
Aktivist:innen, darunter Luisa Neubauer, demonstrieren gegen Gasbohrungen vor Borkum.Bild: dpa / Kay Nietfeld
Gastbeitrag
Nele Evers
2. August. Als ich morgens aufwache und auf mein Handy schaue, sehe ich als erstes eine Nachricht: "Es wäre mega wichtig, etwas gegen die geplanten Gasbohrungen vor Borkum zu machen. Bist du am Start?" Zwei Sekunden überlegen, aber die Antwort ist eindeutig ja. Kurz danach haben wir eine Gruppe, ein paar Stunden später erste Pläne. Eine Woche später demonstrieren wir mit 2.000 Menschen auf der Insel.
Bohrkum? Nicht mit uns!
Aber von vorne: Worum geht's? Der niederländische Konzern One-Dyas will vor der Nordseeinsel Borkum nach Erdgas bohren. Bis 2060 sollen 13 Milliarden Kubikmeter Gas gefördert werden, die 65 Millionen Tonnen CO₂ verursachen würden. Viele Zahlen, am wichtigsten ist: Das Gas wird für die Energiesicherheit in Deutschland nicht benötigt.

Alle zwei Wochen melden sich Aktivist:innen von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.
Für die Bohrungen wird auf niederländischer Seite aber schon eine Plattform gebaut. Auf deutscher Seite fehlen noch Genehmigungen und um die zu bekommen, macht der Konzern Druck auf die Landesregierung. Genau hier wird es spannend: Die niedersächsische Landesregierung hat nämlich in ihrem Koalitionsvertrag von 2022 festgelegt, die neuen Gasbohrungen zu verhindern. Trotzdem hat das Landesbergbauamt eine der notwendigen Genehmigungen erteilt. Allerdings hat die Deutsche Umwelthilfe einen vorläufigen Stopp eingeklagt, weitere Klagen laufen.
Ministerien und Behörden schieben sich gegenseitig Verantwortung zu
Zu dem Zeitpunkt, als wir anfangen, eine Demo auf Borkum zu organisieren, schieben sich Ministerien, Minister und Behörden gegenseitig die Verantwortung zu und behaupten, selber nichts machen zu können. Denn die Behörden prüfen nur auf rechtliche Korrektheit. Wirtschaftsminister Olaf Karsten Lies sagt also, die Behörde sei zuständig, während Umweltminister Christian Meyer sagt, das Wirtschaftsministerium sei zuständig, weil ihm die entsprechende Behörde unterstellt ist. Von Ministerpräsident Stephan-Peter Weil hört man nichts.
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Dazu kommt, dass das Projekt auch im Bund und vom Auswärtigen Amt bestätigt werden muss – es liegt ja auf der Grenze zwischen Deutschland und den Niederlanden. Auch hier: Wirtschaftsminister Habeck ist erstmal eher dafür, Außenministerin Baerbock dagegen. Bundeskanzler Scholz sagt nichts, ist aber erfahrungsgemäß pro Gas.
Neben den schon angesprochenen enormen Mengen CO₂ hätten die Gasbohrungen noch weitere Folgen. Neben dem offensichtlichen, den potentiellen Umweltfolgen durch Schadstoffe und der Zerstörung von Lebensraum erhöhen Gasbohrungen auch die Erdbebengefahr in der Region. Die UNESCO droht, dem Wattenmeer den Status als Weltnaturerbe anzuerkennen – das Wattenmeer, was die niedersächsische Landesregierung schützen will. Und: Wenn dieses Projekt genehmigt werden würde, würden weitere folgen. Es droht ein ganzes Netz von Bohrplattformen in der Nordsee.

Nele Evers (19) organisiert die FFF-Proteste auf und um Borkum mit. bild: Lukas Stratmann
Wissenschaftlich ist klar: Wenn Deutschland oder irgendein Land sich an das Pariser Klimaabkommen und die 1,5 Grad-Grenze halten will, darf es kein einziges neues fossiles Projekt geben. Keine neuen Kohlekraftwerke, Gasbohrungen, LNG-Terminals und so weiter. Einige von uns verbinden außerdem Urlaub und Ferienfreizeiten mit der Insel oder finden Robben süß, die auch unter den Bohrungen leiden würden.
