Nachhaltigkeit
Interview

Das Leben 2034: Zukunftsforscherin blickt positiv auf die Welt von morgen

Die Zukunftsforscherin Anabel Ternès berichtet über Chancen, die die Transformation mit sich bringt.
Die Zukunftsforscherin Anabel Ternès berichtet über Chancen, die die Transformation mit sich bringt.bild: anabelternes.de
Interview

Vorteile und Chancen: Eine Zukunftsforscherin über die Lösungen von morgen

Anabel Ternès ist Zukunftsforscherin und gilt als einer der führenden Köpfe für eine nachhaltige und digitale Zukunft. Im Gespräch mit watson erzählt sie, woran der Klimaschutz scheitert, wie wir das Problem lösen können – und wie unsere Welt 2034 aussehen könnte. Spoiler: Sehr viel besser.
02.01.2024, 19:20
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watson: Ein Blick auf die politische Lage und die Stimmung in der Gesellschaft zeigt: Die Klimakrise hat an Relevanz verloren. Stattdessen sind andere Krisen in den Vordergrund gerückt. Warum?

Anabel Ternès: Krisen und gewalttätige Konflikte können starke Emotionen wie Angst, Trauer und Hilflosigkeit hervorrufen. Um sich vor emotionaler Überlastung zu schützen, können Menschen dazu neigen, sich von den Nachrichten und Ereignissen abzuschotten. Dazu kommen Selbstschutz und psychische Gesundheit: Ständige Berichterstattung über schlimme Krisen kann zu einer erhöhten psychischen Belastungen führen.

Zukunftsforscherin Anabel Ternès
Zukunftsforscherin Anabel Ternèsbild: anabelternes.de

Was kann man in solchen Situationen tun?

Es ist wichtig, auf die eigene psychische Gesundheit zu achten und sich eine Pause von den negativen Nachrichten zu gönnen. Und dann spielt bei vielen Menschen auch das Gefühl der Ohnmacht eine große Rolle. Bei komplexen internationalen Konflikten wie dem Ukraine-Krieg können Einzelpersonen das Gefühl haben, dass sie wenig Einfluss auf die Situation haben. Dieses Gefühl kann dazu führen, dass sie sich zurückziehen und ihre Aufmerksamkeit auf andere Aspekte lenken.

"Die Fridays-for-Future-Bewegung hat gerade in Deutschland viel angestoßen – und die Wirkung ist definitiv nachhaltig."

Und dann?

Tja. Ist der Krieg weniger schlimm geworden? Nein – und doch ist er kein tägliches Gesprächsthema mehr. Das ist bei uns Menschen per se so, weil wir uns nicht ständig in dieser Intensität mit Krisen auseinandersetzen können, das würden wir emotional gar nicht aushalten.

Das heißt, die Klimakrise wird aktuell als nicht mehr so beängstigend empfunden?

Die Fridays-for-Future-Bewegung hat gerade in Deutschland viel angestoßen – und die Wirkung ist definitiv nachhaltig. Die Wahrnehmung kann natürlich von Person zu Person variieren, und es ist schwierig, eine allgemeine Aussage darüber zu treffen, wie sie aktuell empfunden wird. Es gibt jedoch einige Trends und Diskussionen, die auf eine Veränderung der Wahrnehmung hindeuten könnten.

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Die da wären?

In den letzten Jahren hat das Bewusstsein für die Klimakrise zugenommen, insbesondere durch die Aktivitäten von Klimaschutzbewegungen wie Fridays for Future und Extinction Rebellion. Das hat zu einer verstärkten öffentlichen Debatte und einem größeren Bewusstsein für die Dringlichkeit des Problems geführt.

"Es ist extrem wichtig, dass die Menschen motiviert werden, selbst Dinge anzugehen und voranzubringen."

Erwachen die Menschen also langsam aus ihrer Angststarre?

Viele Menschen und Organisationen versuchen, von der Angst und dem Fatalismus wegzukommen und stattdessen Handlungsmöglichkeiten zu betonen. Der Fokus liegt auf Lösungen, Innovationen und kollektivem Handeln.

Wenn man sich Umfragen ansieht, fällt vor allem eines auf: Dass sich die Menschen über die Folgen der Klimakrise sorgen. Aber sobald politische Maßnahmen ins Gespräch kommen, entwickeln viele eine Abwehrhaltung. Woran liegt das?

Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen liegt in der Komplexität und den potenziellen Auswirkungen politischer Maßnahmen. Oftmals führen politische Lösungen zu Veränderungen im Alltag der Menschen, sei es durch neue Regulierungen, Kosten oder Einschränkungen. Diese Veränderungen können als Belastung oder Einschränkung empfunden werden, was zu einer Abwehrhaltung führen kann.

A view on a restaurant on Rue de Rivoli in Paris, France on June 6, 2023 (Photo by Foto Olimpik/NurPhoto via Getty Images)
Politische Maßnahmen wie die Verkehrswende führen zu Veränderungen im Alltag – das kann Ängste schüren. Bild: getty images / NurPhoto

Es geht also um individuelle Interessen und Wertevorstellungen?

Natürlich. Einige Menschen sehen die Vorteile und Chancen in den Maßnahmen, während andere mögliche Nachteile oder Kosten stärker betonen. Gleichzeitig hat das aber auch viel damit zu tun, wie die Maßnahmen politisch präsentiert werden.

Inwiefern?

