Es ist wieder so weit: Im Bundestag wird dieser Tage über den Haushalt gestritten. Das ist die Stunde der Wahrheit: Wofür hat die Bundesregierung ein Herz, was ist ihr Geld wert und was nicht? Ein Blick auf die Zahlen zeichnet ein düsteres Bild: Die Koalition hält eisern an 60 Milliarden Euro fossiler Subventionen fest, darunter das Diesel- oder Dienstwagen-Privileg, kann aber keinen Cent für das versprochene Klimageld auftreiben.
Dabei müsste dieser Hitzesommer mit seinem Wechselspiel aus Waldbränden und Flutkatastrophen allen klargemacht haben: Die Klimakrise ist da und kein Fleck der Erde ist mehr sicher vor ihr. Nun braucht es politische Konsequenzen. Zeit, einen genaueren Blick auf die zwei dringendsten Klimamaßnahmen zu werfen – die unverzügliche Einführung des Klimagelds und die Verschärfung des Klimaschutzgesetzes – und wie die Ampel zu ihnen steht.
Mit dem Klimageld sollen die Einnahmen aus dem CO₂-Preis mit einem Pro-Kopf-Betrag an alle Bürger:innen zurückgegeben werden. Da Menschen mit mehr Geld durch hohen Konsum statistisch auch mehr CO₂ ausstoßen, zahlen sie drauf, während Menschen mit geringem Einkommen unterm Strich entlastet werden. Bei einem CO₂-Preis von 150 Euro pro Tonne könnte man allen Menschen ein jährliches Klimageld von 422 Euro auszahlen, rechnet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung vor. Davon sind wir aber noch weit entfernt, aktuell dümpelt die Tonne CO₂ bei knapp 40 Euro.
Dass es den CO₂-Preis überhaupt gibt, dafür mussten viele Tausende junge Menschen wie ich 2019 auf die Straße gehen. Aber für uns war auch immer klar: CO₂-Preis und Klimageld funktionieren nur gemeinsam. Wer A sagt, muss auch B sagen. Die Erklärung der Ampel für das blockierte Klimageld sind kaum stichhaltig: Das Finanzministerium von Christian Lindner schafft es seit einem Jahr nicht, zu den Steuernummern der Bürger:innen die passende Kontonummer zu finden. Ganz schön peinlich, rühmt sich die FDP doch mit dem Image des Digitalisierungsmeisters. In Österreich hat es schließlich auch geklappt, ein Klimageld einzuführen, und zwar innerhalb von sechs Monaten.
Darüber hinaus scheitert das Klimageld bisher daran, dass der "Klima- und Transformationsfonds” von Wirtschaftsminister Habeck bis weit über das Ende der Legislatur verplant ist. In diesem Fonds landen die Einnahmen aus dem CO₂-Preis, der Koalition waren aber offenbar Chip-Fabriken wichtiger als sozial gerechter Klimaschutz.
Und an dieser Stelle wird es brisant. Jahrelang hat man uns erzählt, dass zu viel Klimaschutz den sozialen Zusammenhalt zerstören würde. Das war schon immer eine Ausrede, denn nichts zwingt die Politik dazu, Klimaschutz unsozial zu machen. Die Klimakrise wird aber immer unsozial bleiben. Nichts gefährdet den sozialen Zusammenhalt so sehr wie eine ständig eskalierende ökologische Krise.
Dieser Sommer mit seinen Waldbränden und Überschwemmungen überall auf dem Globus ist nur ein Vorgeschmack – Immer extremere Katastrophen sind das eigentliche Armageddon-Szenario für Demokratie und sozialen Frieden. Denn sie treffen die ärmsten und vulnerablen Menschen mit besonders brutaler Wucht. Die Verzögerungstaktik der Politik läuft also darauf hinaus, dass man lautstark vor sozialen Zerwürfnissen warnt, und dabei durch die eigene Tatenlosigkeit genau diese sozialen Zerwürfnisse produziert.
