Nachhaltigkeit
Klima-Klartext

Fridays for Future: Glaube an Klimadiplomatie bei COP30 bröckelt

06.11.2025, Brasilien, Belem: Mit einem LED-Schriftzug «Klimakrise made by Merz» stehen Aktivisten von Fridays for Future bei einer Protestaktion in einem Park in Belem. Die Aktion findet in Vorfeld d ...
Mit einem Schriftzug "Klimakrise made by Merz" stehen Aktivisten von Fridays for Future in einem Park in Belém.Bild: dpa / Torsten Holtz
Klima-Klartext

Fridays for Future: Bei der COP30 in Belém bröckelt die Klimapolitik

Klimaschutz ist eine Notwendigkeit. Deshalb schreiben hier junge Aktivist:innen von Fridays for Future regelmäßig für watson über das, was sie bewegt – und was sich politisch bewegen muss. In dieser Woche schreibt Florian König über die COP 30.
08.11.2025, 12:5208.11.2025, 12:52
Florian König

Es war ein harter Monat für alle Klimabewegten: Einen Tag prognostizieren UN-Berichte 2,8 Grad Erderhitzung bei aktueller Politik, am nächsten besiegeln Forscher:innen das Korallensterben als unumkehrbar.

Ein Grund für die hohe Dichte an Reports und Veröffentlichungen dieser Tage ist nicht nur die tatsächliche Häufung katastrophaler Klimaereignisse, sondern auch die Aussicht auf die anstehende Weltklimakonferenz COP30, die in der kommenden Woche im brasilianischen Belém startet.

Wer von den Verhandlungen bislang nichts mitbekommen hat: Im Rahmen der Klimakonferenzen der Vereinten Nationen kommen jedes Jahr Delegationen aus fast allen Staaten der Erde für zwei Wochen zusammen, um über das zu verhandeln, was auf dem Papier die Zukunft der Menschheit sichern soll.

Ich finde diese Events aus mehreren Gründen faszinierend. Zum einen, weil sie große Aufmerksamkeit schaffen – ein Gut, von dem es für "das Klima" in den letzten Jahren immer weniger gibt, obwohl es nicht genug geben könnte. Während die Klimakrise im Alltag an ihrer Zeitlichkeit scheitert, schaffen diese zwei Wochen einen globalen Ausnahmezustand. Plötzlich wird wieder gestritten und berichtet. Es hat etwas von einer Sportgroßveranstaltung: Rituale, Abläufe, große Worte, viel Drama – nur oft ohne Sieger, aber garantiert mit vielen Verlierern.

COP 30 muss zeigen, was Klimakonferenzen bewirken können

Aber manchmal, wenn alles zusammenkommt, schieben diese Konferenzen tatsächlich etwas an. Da wäre das Pariser Abkommen 2015 und der Durchbruch zur Einrichtung eines "Loss and Damage"-Fonds im Jahr 2022, mit dem die vulnerabelsten Staaten beim Bewältigen der Klimaschäden unterstützt werden. Oder jüngst die Vereinbarung für die Klimafinanzierung für Entwicklungsländer bis 2035 1,3 Billionen Euro zu mobilisieren. Auch der globale Ausbau der Erneuerbaren Energien wäre ohne den Druck dieser Konferenzen wohl kaum so weit gekommen.

Dieses Jahr sollte eigentlich das Jahr der neuen Klimaziele werden – der sogenannten "Nationally Determined Contributions", kurz NDCs. Alle Staaten hätten ihre überarbeiteten Pläne vorlegen sollen, wie sie ihre Emissionen bis 2035 senken wollen.

Doch zunächst hielt kaum ein Land die Frist ein und dann zeigte sich, dass viele Ziele vage bleiben oder schöngerechnet wurden. Am Ende steht also die Frage, ob die Weltgemeinschaft überhaupt noch einen gemeinsamen Kurs findet – und wie sie mit der wachsenden Ambitionslücke im Kampf gegen die Erderhitzung umgeht.

Für die internationale Zusammenarbeit, den Kern der Klimadiplomatie, sind es grundsätzlich keine einfachen Zeiten. Auch die EU, die ihr 2040-Ziel nach deutscher Blockade verspätet und mit Schlupflöchern einreichte, ist kein Vorbild. Mit leeren Händen kommt sie zwar nicht, aber Führungsrolle klingt anders.

Der Amazonas als Bühne: Warum die COP 2025 so besonders ist

Wer die Klimakonferenzen ein wenig verfolgt, wird in diesen Tagen feststellen: So richtig weiß niemand, woher in Belém der große Durchbruch kommen soll. Dabei waren die Erwartungen einst riesig. Seit zwei Jahren fiebern alle der COP30 entgegen, die ausgerechnet in Belém, mitten im Amazonasgebiet, stattfindet – einem Ort, an dem das Ausmaß der Klimakrise in seiner ganzen Wucht spürbar ist. Und das auch noch endlich wieder in einer Demokratie mit einer lebendigen Zivilgesellschaft.

