Als Klimaaktivistin gibt es eine Erkenntnis, die mich besonders schockiert hat: Für genau das, was ich hier tue, werden Menschen in anderen Ländern verfolgt, eingesperrt und gefoltert. Eines der Länder, in denen unschuldige politische Aktivist:innen regelmäßig festgenommen werden, ist Aserbaidschan.
Und obwohl es widersprüchlich klingen mag: In einer Woche werde ich, so wie zehntausende Regierungschefs, Verhandler:innen, Aktivist:innen und Journalist:innen genau dorthin fahren, um in Baku an der UN-Klimakonferenz, der COP29, teilzunehmen.
Dies ist bereits die vierte UN-Klimakonferenz, zu der ich reisen werde. Mit gerade einmal 18 Jahren bin ich 2019 das erste Mal dabei gewesen und mit zur COP25 nach Madrid gefahren. Mein Leben hat sich seitdem verändert – die weltweiten CO₂-Emissionen leider nicht wirklich.
Die Verläufe und Ergebnisse dieser Klimakonferenzen sind häufig besorgniserregend ähnlich. Zunächst bekennen sich die Parteien zu der 1,5-Grad-Grenze, liefern anschließend leere Versprechen und versuchen davon abzulenken, dass sie nicht einmal die aus dem Vorjahr beschlossenen eingehalten haben.
Doch trotzdem haben diese Konferenzen etwas so Bedeutsames. Sie sind ein Ort, an dem alle Länder einen Platz am Verhandlungstisch haben und einer, der nicht zuletzt durch die anwesende Zivilgesellschaft lebendig wird. Klimaaktivist:innen kommen zusammen, vernetzen sich und tun alles, um die Gräueltaten der Regierungschefs und der fossilen Lobby gegenüber der Menschheit aufzudecken.
Die Klimakrise ist ein physikalisches Problem, das nur durch eine Senkung der Treibhausgasemissionen eingedämmt werden kann. Dafür braucht es jedoch politische Lösungen. Und obwohl die Emissionen faktisch weiter gestiegen sind, geht es auf der politischen Ebene immerhin voran. Die Grundlagen für eine baldige Senkung der Emissionen werden geschaffen. Häufig wird es vergessen, aber tatsächlich hat das UN-Klimaregime uns bereits Meilensteine beschert.
Noch vor 20 Jahren wurde der Vorschlag der EU, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, weitestgehend belächelt. Inzwischen ist das zwei Grad-Ziel breit anerkannt und im Rahmen des Pariser Abkommens beschlossen worden. Auf Druck der Gruppe der kleinen Inselstaaten innerhalb der UN wurde dies sogar verschärft und die Staaten haben sich dazu verpflichtet, Bemühungen zu unternehmen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Die Eindämmung der Klimakrise ist ein Problem, das vor Jahrzehnten hätte gelöst werden sollen. In einer gerechten Welt hätte ich mich damit nie auseinandersetzen müssen. Wir sind inzwischen an einem Punkt, an dem auf physikalischer Ebene umstritten ist, ob die 1,5-Grad-Grenze sich noch einhalten lässt.
Trotzdem wurde durch das UN-Klimaregime eine international anerkannte Diskussionsgrundlage geschaffen, durch die inzwischen jeder ernstzunehmende politische Akteur und selbst die fossile Lobby, die Existenz und Relevanz der Klimakrise anerkennt. Damit ist allerdings nur ein Bruchteil des Problems gelöst. Die wahren Herausforderungen liegen noch vor uns und es gilt, diese auch in Baku in Angriff zu nehmen.
In diesem Jahr wird es auf der Konferenz in Aserbaidschan konkret um einen der wohl wichtigsten Bestandteile der Klimapolitik gehen: die Finanzierung. Vor allem wirtschaftlich schwächere Länder benötigen finanzielle Unterstützung für die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen. Dafür wurde sich 2009 auf eine Summe von 100 Milliarden US-Dollar jährlich geeinigt, die der globale Norden zahlen soll.
Die Probleme dabei? Auf der einen Seite wird nicht einmal diese Summe gezahlt und auf der anderen Seite wären selbst 100 Milliarden US-Dollar jährlich nicht ausreichend. Schätzungsweise liegt die benötigte Summe in Billionenhöhe. Die COP29 ist der Ort, wo diese Summe beschlossen werden kann und muss. Denn das Geld, das jetzt nicht in die Bewältigung der Klimakrise investiert wird, stellt uns der Planet in wenigen Jahren in vielfacher Höhe in Form von Kosten durch Klimaschäden in Rechnung.
Die Klimakonferenz findet in einer Zeit statt, in der alle Länder, jedoch vor allem die, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben, enorm unter ihren Folgen leiden. Ob Fluten, Waldbrände oder extreme Dürre – die Extremwetterereignisse häufen sich als Folge der Klimakrise und das vor allem im globalen Süden.
Um die Schäden und Verluste dieser Länder finanziell mitzutragen, wurde 2022 auf der UN-Klimakonferenz in Ägypten ein Fond zur Finanzierung eingerichtet. Wie in diesen eingezahlt werden muss, ist allerdings noch ein Streitthema. Und das spiegelt das Problem wider, dem die internationale Klimapolitik seit Jahren gegenübersteht: Klimaschutz ja – aber niemand fängt an. Und leere Worte ohne Taten bleiben leere Worte.
Es bleibt die Frage: Kann in Aserbaidschan etwas gegen dieses Dilemma bewirkt werden – oder ist der Interessenskonflikt des Landes dafür zu groß? Immerhin plant Aserbaidschan, seine Gasproduktion im nächsten Jahrzehnt um 50 Prozent zu steigern, wie es in einem Bericht bei "Guardian" heißt. Ein Interesse am Klimaschutz, das über Greenwashing hinausgeht, wirkt daher unglaubwürdig.
Und auch die Welle an Verhaftungen von Journalist:innen oder Aktivist:innen, die die fossile Politik der aserbaidschanischen Regierung kritisch sehen, deutet nicht darauf hin, dass die Konferenz in Baku plötzlich alle Probleme lösen wird.
Die EU steht vor allem in Anbetracht der Klimakonferenz in der Verantwortung, der fossilen Politik und der Menschenrechtsverletzungen, die die aserbaidschanische Politik unter den Blicken der Weltgemeinschaft ausübt, ein Ende zu setzen. Stattdessen macht sich die EU weiter vom aserbaidschanischen Öl- und Gasvorkommen abhängig. Auch sollen die Importe aus der Region, die seit dem Angriff auf die Ukraine bereits stark gestiegen sind, weiter erhöht werden, wie unter anderem der "Standard" berichtete.
Auch dieses Beispiel macht deutlich: nur erneuerbare Energien sichern unsere Unabhängigkeit und können mittelfristig die Autokratien und Diktaturen dieser Welt schwächen. Aber das kurzfristige Dilemma bleibt und zeigt sich vor allem zu Zeiten der COP29 in seiner vollsten Komplexität.
Die trotz nahezu 30 Klimakonferenzen steigenden Treibhausgasemissionen, die dort stetig wachsende Präsenz der fossilen Lobby und die eigenen fossilen Interessen des Gastgebers, lassen die Hoffnungen auf ein positives Ergebnis weiter sinken.
Dennoch ist die COP eine wichtige Chance. Hier kommen alle Länder an einen Tisch, um unter politischem Rampenlicht auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen und im Kampf gegen die Klimakrise endlich richtig loszulegen.