Über Jahrhunderte wurden Wölfe in Deutschland systematisch verfolgt und bejagt, weil sie eine Bedrohung für Nutztiere des Menschen darstellten. Da die wachsende Bevölkerung gleichzeitig immer mehr Flächen für Landwirtschaft und Siedlungen benötigt, ging auch ein Großteil ihres Lebensraums verloren.
Nachdem der letzte frei lebende Wolf im Jahr 1904 gesichtet worden war, galt das Raubtier hierzulande lange Zeit als ausgestorben. Erst 1998 soll sich der Isegrim wieder nach Deutschland getraut haben. Zwei Jahre später gab es laut Naturschutzbund Deutschland (Nabu) erstmals Nachwuchs in freier Wildbahn.
Und seitdem haben sich die Tiere immer weiter vermehrt. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der in Deutschland nachgewiesenen Wolfsrudel auf 209 gestiegen. Das geht aus dem Bericht des Bundesamts für Naturschutz (BfN) für das Monitoring-Jahr 2023/24 hervor.
Im vorangegangenen Monitoring-Zeitraum 2022/23 hatte die bundesweite Zahl der Wolfsrudel noch 184 betragen. Brandenburg hatte mit 58 die meisten Wolfsfamilien, gefolgt von Niedersachsen (48) und Sachsen (37).
Abseits der 209 Wolfsfamilien wurden weitere 46 Wolfspaare sowie 19 sesshafte Einzelwölfe bestätigt. Insgesamt wurden im Monitoring-Jahr, das vom 1. Mai 2023 bis zum 30. April 2024 dauerte, in den bestätigten Territorien 1601 Wolfsindividuen nachgewiesen.
Gezählt wurden 535 adulte Wölfe, 162 Jährlinge, also Tiere im zweiten Lebensjahr, sowie 781 Welpen. Im Zeitraum davor waren insgesamt 1339 Tiere dokumentiert worden. Für das aktuelle Monitoring-Jahr wurden mehr als 40.000 Hinweise und Nachweise aus den Bundesländern ausgewertet.
Wie in den Vorjahren lebten viele Tiere auf dem Gebiet von Sachsen in nordwestlicher Richtung über Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern bis Niedersachsen. Wolfsterritorien wurden auch in Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen nachgewiesen.
In Baden-Württemberg und in Schleswig-Holstein gab es jeweils den ersten Nachweis einer Rudelbildung. Auch im Saarland wurden erstmals Vorkommen bestätigt.
193 Wölfe wurden tot aufgefunden. Davon starben 150 bei Verkehrsunfällen. "Insgesamt fünf Wölfe wurden im Rahmen von Managementmaßnahmen entnommen", erklärte das BfN ohne weitere Angaben über Art und Ort der "Entnahme". Im Monitoring-Jahr 2023/24 seien außerdem 13 Wölfe illegal getötet worden.
Dass es immer mehr Wölfe gibt, halten aber längst nicht alle für eine gute Nachricht. Gerade Landwirt:innen und Tierhalter:innen warnen, dass die Raubtiere eine Gefahr für Nutztiere darstellen würden. Die EU plant auch deshalb aktuell, einen schnelleren Abschuss von Wölfen zu ermöglichen.
Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) wies indes darauf hin, dass sich das Wachstum der Wolfspopulation verlangsame. "Das oft behauptete exponentielle, oder gar unkontrollierte Wachstum der Wolfspopulation in Deutschland gibt es nicht", erklärt Nabu-Wolfsexpertin Marie Neuwald.
Da viele weitere Regionen Deutschlands geeignet seien für Wölfe, aber noch nicht besiedelt, könne es nach und nach eine weitere Ausbreitung geben. "Sobald es in einer Region einen Wolf gibt, ist es notwendig, Weidetiere zu schützen, denn auch ein Einzelwolf kann Schaden anrichten", meinte Neuwald.
Wichtig seien Elektrozäune um Herden oder Herdenschutzhunde. Wölfe abzuschießen, ist ihrer Meinung nach keine sinnvolle Maßnahme. "Wölfe lernen durch eine Bejagung nicht, Abstand zu Weidetieren zu halten."
(mit Material von dpa)