Nachhaltigkeit
Gastbeitrag

Klimaziele dank Lockdown erreicht: Liebe Pandemie, danke für nichts

Coal Power Plant Niederaussem
Die Bundesregierung hat ihre Klimaziele erreicht – das reicht aber nicht, um die Klimakrise zu bekämpfen.Bild: iStockphoto / Oliver Oltmanns
Gastbeitrag

Klimaziele dank Lockdown erreicht: Liebe Pandemie, danke für nichts

Fridays for Future ruft erneut zum globalen Klimastreik auf. Bei watson erklären die Aktivistinnen und Aktivisten in Gastbeiträgen, warum.
19.03.2021, 11:5019.03.2021, 14:20
Jördis Thümmler und Helena Marschall, gastautorinnen
Mehr «Nachhaltigkeit»

"Ich gebe Ihnen drei Wochen, dann hat das Schulschwänzen ein Ende." Sätze wie diesen hörten wir oft während der ersten Fridays-for-Future-Streikwochen 2019. Überall in Deutschland wurden von zunächst kleinen Gruppen Versammlungen angemeldet, um für eine lebenswerte Zukunft und konsequente Klimapolitik zu demonstrieren. "Bilanz 2020: Deutschland hält Klimaziele ein" oder "Klimaziele erreicht: Dank Corona und Kohleausstieg" – das sind die Schlagzeilen, die man jetzt, über zwei Jahre später, liest. Und die bei vielen die Frage aufwerfen, warum zehntausende junge Menschen heute an über 210 Orten in Deutschland mit Abstand und Maske wieder auf die Straße gehen.

Schaut man jedoch genauer hin, wird klar: Durch das Feiern leerer Ziele wollen Politikerinnen und Politiker gezielt von der Bedrohung durch die Klimakrise ablenken. Im Vergleich zu 1990 hat die Bundesregierung ihr Ziel von einer 40-prozentigen Reduktion der Emissionen zwar eingehalten – vereinbar mit dem Pariser Klimaabkommen ist diese Emissionssenkung aber noch lange nicht. Das ganze gleicht einer Schülerin, die sich vornimmt, in einer Klausur eine Fünf zu schreiben. Wenn sie tatsächlich eine Fünf ablegt, ist ihr Ziel zwar eingehalten, die Klausur aber trotzdem nicht bestanden.

Im Unterschied zur Note der Schülerin hängt am Verhalten der Bundesregierung aber die Zukunft ganzer Generationen und Lebensgrundlagen von Menschen, die jetzt schon unter der Klimakrise leiden.

Jördis Thümmler ist 18 Jahre alt und kommt aus Freiberg in Sachsen. Dort hat sie im Januar 2019 die Ortsgruppe mitgegründet und die Streiks organisiert, bis sie für ihr Studium Ende 2020 nach Göttinge ...
Jördis Thümmler ist 18 Jahre alt und kommt aus Freiberg in Sachsen. Dort hat sie im Januar 2019 die Ortsgruppe mitgegründet und die Streiks organisiert, bis sie für ihr Studium Ende 2020 nach Göttingen zog. Seit März 2019 ist sie außerdem bundesweit aktiv.bild: privat
Helena Marschall ist ebenfalls 18 Jahre alt und studiert VWL und Politik in Lüneburg. Seit Ende 2018 organisiert sie bei Fridays for Future bundesweit Demonstrationen und Kampagnen.
Helena Marschall ist ebenfalls 18 Jahre alt und studiert VWL und Politik in Lüneburg. Seit Ende 2018 organisiert sie bei Fridays for Future bundesweit Demonstrationen und Kampagnen.bild: privat

Was diese Schlagzeilen auch nicht verraten: Die Emissionen sind mittlerweile wieder über das Vor-Corona-Niveau gestiegen. Das kurzfristige Sinken des Treibhausgasausstoßes während der ersten Welle der Pandemie ersetzt nämlich keine dringend notwendigen politischen Maßnahmen. Wenn wir die Klimakrise aufhalten wollen, bevor kritische Kipppunkte in unserem Klimasystem ausgelöst werden, müssen die Emissionen ab jetzt jedes Jahr so stark fallen wie 2020 – und das ohne den Corona-Effekt.

Es muss nicht so weitergehen

Von nachhaltiger Krisenbewältigung kann also momentan nicht die Rede sein. Was passiert, wenn wir Krisen nicht rechtzeitig eindämmen, können wir uns heute viel besser vorstellen als noch vor einem Jahr. Die Kosten der Krise sind greifbar geworden: Heute sprechen wir von einem Barbesitzer, der seine Miete wegen Corona nicht mehr zahlen kann. Morgen wird es eine Landwirtin sein, die durch die Klimakrise ihr Feld nicht mehr bestellen kann.

Wir alle haben gelernt, wie es sich anfühlt, ganz individuell unter systemischen Krisen und Naturkatastrophen zu leiden. Und ja, wir müssen hier leider von Krisen in der Mehrzahl sprechen, auch wenn wir alle schon lange keine Lust mehr auf Ausnahmezustände haben. Denn wenn wir nicht sofort anfangen, die Emissionen drastisch zu senken, drohen Ausnahmezustände zum Regelfall werden.

Fridays For Future ruft zum globalen Klimastreik auf

Video: watson/Hannah Reiss

Während die Bundesregierung sich diese Woche für ihre sogenannte "Klimapolitik" feierte, sind die aktuellen Daten nur allzu deutlich: 2020 hat die Große Koalition nicht nur erforderliche Maßnahmen im Klimaschutz blockiert, sondern dreckige Konjunkturprogramme verabschiedet, den Kohleausstieg verschleppt und damit die Krisen der Zukunft geschaffen.

Das macht Angst, aber ist nicht der Grund warum wir heute auf die Straße gehen. Wir streiken heute zusammen mit Schülerinnen und Schülern, Studierenden, Azubis, Arbeitnehmenden, Eltern und Großeltern, weil wir wissen, dass die Situation nicht so bleiben muss. Weil wir nicht nur wissen, was nötig ist, sondern auch, was alles möglich ist!

Bild

Wenn wir jetzt vorsorgen und konsequenten Klimaschutz umsetzen, können wir gemeinsam eine krisenfeste Zukunft bauen, die ein gerechteres und schöneres Leben für alle Menschen auf diesem Planeten sichert. Wir demonstrieren heute, veranstalten Fahrraddemos und Kunstaktionen und fluten das Internet. Mit dem kreativsten Klimastreik aller Zeiten zeigen wir einen Ausweg aus dem fortwährenden Katastrophenschaffen. Es muss nicht so weitergehen – daran müssen wir alle manchmal einfach erinnert werden.

Mehrwertsteuer-Erhöhung auf Fleisch: Darum ist das eine gute Idee

Über Wochen haben Landwirt:innen mit ihren Traktoren bundesweit Straßen blockiert und lautstark protestiert. Der Grund: Weil die Bundesregierung aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom November 2023 rund 17 Milliarden Euro einsparen muss, kündigte die Ampel an, Vergünstigungen beim Agrardiesel und die Kfz-Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge zu streichen.

Zur Story