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Weltklimagipfel: Fridays for Future ziehen vernichtendes Fazit für COP26

November 5, 2021, Glasgow, UK: Demonstrators during the Fridays for Future Scotland march through Glasgow during the Cop26 summit in Glasgow. Picture date: Friday November 5, 2021. Glasgow UK PUBLICAT ...
Weil ihnen die Maßnahmen der Staats- und Regierungschefs nicht weit genug gehen, machen zehntausende Demonstrantinnen und Demonstranten Druck für mehr Klimaschutz.Bild: imago images / Andrew Milligan
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Zwischenfazit zum Klimagipfel – Fridays for Future halten die bislang beschlossenen Maßnahmen für nicht ausreichend

08.11.2021, 18:4010.11.2021, 09:21
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Die Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow ist in vollem Gange: Die Staats- und Regierungschefs von rund 200 Nationen sind mit Expertinnen und Experten, Beobachtern und Aktivisten zusammengekommen, um darüber zu beraten, wie sich ein klimatischer Kollaps noch verhindern und das im Pariser Abkommen beschlossene 1,5 Grad-Ziel erreichen ließe. Denn nach Uno-Berechnungen sieht es mit den derzeitigen Maßnahmen eher nach einer Erwärmung um 2,7 Grad aus.

Seitens der Regierungschefs ist immer wieder von Erfolgen und Durchbrüchen auf dem Gipfel zu hören: So ist da beispielsweise die Verpflichtung von rund 100 Staaten, die Entwaldung bis 2030 zu stoppen. Da ist der Methan-Pakt der USA und der EU, dem ebenfalls knapp hundert Staaten beigetreten sind – mit der Absicht, die Methan-Emissionen bis 2030 um 30 Prozent zu mindern. Weitere 80 Staaten haben angekündigt, die Strominfrastruktur besser zu verknüpfen und Ökostrom über Ländergrenzen hinweg zu verteilen.

Zwischenfazit von FFF-Aktivistinnen und Aktivisten

Was aber halten die Aktivisten von Fridays for Future (FFF) von den Beschlüssen und Durchbrüchen, die die Politiker so bejubeln? Um das herauszufinden, hat watson bei einigen von ihnen nachgefragt.

Carla Reemtsma, FFF-Aktivistin aus Berlin

"Auf der Klimakonferenz schmücken sich die Politikerinnen und Politiker mit schönen Worten und pathetischen Reden – gleichzeitig ignorieren sie die Stimmen der am stärksten von der Klimakrise betroffenen Menschen. Aktivistinnen und Aktivisten of Colour werden systematisch von der COP ausgeschlossen, erhalten keine Visa oder werden, wenn sie es in die Konferenz schaffen, ignoriert.

Bis heute fehlen Zusagen, um die 100 Milliarden internationaler Klimafinanzierung, für die am stärksten betroffenen Staaten. Das ist ein Skandal und zeigt wieder, dass wir uns für Klimagerechtigkeit nicht auf die Konferenzen und Politiker verlassen können, sondern weiter gemeinsam dafür kämpfen müssen!"

22.10.2021,Die Sprecherin der Bewegung Fridays for Future, Carla Reemtsma
FFF-Aktivistin Carla Reemtsma hält es für skandalös, dass es noch immer keine Zusagen für die 100 Milliarden Euro internationaler Klimafinanzierung gibt.Bild: Eibner Pressefoto / Lakomski/Eibner-Pressefoto

Annika Rittmann, FFF-Aktivistin aus Hamburg

"Mit dem aktuellen Verlauf reiht sich auch diese COP in die Reihe der letzten 25 Konferenzen voller leerer Versprechungen ein. Dabei werden auch noch bewusst diejenigen übergangen, die schon jetzt unter den katastrophalen Auswirkungen einer 1,2 Grad heißeren Welt leiden. Die 1,5 Grad-Grenze ist kein Wohlfühlziel, sondern für Unmengen an Menschen eine lebensbedrohende Zumutung. Diese COP wird kaum Veränderungen bringen. Aber wir – bunt, kreativ und laut auf der Straße."

