Nachhaltigkeit
Gastbeitrag

Klimakunde? Ungenügend! Liebes Bildungssystem, danke für nichts

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Die Zusammenhänge hinter der Klimakrise werden in der Schule oft nicht behandelt.Bild: iStockphoto / nensuria
Gastbeitrag

Klimakunde? Ungenügend! Liebes Bildungssystem, danke für nichts

Fridays for Future ruft erneut zum globalen Klimastreik auf. Bei watson erklären die Aktivistinnen und Aktivisten in Gastbeiträgen, warum.
19.03.2021, 11:4819.03.2021, 14:20
Quang paasch, gastautor
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Heute am 19.03. streiken wir zum siebten Mal weltweit für Klimagerechtigkeit. Klimagerechtigkeit heißt soziale Gerechtigkeit, denn der Kampf um 1,5 Grad ist untrennbar mit den Kämpfen gegen Ausbeutung von Mensch und Natur. Unser historisch gewachsenes Denken und Handeln profitiert von der strukturellen Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen – und nein, Mensch ist nicht einfach Mensch und in der Klimakrise sitzen wir nicht alle im selben Boot. Solche Euphemismen verkennen die Lebensrealitäten der jetzt schon von der Klimakrise betroffenen Menschen im globalen Süden.

Woher ich all dieses Wissen habe? Nicht aus der Schule. Die Lösung der Klimakrise ist nicht so einfach und die Lehrpläne wollen uns gar nicht erst diese globalen Zusammenhänge nahebringen. Wie kann es sein, dass wir alle ein Bildungssystem durchlaufen, dessen primäres Ziel es ist, uns zu mündigen und aufgeklärten Demokratinnen und Demokraten zu erziehen, und wir trotzdem keinen richtigen Überblick über die Klimakrise bekommen?

Quang Paasch (*31.01.2001, Berlin) ist Aktivist und Sprecher für Fridays For Future Deutschland und Berlin. Sein politischer Fokus liegt auf Klima, Bildung und Gerechtigkeit. Neben dem intersektionale ...
Quang Paasch (*31.01.2001, Berlin) ist Aktivist und Sprecher für Fridays For Future Deutschland und Berlin. Sein politischer Fokus liegt auf Klima, Bildung und Gerechtigkeit. Neben dem intersektionalen Aktivismus und der Öffentlichkeitsarbeit studiert Quang Paasch Sonderpädagogik und Politikwissenschaften an der Freien Uni, Berlin.bild: Maximilian Noel Karcher

Es liegt doch nahe, im Bio-, Chemie- und Physikunterricht die wissenschaftlichen Zusammenhänge der menschengemachten Erderhitzung und deren Auswirkungen zu behandeln – wird es aber nicht, zumindest nicht hinreichend. Schülerinnen und Schüler sollten nach 40 Jahren Klimaforschung doch endlich die Bedeutung der Mensch-Natur-Interaktion anschaulich erklärt bekommen, und das nach dem heutigen Konsens der Klimawissenschaft. Dazu kommt: Klimawissen ist nicht nur eine naturwissenschaftliche Einbahnstraße aus Zahlen, Theorien und Modellen. Die Klimakatastrophe ist auch historisch bedingt. Die fehlende Einordnung im Geschichtsunterricht führt jedoch zu dem Trugschluss, dass die Auswirkungen der Industrialisierung mehr Segen als Fluch für Mensch und Natur war.

Politische Partizipation darf kein Privileg bleiben

Der Ursprung der systematischen Ausbeutung liegt allerdings nicht erst im 20. Jahrhundert, sondern schon in der Zeit des Kolonialismus. Wir müssen als Gesellschaft endlich unsere Vergangenheit aufarbeiten und den Kolonialismus als eine der größten Ursachen unserer heutigen Probleme anerkennen. Auch die Klimakrise wurde durch Kolonialismus und Ausbeutung maßgeblich befeuert. Unser Bildungssystem muss endlich aktuelle Erkenntnisse mit ins Curriculum aufnehmen!

Eine konsequente Aufklärung über die komplexen, historischen und naturwissenschaftlichen Zusammenhängen der Klimakrise wäre ein erster Schritt, reicht jedoch nicht aus. Die Klimakrise ist eine hochethische und politische Frage. Auch hier müssen Lehrkräfte gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern die gesellschaftlichen Dimensionen aufarbeiten. Obwohl wir in einer Krisen-behafteten Zeit leben, kommt die politische Bildung immer noch deutlich zu kurz. Zu lernen, was Demokratie überhaupt genau bedeutet und wie man sie auch aktiv im Alltag leben kann, bleibt das Privileg weniger Schülerinnen und Schüler mit engagierten, progressiven Lehrkräften.

Fridays For Future ruft zum globalen Klimastreik auf

Video: watson/Hannah Reiss

Wir brauchen ein demokratisches Bildungssystem, welches sich klar am Zeitgeist orientiert und Lehrkräfte so ausbildet, dass Schülerinnen und Schüler jeder Schulart globale Krisen wie die Klimakrise, verstehen und einordnen können. Die Verantwortung der Klimabildung mitsamt ihrer Vielfalt und Komplexität darf weder an einzelnen Lehrkräften, noch an einer sozialen Bewegung wie Fridays for Future hängen bleiben! Es geht hierbei nicht um die Forderung einer 12-jährigen Klimaausbildung, sondern um eine Ermahnung, dass unser Schulsystem alles andere als modern und gerecht ist.

Schulen sollten uns eine realistische Zukunftsperspektive und das Werkzeug dafür geben, die Welt besser zu verstehen und kritisch hinterfragen zu können. Wenn wir also auf der Straße "Climate Justice now!" rufen, dann heißt das auch, unser Bildungssystem sozial- und chancengerecht zu gestalten. Jeder und jede sollte den gleichen Zugang zu Wissen und Teilhabe bekommen. Solange das jedoch nicht der Fall ist, bleibt politische Partizipation ein Privileg.

Unser ungerechtes Schulsystem und die fehlende Sensibilisierung zur Klimakrise sind Hauptfaktoren für die "zu weiße, akademische und bürgerliche" Klimabewegung. Die Klimakrise ist jedoch existenziell bedrohend für alle, deswegen brauchen wir endliche eine Bildung, die uns alternative Perspektiven aufzeigt und uns Hoffnung gibt. Business as usual darf nirgendwo mehr das Motto sein, auch nicht im Bildungssystem.

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