Es ist empörend, wie schamlos diese sozialdemokratisch geführte Koalition die ärmsten Menschen im Land missbraucht, um die eigene katastrophale Klimabilanz zu rechtfertigen. Es scheint, als würde die Politik mit aller Kraft gegen die Bevölkerung arbeiten. Eine breite gesellschaftliche Mehrheit fordert nämlich schon längst mehr Klimaschutz. Das belegen Studien immer wieder eindeutig, zuletzt das Umweltbundesamt. Der gesellschaftliche Rückhalt für Klimaschutz ist da.
Die Bundesregierung versteht das aber nicht etwa als Handlungsauftrag, sie setzt diesen Rückhalt stattdessen durch unsoziale Politik aufs Spiel. Die Ampelkoalition muss ihr zentrales Versprechen von sozial gerechtem Klimaschutz umsetzen und das Klimageld unverzüglich einführen. Durch den monatelangen Dauerstreit hat die Regierung viel Vertrauen verspielt, die Umfragewerte sind zuletzt weiter gefallen. Viele Menschen in meinem Alter drohen in Resignation und Politikverdrossenheit zu verfallen. Dabei haben wir ein Recht darauf, dass Klimagerechtigkeit nicht nur grüne Fassade, sondern echte Zukunftssicherung ist.
Doch bisher hat uns die klimapolitische Bilanz der Ampel nicht viel Anlass zum Feiern gegeben: 144 neue Autobahnprojekte, fossile Flüssiggasterminals an Deutschlands Küsten und hunderte Millionen Tonnen Kohle, die noch abgebaggert und verbrannt zu werden drohen.
Und es geht weiter: Die Regierung will vermutlich noch in diesem Monat das Klimaschutzgesetz aufweichen. Ein Gesetz, das undenkbar wäre ohne all die Menschen, die 2019 gemeinsam mit Fridays for Future für Klimagerechtigkeit auf die Straße gegangen sind. Nur durch diesen Druck hat die große Koalition das Klimaschutzgesetz damals beschlossen. Seither ist es der Politik ein Dorn im Auge, denn es legt verbindliche Klimaziele für die einzelnen Sektoren fest. Damit können auch unmotivierte Minister zur Arbeit angehalten werden.
Der Plan der Ampel-Regierung sieht vor, genau diese Sektorziele jetzt abzuschaffen. Verfehlt ein Ministerium die eigenen Vorgaben, müsste es nicht mehr wie in der Vergangenheit nachsteuern und wäre auch im Folgejahr nicht verpflichtet, die eigenen Klimaziele einzuhalten.
Mit dieser Initiative aus dem Kanzleramt spielt Scholz den Schutzpatron der FDP. Deren Verkehrsminister Wissing reißt seine Klimaziele nämlich schon das zweite Jahr in Folge und ist den Menschen in diesem Land bis heute einen Plan schuldig, wie er klimapolitisch aufholen will. Anstatt das eigene Kabinett zur Arbeit anzuhalten, hat Olaf Scholz den FDP-Verkehrsminister also aus der Schusslinie genommen. Mehr noch: Der Kanzler hat ihm sogar den Freifahrtschein erteilt, kein Sofortprogramm vorlegen zu müssen – und sich damit über geltendes Recht hinweggesetzt.
Das hat Fridays for Future im Juli zum Anlass genommen, selbst ein Sofortprogramm vorzustellen. Fazit: Wir können uns nicht darauf verlassen, dass andere für uns den Klimaschutz machen. Wir haben viel erreicht, aber nicht genug. Auch die Anti-Klima-Kräfte bringen sich wieder in Stellung und warten nur darauf, dass wir die Flinte ins Korn werfen.
Auf dem nächsten globalen Klimastreik am 15. September können wir zeigen, dass wir ihnen dieses Geschenk nicht machen werden.
Der Massenprotest ist unser schärfstes Schwert für konsequenten Klimaschutz. Gemeinsam können wir den politischen Fortschritt von der Straße aus erkämpfen. Die Rückkehr aus der Sommerpause muss Kanzler Scholz für ein Machtwort nutzen, um seine Regierung aus dem Würgegriff des kleinsten Koalitionspartners zu befreien. Es liegt an ihm, den Weg freizumachen für die schnelle Einführung des Klimageldes und ein verschärftes Klimaschutzgesetz. Am 15. September werden ihn Hunderttausende Menschen daran erinnern.