Gemeinsam mit der Klimaaktivistin Luisa Neubauer (links) demonstriert FFF-Aktivistin Annika Rittmann (rechts) für mehr Klimaschutz.
Gemeinsam mit der Klimaaktivistin Luisa Neubauer (links) demonstriert FFF-Aktivistin Annika Rittmann (rechts) für mehr Klimaschutz.fridays for future

Ole Horn, FFF-Aktivist aus Halle an der Saale

"Man kann nichts anderes sagen, als dass die Zwischenbilanz der COP26 verheerend ist! Wie viel zu oft, gibt es viele leere Worte und Versprechen, aber kaum Beschlüsse, die ernsthafte Maßnahmen beinhalten. Regierungsvertreterinnen und Regierungsvertreter sprechen von der Dringlichkeit in puncto Klimaschutz, dabei sind genau sie es, die entscheidende Maßnahmen einleiten können und hier in den vergangenen Jahren katastrophal gescheitert sind.

"Es fehlt also noch immer der Wille, wirklich etwas zu verändern. Der Wille, den grundlegenden Wandel in die Wege zu leiten, den wir für die Einhaltung der 1,5 Grad-Grenze benötigen."
Ole Hornfridays for future-Aktivist

Es fehlt also noch immer der Wille, wirklich etwas zu verändern. Der Wille, den grundlegenden Wandel in die Wege zu leiten, den wir für die Einhaltung der 1,5 Grad-Grenze benötigen. Im Gegensatz zu zahlreichen Regierungsvertreterinnen und Regierungsvertretern zeigt die Klimagerechtigkeitsbewegung auf dieser COP deutlich, dass wir es ernst meinen. Aktivisten und Aktivistinnen aus Ländern, in denen die Klimakrise schon seit Jahren eskaliert, sind nach Glasgow gekommen, um darüber zu sprechen, welche extremen Folgen sie schon jetzt spüren und Menschen aus Deutschland und anderen Ländern des globalen Nordens stehen solidarisch mit ihnen."

Eva Marsland, FFF-Aktivistin aus Hamburg, nimmt an der COP26 teil

"Bisher war die COP26 so, wie auch die letzten Klimakonferenzen, eine Enttäuschung. Die Regierungen machen keine Anstalten, ihrer Chance und Verantwortung gerecht zu werden und zu beweisen, dass sie die Dringlichkeit der Klimakrise ernst nehmen und ihren Versprechen zur Einhaltung des 1,5 Grad-Limits nachkommen. Doch die Staaten brauchen jetzt klare Ziele und Maßnahmen, die von den Regierungen konsequent umgesetzt werden müssen. Die COP26 wurde als die inklusivste COP jemals beworben. Das ist in Anbetracht der pandemischen Lage und einer Konferenz, für die manche Teilnehmenden um die halbe Welt reisen, wodurch immens hohe Kosten entstehen, einfach nicht zutreffend.

"Durch Einlassstopps wurde besonders die Zivilgesellschaft draußen gehalten statt inkludiert. Dennoch sind wir Aktivistinnen und Aktivisten laut, wo immer es möglich ist."

Während der ersten paar Tage gab es durch den World Leaders Summit einige Beschränkungen, sodass keine Aktionen innerhalb des Gebäudes stattfinden durften. Durch Einlassstopps wurde besonders die Zivilgesellschaft draußen gehalten statt inkludiert. Dennoch sind wir Aktivistinnen und Aktivisten laut, wo immer es möglich ist. Denn es wird wieder einmal klar, die Veränderung kommt nicht von den Politikerinnen und Politikern in teuren Konferenzgebäuden, sondern von der Straße! Der Vergleich zu COP25 ist in dem Sinne schwierig, als dass damals durch die Verschiebung nach Madrid weniger Zeit zur Verfügung stand, um Verpflegungsinfrastruktur aufzubauen.