Eigentlich ist alles angerichtet für einen Wendepunkt. Schließlich gibt es neben dieser symbolträchtigen Kulisse auch etwas zu feiern: zehn Jahre Pariser Abkommen! Also den Moment, in dem nach Jahren der Blockade ein unvorstellbar großer Schritt für den Schutz unserer Lebensgrundlage gegangen wurde, ein, wenn nicht der Maßstab für Klimadiplomatie.

Florian König ist Klimaaktivist bei Fridays for Future und studiert in Hamburg im Master Peace and Security Studies.
Florian König ist Klimaaktivist bei Fridays for Future und studiert in Hamburg im Master Peace and Security Studies.Bild: florian könig / privat

Und tatsächlich steht mit dem TFFF, dem neu geschaffenen "Tropical Forest Forever Facility", ein Instrument, das das Potenzial hätte, zumindest teilweise Geschichte zu schreiben – wenn es ernst gemeint und in voller Konsequenz gedacht wäre. Es soll Mittel bereitstellen, um den Schutz tropischer Wälder langfristig zu sichern und indigene Gemeinschaften direkt zu unterstützen, die an vorderster Front für diese Ökosysteme kämpfen.

Doch noch ist offen, ob das Geld dort ankommt, wo es gebraucht wird – und ob es mehr wird als eine symbolische Geste. Denn auch dieser Fonds steht exemplarisch für die entscheidende Frage dieser COP: Geht es um echte Verantwortung – oder ein schnelles Schulterklopfen ohne langfristigen Erfolg?

COP30: Es fehlt an konkreten Handlungsvorschlägen

Und so wirkt es insgesamt, als sei die Luft raus. Die Verhandlungen werden technokratischer, kleinteiliger. Der Push auf großer Ebene fehlt. Es ist ein Ringen um minimale Fortschritte – darum, die Verantwortung elegant zu verschieben, statt sie endlich zu tragen – Grüße an die Bundesregierung und Friedrich Merz an dieser Stelle.

Es knirscht und hakt an allen Ecken und da hilft es sicher nicht, dass die Delegierten auch in Belém wieder mit logistischen Extrembedingungen rechnen müssen – überfüllte Räume, unzureichende Infrastruktur, Temperaturen jenseits der 35 Grad.

Wenn ich in den letzten Wochen mit einigen der "alten Hasen" dieser Konferenzen gesprochen habe, um ihre Einschätzungen zu hören, dann haben sie auf all das erstaunlich gute Antworten. Sie sprechen von schwierigen Zeiten, von geopolitischen Realitäten, von der Notwendigkeit, in größeren Zyklen zu denken. Und vieles davon stimmt, wenn man sieht, wie oft diese Konferenzen schon ohne Ergebnis endeten.

Aber mir wird das zu sehr rationalisiert. Zu ruhig, zu abgeklärt. Wir haben keine Zeit für weiteres Trödeln. Und ehrlich gesagt: Ich finde es beunruhigend, wie wenig beunruhigt viele sind. Die Tatsache ist doch: Noch immer steigen die Emissionen. Man hat das Gefühl, die Welt hat sich an das langsame Scheitern gewöhnt.

Während sich in den Verhandlungsräumen alles um Formulierungen, Fristen und Fußnoten dreht, rutscht draußen die Wirklichkeit weiter ab. Die Staaten, die am meisten zur Klimakrise beigetragen haben, liefern zu wenig und tun so, als wäre das einfach der Lauf der Dinge.

Aber es ist nicht alternativlos, es ist eine Entscheidung – jeden Tag aufs Neue. Wenn Europa in diesen Wochen seine Ziele aufweicht und Deutschland in Belém ohne klare Zusagen anreist, dann geht es nicht nur um Zahlen, sondern um Glaubwürdigkeit.

Und doch: Es gibt überall Menschen, die sich nicht damit abfinden. Die weiter Druck machen, weil sie wissen, dass Veränderung nie von allein kommt.

Weil sie verstanden haben, dass Hoffnung nichts Passives ist, sondern eine Praxis. Von Belém bis Berlin, von den Verhandlungssälen bis auf die Straßen – es liegt an uns, die Lücke zwischen Worten und Wirklichkeit wieder kleiner zu machen. So auch am 14.11. weltweit auf den Straßen – wir geben nicht auf!

Niederländisches Naturprojekt endete in Katastrophe – was wir daraus lernen können
Was als innovatives Rewilding-Projekt begann, endete 2018 in einem Massentod von tausenden Wildtieren. Sieben Jahre später ist das Gebiet wieder voller Leben und die Frage bleibt: Wie wild darf Natur sein?
In den 1980ern wollten niederländische Ökolog:innen wissen, was passiert, wenn man die Natur einfach machen lässt. Pure Wildnis also mitten im dicht besiedelten Europa.
Zur Story