
Seealgenwälder können bis zu 30 Meter hoch werden. Bild: imago stock&people / StockTrek Images
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Vor der Küste Südkaliforniens war ein einzigartiger Algenwald fast verschwunden. Heute wächst der Riesentang zurück, speichert Kohlenstoff, schützt die Küsten – und macht aus einem "vergessenen Wald" wieder ein Ökosystem von globaler Bedeutung.
01.09.2025, 14:4901.09.2025, 14:49
Man könnte meinen, das größte Problem Kaliforniens seien Staus, Waldbrände oder Hollywood-Remakes. Vielleicht sind es aber auch Stacheltiere von der Größe eines Golfballs, die es geschafft haben, sich in der ökologischen Nahrungskette nach oben zu mogeln. Und wie immer, wenn die Kleinsten zu groß werden, wird es kompliziert.
Denn dort, wo einst ganze Unterwasserwälder wie Mammutbäume im Pazifik standen, wucherten plötzlich Teppiche aus Seeigeln. Millionen von ihnen, leergefressen und doch unermüdlich, verwandelten die Küste Südkaliforniens in ein lilafarbenes Nichts. Es musste etwas getan werden.
Seeigel zerschlagen aus Gründen der Ökologie
Seit 2012 haben Taucher:innen dort 15.575 Stunden unter Wasser verbracht, bewaffnet mit Hämmern. Ihr Auftrag: die lila Seeigel zerschlagen, die den Tang am Wachsen hindern. Bislang summiert sich die Bilanz auf 5,8 Millionen getötete Tiere und eine Fläche von 61 Fußballfeldern freigeräumter Meeresboden. "Wir nennen es den vergessenen Wald", sagt Tom Ford, Geschäftsführer der Bay Foundation, die das Projekt leitet, dem "Guardian".
Algenwälder gelten als "Mammutbäume des Meeres" – nicht nur wegen ihrer Höhe von bis zu 30 Metern, sondern wegen ihrer Rolle für das Ökosystem. Sie speichern große Mengen an Kohlenstoff, brechen die Gewalt von Sturmwellen und bieten Lebensraum für mehr als 800 Arten, von Garibaldifischen über Hummer bis hin zu wandernden Blauwalen.
Selbst für die Fischerei sind sie unverzichtbar, weil sie produktive Nahrungsgründe schaffen und den begehrten roten Seeigeln bessere Bedingungen geben.
Das Vorgehen der Taucher:innen klingt martialisch, ist aber eher monotone Kleinarbeit. "Wenn man einen Seeigel mit einem fußlangen Hammer trifft, gibt es ein befriedigendes Knacken", erzählt der Taucher Mitch Johnson. Kollege Sean Taylor beschreibt die Routine so: "Man klopft, klopft, und manchmal muss man in Spalten greifen, um die Seeigel herauszuholen. Die Unterarme werden super müde."
Doch der Effekt ist spektakulär. "Innerhalb von drei Monaten kam der Tang zurück", erinnert sich Johnson. "Ich habe noch nie einen Algenwald gesehen, der so dicht war – und es war verrückt zu sehen, wie schnell er zurückkehrte."
Dass die Seeigel überhaupt so dominant wurden, ist das Resultat einer langen Fehlerkette. Schon im 19. Jahrhundert verschwanden Seeotter, die wichtigsten Fressfeinde. Von den 1940er- bis 1970er-Jahren leitete eine Chemiefabrik das Umweltgift Dichlordiphenyltrichlorethan ins Meer. Sedimente von Erdrutschen begruben ganze Riffe. Später raffte eine Krankheit die Seesterne dahin. Übrig blieben die Seeigel, die jedes noch so kleine Tang-Sporenblatt sofort abfraßen.
Tang kehrt nach Kalifornien zurück
Ford und sein Team fanden heraus, dass pro Quadratmeter höchstens zwei Seeigel überleben dürfen. In manchen Gebieten waren es 70 bis 80. Also holten sie nicht nur Freiwillige ins Boot, sondern auch Fischer.
"Wir bezahlten die Fischer dafür, den Wald zurückzubringen, und dann konnten sie wieder hineingehen und dort fischen", erklärt Ford. Einer von ihnen, Terry Herzik, tauschte 2012 das Sammeln roter Seeigel gegen das Zerschlagen der lila Art. "Niemand hat mehr Stunden dort unten Seeigel beseitigt als Terry", sagt Ford. "Wir hätten das ohne ihn nicht geschafft."
Und tatsächlich: Der Tang kehrt zurück, schnell und dicht. Die Bucht füllt sich mit Garibaldifischen, Hummern und Tang-Barsch. Selbst die begehrten Gonaden der roten Seeigel wiegen heute 168 Prozent mehr. "Alles fließt vom Tang", sagt Ford und meint damit die gesamte Küste.
Doch das Projekt bleibt verletzlich. Nicht jede Restaurierungsfläche bleibt dauerhaft gesund – manche erholen sich, andere verfallen wieder. Mit der Klimakrise drohen neue Wellen, wärmere Strömungen, Krankheiten. Aber das System hat gelernt, schnell zu reagieren.
Ford erinnert sich an seinen ersten Tauchgang: "Es sah aus wie eine Kathedrale, mit Lichtstrahlen durch Buntglas."
Ob beim Spazierengehen im Park, in der Bäckerei, auf dem Pflaumenkuchen oder in deinem Dosenbier: Wespen sind überall, wo sie niemand haben will.
Ein saftiges Stück Kuchen, eine eisgekühlte Cola, ein gutes Buch – und ein Summen in deinem Ohr. Das war es mit dem entspannten Nachmittag.