Zehn Jahre lang drehte Nico Rosberg in der Formel 1 seine Runden, als er 2016 schließlich den Weltmeister-Pokal in den Händen hielt, beendete er seine sportliche Karriere. Nach dem Ausstieg aus dem nicht gerade emissionsarmen Motorsport folgte der U-Turn: Mittlerweile ist der 35-Jährige, der mit seiner Familie in Monaco lebt, Unternehmer und investiert vorrangig in nachhaltige Projekte – beispielsweise in das Berliner E-Scooter-Startup Tier Mobility. Das ein oder andere Investment dürfte bald dazukommen: In der neuen Staffel der "Höhle der Löwen" sucht Rosberg als Investor nach neuen Projekten.
Zuerst steht in Berlin aber das Greentech Festival an, das Rosberg mitgegründet hat und bei dem sich alles um nachhaltige Technologien und Innovationen dreht. Dort erzählt der ehemalige Weltmeister im Interview mit watson, warum er mittlerweile statt im Rennwagen im Elektro-Auto oder in der Bahn sitzt, wie seine Familie im Alltag auf Nachhaltigkeit achtet, wie er sich die Mobilität der Zukunft vorstellt – und warum er sich einen vollständigen Verzicht auf Autos nicht vorstellen kann.
watson: In Ihrem ersten Leben waren Sie Formel-1-Weltmeister, in Ihrem zweiten engagieren Sie sich für Nachhaltigkeit – das passt auf den ersten Blick nicht zusammen. Woher kommt der Sinneswandel?
Nico Rosberg: Das ist eine Disruption. Das, was gleich bleibt, ist die Faszination und Liebe für Innovation in der Technologie, das war in der Formel 1 so und das ist hier beim Greentech Festival so. Aber im Unternehmertum habe ich jetzt meinen wirklichen starken Sinn gefunden. Hier kann ich meinen positiven Beitrag leisten, meine Kinder inspirieren, das gibt mir ein ganz tolles Gefühl. Mein ganzes Unternehmertum richtet sich auf die Nachhaltigkeit, ich glaube, das ist der richtige Weg. Und wenn ich meine zwei kleinen Kinder inspirieren kann mit meinem Lebenswerk, bin ich natürlich auch froh.
Unter anderem investieren Sie jetzt in Elektromobilität. Müsste die Formel 1 konsequenterweise nicht auch elektrisch werden?
Die Zukunft der Formel 1 ist erstmal hybrid, weil der Hybridmotor noch effizienter ist als ein E-Auto – denn dafür liefern oft noch Kohlekraftwerke die Energie, das muss sich natürlich erst mal ändern. Von daher hat der Hybridmotor jetzt seine Berechtigung in der Formel 1. Und auch die Mobilitätsindustrie profitiert, weil die Technologie, die in der Formel 1 entwickelt wird, auf die Mobilität für uns alle übertragen wird. Von daher ist das erst einmal okay und gut so. Das muss auch die Rolle des Motorsports sein: Ein positives Zeichen setzen und die Technologie weiterentwickeln.
Wäre ein Comeback in der Formel 1 denkbar?
Nein, ich bin raus aus dem Thema.
Welche Verkehrsmittel nutzen Sie denn dann privat?
Ich habe ein Carsharing-Programm mit E-Autos in Monaco, und in Deutschland bin ich zum Beispiel letztens von Köln nach Hamburg mit der Bahn gefahren. Es gibt manche Strecken, da ist die Deutsche Bahn die beste Lösung. Und dann ist sie auch noch emissionsarm, deshalb fahre ich damit sehr gerne. Es ist auch toll, dass man die ganzen Plätze um sich herum mitbuchen kann in der 1. Klasse, somit ist dann echt Platz geschaffen.
Wenn wir noch ein bisschen weiter in die Zukunft blicken – wie wird nachhaltige Mobilität aussehen?