Also planen wir eine Demo auf Borkum. Innerhalb einer Woche bauen wir Kontakt zu Menschen vor Ort auf, schreiben einen offenen Brief an Lies, Meyer, Weil, Habeck und Baerbock, um uns klar zu positionieren und veröffentlichen ihn auch als Petition. Ich melde das erste Mal eine Demo an, wir suchen und finden einen Ort zum Übernachten, buchen Fährtickets und fahren dann mit knapp 50 Menschen los. Wir kommen aus Niedersachsen, Berlin, Baden-Württemberg, Bayern, ganz Deutschland.
2000 Menschen demonstrieren auf Borkum gegen Bohrungen
Als wir am Samstag anfangen, unsere Demo aufzubauen, rechnen wir immer noch mit maximal ein paar hundert Menschen. Doch der kleine Platz wird immer und immer voller. Menschen von der Inselbäckerei laufen mit T-Shirts, auf denen "Backen statt bohren" steht, durch die Menge, sie haben uns fünf Kartons Laugenstangen geschenkt, die eigentlich für alle reichen sollten, aber schnell leer sind. Die stellvertretenden Bürgermeisterinnen der Insel sind da, genauso wie viele weitere Einwohner:innen und Urlauber:innen.
Einige haben auf Instagram oder in der Zeitung von der Demo mitbekommen, manche haben wir einen Tag vorher auf der Fähre angesprochen. Die letzten Demoschilder (natürlich mit Robben) werden noch schnell gemalt. So langsam wird uns klar, wie viele Menschen gekommen sind, von unserer improvisierten Bühne sieht man kaum das Ende der Menge. Kurz darauf laufen 2000 Menschen durch die engen Inselstraßen in Richtung Strand, rufen "Es gibt kein Recht vor Borkum Gas zu bohren!" und fragen die Landes- und Bundesregierung: "Erdgas oder Klima? Wofür seid denn ihr?"
Nach dieser Demo – der größten, die jemals auf einer ostfriesischen Insel stattgefunden hat – sprechen wir immer wieder mit Menschen von der Insel und der Küste. Sie kämpfen schon seit Jahren gegen die Gasbohrungen, gemeinsam haben wir jetzt die Hoffnung gewonnen, sie wirklich stoppen zu können. In den nächsten Tagen äußern sich endlich Politiker:innen gegen die Bohrungen, darunter auch Robert Habeck. Für ein klares "Die Bohrungen werden gestoppt" reicht es noch nicht, aber immerhin möchte er auf die Gerichte warten, bevor weitere Genehmigungen erteilt werden.
"Wo ist der Klimakanzler? Was braucht es, bis auch er endlich versteht, dass er Verantwortung trägt und klimazerstörende Projekte wie dieses verhindern kann?"
Eine Woche später stehen wir in Berlin vor dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Kanzleramt. Unsere Petition hat mittlerweile fast 90.000 Unterschriften. Wir tragen unseren Protest nach Berlin, dahin, wo jetzt die Verantwortung liegt, und ziehen symbolisch eine rote Linie, auch aus Emden und von Borkum sind Menschen angereist. Noch einmal machen wir gemeinsam klar: Diese Bohrungen dürfen nicht passieren. Ein solches Projekt im Jahr 2024 noch zu ermöglichen, wäre eine Vollkatastrophe.
Wieder ein paar Tage später glaubt Bundeskanzler Scholz, die Bohrungen seien "wahrscheinlich". Ich glaube ja ehrlich gesagt, das sind sie nicht. Stattdessen frage ich mich: Wo ist der Klimakanzler? Was braucht es, bis auch er endlich versteht, dass er Verantwortung trägt und klimazerstörende Projekte wie dieses verhindern kann?
Alle Autofahrer:innen sollten sie dabei haben – die Warnweste. Auch beim Fahrrad oder Motorrad fahren kann sie gerade in der dunklen Jahreszeit hilfreich sein. Mit den in Gelb oder Orange leuchtenden Accessoires wird man selbst bei schlechten Lichtverhältnissen im Straßenverkehr nicht übersehen.