Einst war sie das Aushängeschild der deutschen Wirtschaft: die Automobilindustrie. Autos "Made in Germany" galten weltweit als Statussymbol. Doch die Branche hat sich verändert.
Während deutsche Autohersteller sich auf ihrem Erfolg ausruhten, haben sie den Umstieg auf E-Mobilität verschlafen. Die Zeit drängt, denn ab 2035 gilt das Verbrenner-Aus in der EU. Heute steckt die deutsche Autobranche in einer tiefen Krise.
Immer wieder hört man davon, dass Vorgaben für mehr Klimaschutz der Auto-Industrie schaden sollen. Dabei geht es um die Flottengrenzwerte, die festlegen, wie viel CO₂ die neu produzierten Wagen im Schnitt ausstoßen dürfen. Unternehmen müssen hohe Strafen zahlen, wenn diese nicht eingehalten werden.
Doch eine Reihe von Forschenden unterschiedlicher Institute in Deutschland und Europa kommen im Rahmen des EMPOCI-Projekts zu einem anderen Ergebnis: Laut ihrem Strategiepapier würde das Ende des Verbrennungsmotors Deutschlands Autobranche stärken, nicht schwächen.
Die Fachleute beziehen sich dabei auf Analysen von Unternehmensstrategien und umfangreiche Interviews mit Manager:innen und Brancheninsidern. Der Umstieg auf Elektroautos sei ein unvermeidlicher globaler Trend.
Europa müsse sich deswegen so schnell wie möglich an die US-amerikanischen und chinesischen Vorreiter anpassen, um wieder eine Chance zu bekommen, den technologischen Wandel mitzugestalten.
Den Verbrennerausstieg sehen die Forschenden, als Chance, um die europäische Automobilindustrie zu stärken. Das begründen sie mit folgenden vier Punkten: Erstens lenkt er die Aufmerksamkeit und die Investitionen der Unternehmen auf die Entwicklung emissionsfreier Technologien. So werden zukunftsorientierte Strategien gefördert.
Zweitens bietet das finale Datum zum Verkauf von Wagen mit Verbrennungsmotor der Branche eine wichtige Planungssicherheit. Dazu kommt drittens, dass Unternehmen ohne klare politische Signale oft zögerlich handeln und keine großen Veränderungen wagen.
Viertens ermöglicht ein klares Ausstiegsdatum einen koordinierten Umstieg auf Elektrofahrzeuge. Damit könnten kostspielige Verzögerungen und Engpässe vermieden werden.
Die eindeutige Handlungsempfehlung der Forschenden an die Politik lautet: Beim Verbrenner-Aus jetzt einen Gang runterzuschalten wäre ein großer Fehler. Zum einen würde es die Glaubwürdigkeit der Politik untergraben und zu anderen gelange man nur mit ambitionierten Zielen zum wirtschaftlichen Erfolg, wie es in dem Papier steht.
Allerdings sehen die Wissenschaftler:innen weiteren Handlungsbedarf. Es brauche mehr politische Maßnahmen, um die europäische Automobilindustrie zukunftssicher zu machen. Dafür machen sie vor allem drei Schlüsselbereiche aus: Stärkung der Nachfrage, Innovationsförderung und systemische Maßnahmen.
Der Umstieg auf E-Autos kann traditionelle Unternehmen vor Herausforderungen stellen, was zu einem Personalabbau führen kann. Um gefährdete Beschäftigte zu unterstützen, raten die Forschenden zu unterstützenden Maßnahmen, die die Betroffenen für neue Berufsfelder qualifizieren. Auf diese Weise soll ein sozialverträglicher Wandel möglich werden.
Die deutsche Automobilindustrie ist gemessen am Umsatz die größte Branche des Landes. 2023 wurde ein Umsatz von 564 Milliarden Euro erwirtschaftet. Knapp 780.000 Personen sind in dem Industriezweig beschäftigt.