Was Sommer in der Stadt bedeutet, lässt sich in diesen Tagen bei Temperaturen jenseits der 30 Grad am eigenen Leib erfahren. Denn in dichtbesiedelten Gebieten wird es deutlich heißer als auf dem Land – man spricht vom Hitzeinseleffekt.
Beton, Metall oder Glas speichern die Wärme und kühlen sich nur langsam wieder ab. In dichtbebauten Städten kann der Wind nicht für ausreichend Kühlung sorgen. Versiegelte Flächen stören den natürlichen Kreislauf von Niederschlägen und Verdunstung.
Die Herausforderungen, die mit Voranschreiten des Klimawandels auf die Stadtbevölkerung zukommen, sind riesig. Denn der Sommer 2024 wird zukünftig noch zu den milderen gehört haben.
Ein Konzept gegen den Hitzeinseleffekt ist die Schwammstadt. Dabei geht es um die Fähigkeit einer Stadt, ein Zuviel an Wasser aufzusaugen, dieses Wasser wie einen Schwamm zu speichern und es dann durch Verdunstung oder Versickerung verzögert wieder abzugeben.
Auf diesem Prinzip beruht eine spezielle Häuserfassade, die Wissenschaftler:innen entwickelt haben. Sie soll nicht nur Häuser gegen Hitze und Starkregen schützen, sondern der gesamten Stadt helfen.
Sie ist biegsam und stabil, porös und reißfest – Forscher:innen der Universität Stuttgart haben eine Wasserhaut für Gebäude entwickelt. Mit der Hydroskin sollen Fassaden von bestehenden und neuen Gebäuden genutzt werden, um an heißen Tagen zuvor gesammeltes Regenwasser zur Verdunstung und damit Kühlung einzusetzen.
"Dieses neuartige Material kann den Kampf gegen die Folgen von Hitzewellen und Starkregen in Städten revolutionieren", sagt Erfinderin Christina Eisenbarth.
Das System ist außen von einer wasserdurchlässigen Membran umgeben, die nach Auskunft der Universität fast alle Regentropfen eindringen lässt. Eine Folie an der Innenseite leitet das Wasser nach unten ab. Dann kann es entweder in einem Reservoir gespeichert oder direkt ins Gebäudeinnere geleitet werden, wo es etwa für die Waschmaschine, die Toilettenspülung und Pflanzenbewässerung verfügbar ist.
Bei Hitze wird die Textilfassade mit Wasser befeuchtet und kühlt durch Verdunstung somit das Gebäude und den umgebenden Stadtraum.
Die Hydroskin soll sich wegen der großen Fassadenflächen besonders für Hochhäuser eignen. "Überdies trifft der Regen mit zunehmender Höhe schräg auf die Fassade, sodass ab etwa 30 Metern Gebäudehöhe mehr Regen über die Fassade aufgenommen werden kann als von einer gleich großen Dachfläche", erklärt die Erfinderin.
Gebäudeoberflächen können in der Sonne Temperaturen von über 90 Grad erreichen. Laut den Wissenschaftler:innen kann die Hydroskin die Temperaturen auf bis zu 17 Grad senken.
Außerdem reduziert die aufgenommene Wassermenge den Abfluss, der durch versiegelte Flächen direkt in die Kanalisation gelangt und bei ausgeschöpfter Aufnahmekapazität zu Überschwemmungen führt.
Das System wird nun im Freiluftversuch getestet: Derzeit steht ein Prototyp auf dem Campus der Universität Stuttgart. In bis zu 36 Meter Höhe wird erprobt, ob die Fassade das hält, was die Wissenschaftler:innen sich nach Hunderten von Laboruntersuchungen von ihr versprechen.
Stefan Petzold vom Naturschutzbund Deutschland Nabu sieht in Hydroskin eine Möglichkeit, das Leben in der Stadt angenehmer zu machen, ebenso wie grüne Fassaden, begrünte stillgelegte Kreisverkehre und umgewidmete Parkplätze. "Mit solchen Entsiegelungen geben wir der Natur etwas zurück", sagt der Nabu-Referent für Stadtnatur.
(mit Material von dpa)