"Klar ist, dass hier das ganze Gebäude geprägt von Greenwashing ist. An den Essensständen werden CO2-Fußabdrücke angegeben, dies dient der Orientierung. Umso mehr verwirrt es dann jedoch, dass der Preis im Vergleich zu CO2-intensiveren Mahlzeiten kaum variiert. All das überrascht uns jedoch nicht."
GLASGOW, SCOTLAND - NOVEMBER 07: Climate change activists read mock newspapers in George Square, Glasgow in support of victims of oil exploration and against fossil fuel investments in Africa during t ...
Aktivisten führen der Welt die Absurdität der fehlenden Maßnahmen vor Augen.Bild: Getty Images Europe / Christopher Furlong

Louis Motaal, FFF-Aktivist aus Berlin, nimmt ebenfalls an der COP teil

"Noch nie war die Menschheitsaufgabe die Klimakrise gerecht zu bewältigen, international so präsent wie zu dieser COP26 in Glasgow. Entsprechend großspurig waren die Ankündigungen der britischen Gastgeber, große Fortschritte bei Finanzierungsfragen, dem globalen Kohle- und Verbrennerausstieg und dem Schutz der Wälder erzielen zu wollen. Es bleibt aber bei inhaltsleerem “Blablabla” der Staats- und Regierungschefs. Denn in den tatsächlichen Verhandlung geht es um völlig andere Detailfragen, bei denen keine Fortschritte zu verzeichnen sind und das Vertrauen langsam verloren geht.

Problematisch ist auch, dass viele Aktivistinnen und Aktivisten nicht an dieser COP teilnehmen können. Noch nie waren die Hürden so hoch und die Anreise so teuer und schwierig. Aber auch in den Verhandlungen fehlt es an vielem. Zunächst haben zu wenige Länder die versprochenen Erhöhungen der eigenen Klimaziele eingereicht.

Auch die Finanzierung von Adaption und Emissionsreduktion, an die das Vertrauen vieler Länder in den Prozess geknüpft ist, erreicht bei weitem nicht die Versprechen. Es ist unerlässlich, dass der Prozess um die Klimaverhandlungen nach der pandemiebedingten Pause wieder Fahrt aufnimmt.
Louis Motaal FFF-Aktivist aus Berlin

Für uns Aktivistinnen und Aktivisten ist es so wichtig, aus den persönlichen Begegnungen auch wieder Kraft zu ziehen für die Kämpfe, die wir in unseren Regionen überall in der Welt führen. Eine erfreuliche Nachricht kommt während der COP aus Deutschland: Der neue Ministerpräsident in NRW stellt einen Kohleausstieg 2030 in Aussicht. Das macht Mut, weil sich zeigt, dass unser Protest Wandel erwirken kann."

Anna Castro Kösel, FFF-Aktivistin aus Freiburg ist ebenfalls bei der COP26

"Die COP26 ist wieder einmal vorwiegend eine Inszenierung der Lippenbekenntnisse. So wurde zum Beispiel eine Initiative von über 100 Ländern gestartet, die es sich zum Ziel gemacht hat, die Regenwaldzerstörung bis 2030 zu stoppen. Die Entwicklung der letzten Jahre im Amazonas zeigt, dass das viel, viel zu spät ist. 2014 gab es schon einmal ein ähnliches Vorhaben und trotzdem ist die Situation der Regenwälder so schlimm wie nie zuvor.

Klar ist: Wir brauchen keine symbolischen Klimagipfel mehr, die von dramatischen Reden und leeren Versprechungen überfrachtet sind.

Stattdessen müssen Regierungen schnellstmöglich klare Maßnahmen zur Einhaltung der 1,5 Grad-Grenze auf den Weg bringen. Als reiche Industrienation ist Deutschland jetzt besonders gefragt. Aktivistinnen und Aktivisten aus den am stärksten betroffenen Gebieten und der ganzen Welt fordern hier in Glasgow konsequenten Klimaschutz ein.
Anna Castro KöselFFF-Aktivistin aus Flensburg

Mich freut, dass ich so viele Menschen aus der ganzen Welt treffe, die alle gemeinsam für Klimagerechtigkeit kämpfen. Es ist ein sehr ermutigendes Gefühl, nicht allein zu sein. Aber als Menschen, die sich seit Jahren für Klimagerechtigkeit und Klimaschutz einsetzen, sollte es Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten deutlich einfacher gemacht werden, mitzureden. Vor allem Menschen aus Regionen, die schon jetzt von der Klimakrise massiv betroffen sind, müssen viel stärker aktiv eingebunden und angehört werden."

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