Die Mobilität der Zukunft ist eine Mobilitätskette in einer App auf dem Handy. Da zahlen wir eine monatliche Rate, zum Beispiel 49,90 Euro, tippen unser Ziel in der App ein und können dann eine ganze effiziente Mobilitätskette buchen: von hier mit dem E-Scooter zum Bahnhof, dann mit dem Zug nach München, dann mit dem Flugtaxi vom Bahnhof ins nächste Dorf – und das alles emissionsfrei.
Sie glauben also, dass man auch eine Auto-verrückte Nation wie Deutschland dazu bekommt, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen?
Ja, teilweise, aber ich glaube, ein Teil davon wird schon bestehen bleiben. Autos üben nach wie vor eine große Faszination aus und werden weiterhin ihren Platz haben. Die Elektro-Autos machen ja auch einen riesen Fahrspaß, der Porsche Taycan oder der Audi E-tron zum Beispiel.
Die kann sich aber natürlich nicht jeder leisten...
Das ist klar. Aber auch für Elektro-Sportautos wird es immer mehr Lösungen geben, die immer erschwinglicher für viele in Deutschland sein werden. Mit dem Golf Id3 gibt es da beispielsweise eine Sportvariante. Es ist auch wichtig, dass die Elektromobilität alle erreicht – auch über Deutschland hinweg in den Entwicklungsländern muss die E-Mobilität erschwinglicher werden. Großer Vorreiter ist China, die machen das in manchen Bereichen schon echt gut.
Nachhaltigkeit beschränkt sich nicht nur auf Mobilität. Wie nachhaltig ist Ihr Alltag in der Familie?
Wir verzichten so gut es geht auf Plastik: Wir nutzen keine Plastikstrohhalme, sondern solche aus Metall. Wir haben keine Plastikflaschen, sondern welche aus Glas. Beim Essen versuchen wir uns ein bis zweimal die Woche komplett vegan zu ernähren. Es geht nicht ins Extreme, aber wir wissen, dass der Fleischkonsum der größte Anteil ist, den wir reduzieren können. Wenn da jeder ein bisschen drauf achtet, ist das schon viel.
Und wie bringen Sie Ihre Töchter in die Schule?
Die Schule meiner Töchter ist sehr nah an unserem Zuhause, wir gehen meistens zu Fuß. Es ist unser großes Glück, dass in Monaco alles so nah beieinander ist.
Welche Erfahrungen aus Ihrer Zeit in der Formel 1 haben Sie in Ihr Leben als Unternehmer mitgenommen?
Die Entscheidungsschnelligkeit: kurz diskutieren und dann Action, Execute und nicht lang weiterreden – das ist schon etwas, was ich mitnehmen kann aus meiner Zeit in der Formel 1. Aber auch das Versagen. Natürlich ist das subjektiv gesehen im ersten Moment schmerzhaft. Aber da sind immer auch Chancen, um zu wachsen als Mensch, noch mehr Motivation zu schöpfen, um dann das große Ziel doch noch zu erreichen, wenn auch vielleicht in einer anderen Art und Weise. Und was ich natürlich noch aus meinem Sport mitnehme, ist der Kampfgeist.
Improvisieren mussten Sie zuletzt auch: Das Greentech-Festival musste wegen Corona verschoben werden und nun teilweise virtuell stattfinden – welche Auswirkungen hat die Pandemie auf das Festival und Ihr persönliches Leben?
Wir haben so viel Support bekommen aus ganz Deutschland und Europa und uns inhaltlich sogar weiterentwickelt, denn wir haben noch die ganze virtuelle Komponente aufgebaut. Das ist das berühmte Pivoting (Änderung des Geschäftsmodells, Anmerkung der Redaktion), um Resilienz aufzubauen als Unternehmen in der Coronazeit. Darüber hinaus haben wir hauptsächlich durch Corona das Homeoffice entdeckt und gemerkt, wie viele Vorteile das hat, auch für uns persönlich. Alle können bei der Familie sein, alle reisen weniger – das ist schön.
(ftk)