Wer an der Nordseeküste am Wattenmeer spazieren geht, hat die Möglichkeit, eine große Artenvielfalt zu entdecken. Laut der Universität Flensburg ist dort rund ein Fünftel der deutschen Tierwelt anzutreffen. Auch Seepferdchen tauchen mittlerweile immer wieder auf.
Seepferdchen in der Nordsee? Was zunächst nicht abwegig klingt, gilt heute tatsächlich als seltener Fund. Seit den 1930er Jahren waren die Kurzschnäuzigen Seepferdchen (Hippocampus hippocampus) quasi aus dem Wattenmeer verschwunden.
Jetzt sollen zahlreiche Exemplare wieder aufgetaucht sein.
Nutzer:innen der App Beach Explorer melden seit einiger Zeit immer mehr Strandfunde der kleinen Meerestiere. Mittlerweile sind 101 Fundmeldungen in der Datenbank der App erfasst.
Von den gemeldeten Seepferdchen stammen 53 aus Niedersachsen, 18 aus den Niederlanden, 15 aus Schleswig-Holstein, neun aus Dänemark sowie drei aus der offenen Nordsee. Das berichtet Rainer Borcherding von der Schutzstation Wattenmeer.
Die Schutzstation Wattenmeer ist Projektträger der App Beach Explorer, die vom Bundesamt für Naturschutz gefördert wird. In der App können Nutzer:innen Fotos von Strandfunden hochladen und so dazu beitragen, den Forscher:innen einen Überblick über die Artenvielfalt zu geben.
Zudem soll das Projekt den Menschen einen neuen Zugang zur Naturbeobachtung ermöglichen und ihr Verständnis für die Meeresnatur und den Artenerhalt fördern.
Besonders in den vergangenen drei Jahren ist die Zahl der Seepferdchenfunde stark gestiegen. Während zwischen 1949 und 2000 nur sieben Tiere entdeckt wurden, sind alleine im Jahr 2022 insgesamt 38 gesichtet worden. 2023 tauchten weitere 23 Tiere auf. In diesem Jahr wurden dem Beach Explorer bereits neun Funde gemeldet.
Die Forschenden rufen Spaziergänger:innen dazu auf, angespülte tote Seepferdchen an Stränden zu melden und bei Nationalpark-Häusern abgeben. Dort werden die Tiere eingefroren und ans Festland gebracht.
Noch sei unklar, ob es feste Populationen der Seepferdchen in der deutschen Nordsee gibt. "Die Funde zeigen, dass Seepferdchen in den Spülsäumen im Wattenmeer häufiger werden", sagt Hans-Ulrich Rösner, Leiter des WWF-Wattenmeerbüros. "Auch wenn die Tiere immer noch selten sind, so ist das doch ein Anlass zur Freude."
Woher die Tiere stammen, ist noch nicht eindeutig geklärt. Die Forscher:innen hoffen auf weitere Funde, um eine aussagekräftige Datenlage zu erlangen. Ein weiteres Forschungsprojekt an der Universität Kiel soll eine genetische Untersuchung der Seepferdchen ermöglichen.
Einige Thesen zur Herkunft der Seepferdchen haben die Expert:innen aber bereits aufgestellt: So sei es möglich, dass die Tiere von der niederländischen Küste und aus dem Ärmelkanal durch Stürme verdriftet und an der deutschen Küste angespült werden. Dort leben die Tiere in mit Wasser überfluteten Tang-, Algen- und Seegraswiesen.
Eine andere Möglichkeit sei, dass die Tiere neue Lebensräume für sich entdeckt haben. So siedele sich an den Fundamenten von Offshore-Windkraftanlagen Blasentang – eine in der Nord- und Ostsee weit verbreitete Braunalge – an, in dem die Seepferdchen leben könnten.
(mit Material der dpa)