichtnutzung ausgeschaltet werden.
Im Privatsektor werden die Beschäftigten angehalten, möglichst mobil oder von zu Hause aus zu arbeiten, wenn das geht und wenn es zu Energieeinsparungen führt. Die Maßnahmen sollen binnen einer Woche greifen.
Schon Ende Mai hatte Spanien Sparmaßnahmen eingeführt und zunächst vor allem öffentliche Gebäude ins Visier genommen und Beamte, wo möglich, ins Homeoffice geschickt. Nun orientiert sich Spanien am kürzlich von der EU beschlossenen Gas-Notfallplan. Dieser sieht vor, dass die Mitgliedsländer auf freiwilliger Basis von August bis Ende März je 15 Prozent Gas einsparen – verglichen mit dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre dieser Periode.
Für Deutschland will Bundeswirtschaftsminister Habeck ein höheres Sparziel: In Brüssel warb er bereits vergangene Woche nach der Einigung der EU-Staaten auf einen Notfallplan für ein höheres nationales Sparziel. Vielleicht seien je nach Härte des Winters auch "16 oder 20 Prozent" zu schaffen, sagte er.
Sollte Deutschland sich Spanien nun zum Vorbild nehmen, um das Sparziel zu erreichen? "Aufgrund bestehender gesetzlicher Vorschriften und anderer klimatischer Bedingungen in Deutschland wäre eine verordnete Energiesparkampagne nicht zielführend, zumal die Einhaltung der Anforderungen kaum kontrolliert werden könnte", sagt eine Sprecherin des Deutschen Energieberater-Netzwerk (DEN) auf Anfrage von watson.
Statt verordneter Energiesparmaßnahmen, wie in Spanien, sollte in die Gebäudesanierung investiert werden, betont die DEN. Denn insbesondere im unsanierten Gebäudebestand bestehe die Gefahr von Feuchte- und Schimmelschäden, wenn die Heizung zu weit runtergedreht werde. Wärmedämmmaßnahmen würden helfen, den Bedarf langfristig zu verringern, sagt die DEN-Sprecherin. Bei bestehenden Heizungsanlagen läge zudem ein großes Potenzial in der Optimierung der Komponenten und Betriebsweise. Dies könne auch kurzfristig umgesetzt werden.
Die Sprecherin fügt hinzu:
Vor diesem Hintergrund betrachtet die DEN die veränderten Konditionen der Bundesförderung für effiziente Gebäude, die vergangene Woche von der Regierung beschlossen wurden, als "unverständlich". Dadurch würde kaum noch ein Anreiz zur umfassenden Gebäudesanierung als Effizienzhaus bestehen, erklärt die DEN.
Zudem kritisiert die Sprecherin:
Energieexperte Volker Quaschning befürwortet dagegen die Energiesparmaßnahmen nach spanischem Vorbild klar: "In Deutschland wird immer sehr lange und intensiv diskutiert, bis wir Entscheidungen treffen, vor allem wenn es um verpflichtende Maßnahmen mit Komforteinbußen geht", sagt er gegenüber watson. Insofern sei schwer abzusehen, wie schnell Deutschland entsprechende Maßnahmen am Ende beschließen könnte. "Aber sind sie erst einmal beschlossen, kann es bei einfachen, aber wirksamen Maßnahmen sehr schnell gehen – Spanien macht dies gerade vor", meint er.
Der Gasverbrauch in Deutschland sei laut Quaschnig im Vergleich zum Vorjahr bereits spürbar zurückgegangen. Allerdings würden noch nicht alle Einsparmöglichkeiten genutzt. "Spanien zeigt, wie durch verpflichtende Einsparmaßnahmen weitere Potenziale erschlossen werden können. Diesem Beispiel sollte Deutschland auf jeden Fall folgen", sagt der Energie-Experte.
Weiterhin sehr effektiv und schnell umsetzbar sei für jeden einzelnen weiterhin eine Reduktion der Raumtemperatur. "Jedes Grad weniger spart etwa sechs Prozent beim Heizen ein."
(mcm/sb/mit Material von afp)