Wenn die Diskussion über Klimaschutz von politischen oder ideologischen Kontroversen geprägt ist, kann das zu Polarisierung und Ablehnung führen. Eine klare und transparente Kommunikation über die Ziele, die Notwendigkeit und die Auswirkungen der Maßnahmen kann helfen, diese Abwehrhaltung zu verringern. Außerdem ist es extrem wichtig, dass die Menschen motiviert werden, selbst Dinge anzugehen und voranzubringen.

Und wie wäre das möglich?

Durch gezielte Aufklärung und Bildungsprogramme können Menschen über die Bedeutung von Nachhaltigkeit informiert und sensibilisiert werden. Das kann in Schulen, Universitäten, aber auch durch öffentliche Kampagnen oder Workshops erfolgen. Es ist wichtig, Menschen das Wissen zu vermitteln, um nachhaltige Entscheidungen treffen zu können.

Aber...

Sie müssen dann im nächsten Schritt auch die Möglichkeit haben, aktiv an nachhaltigen Projekten und Initiativen teilzunehmen. Das kann durch die Bereitstellung von Ressourcen wie Finanzierung, Infrastruktur oder technischer Unterstützung geschehen. Konkrete Beispiele dafür, wie Menschen befähigt werden können, nachhaltige Lösungen umzusetzen, sind etwa Gemeinschaftsgärten, Car-Sharing-Initiativen oder Repair Cafés.

ARCHIV - 03.03.2023, Berlin: Teilnehmer der Demonstration von Fridays for Future halten ein Transparent mit der Aufschrift "Haltet euch an die Klimaziele". Laut einer Forsa-Umfrage im Auftra ...
Wir brauchen das Gefühl, etwas gegen ein Problem unternehmen zu können, damit wir aus unserer Starre erwachen. Bild: dpa / Monika Skolimowska

Wie sieht es mit der Verantwortung der Unternehmen aus, die Sie dahingehend beraten?

Unternehmen, Organisationen und öffentliche Einrichtungen sollten als Vorbilder fungieren und nachhaltiges Handeln vorleben. Man muss dabei aber beachten, dass Menschen unterschiedliche Bedürfnisse, Interessen und Herausforderungen haben. Dementsprechend braucht es auch unterschiedliche Anreize: Von Förderprogrammen über steuerliche Vergünstigungen, Prämien oder soziale Anerkennung kann für jeden etwas anderes funktionieren.

Lassen Sie uns ein kleines Gedankenspiel machen, dafür springen wir zehn Jahre in die Zukunft – es ist das Jahr 2034. Wie sieht unsere Welt aus?

Im Jahr 2034 gibt es eine fruchtbare Zusammenarbeit von Regierungen, Unternehmen und der Zivilgesellschaft auf globaler Ebene, die vom holistischen, gesamtsystemischen und kollaborativem Ansatz geprägt ist. Ich hoffe, dass wir den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft geschafft haben und auf dem besten Weg sind, die Klimaneutralität zu erreichen.

"Ich glaube an die Vernunft im Menschen, seine Lebensgrundlage nicht zerstören zu wollen."

Die Erneuerbaren sind zur vorherrschenden Energiequelle geworden, der öffentliche Nahverkehr wurde ausgebaut. Außerdem sind Elektromobilität und alternative Verkehrskonzepte weit verbreitet. Ressourcen werden effizient genutzt und Abfall wird vermieden. Die Kreislaufwirtschaft ist zur Norm geworden.

Das klingt vielversprechend. Wie steht es um die soziale Gerechtigkeit?

Ungleichheiten werden aktiv bekämpft. Bildung, Gesundheitsversorgung und Chancengleichheit sind für alle Menschen zugänglich. Arbeitsbedingungen sind fair und menschenwürdig. Außerdem werden digitale Technologien nachhaltig eingesetzt, um innovative Lösungen für globale Herausforderungen zu finden. Daten werden verantwortungsvoll genutzt und der Datenschutz wird gewährleistet. Internationale Kooperation und Solidarität haben zu gemeinsamen Lösungen geführt. Nationen arbeiten zusammen, um globale Probleme wie zum Beispiel den Klimawandel, Armut und Konflikte anzugehen. Und noch etwas hat sich ganz wesentlich verändert.

FILE - Mitzi Jonelle Tan, of the Philippines, center, participates in a Fridays for Future protest calling for money for climate action at the COP27 U.N. Climate Summit, Nov. 11, 2022, in Sharm el-She ...
Anabel Ternès hofft, dass die Nationen schon bald besser zusammenarbeiten, um die Klimaprobleme zu lösen.Bild: AP / Peter Dejong

Was denn?

Die Menschen sind sich ihrer individuellen und kollektiven Verantwortung bewusst, jenseits von Ideologien oder Fanatismus. Nachhaltiges Denken und Handeln sind in der Gesellschaft fest verankert, und jeder Einzelne trägt aktiv zum positiven Wandel bei.

Sie malen das Bild einer vielversprechenden Zukunft. Wie optimistisch sind Sie, dass wir 2033 dort angekommen sind?

Ich bin Rheinländerin und glaube an die Vernunft im Menschen, seine Lebensgrundlage nicht zerstören zu wollen. Es ist ein hartes Stück Arbeit, aber ich werde alles tun, was in meinem Einflussbereich steht, damit wir die Energiewende und die Klimakrise gestemmt bekommen.

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