
In der Abfallwirtschaft wird immer weniger Müll expotert, dennoch fordern Umweltschützer ein Umdenken. Bild: dpa / Bernd von Jutrczenka
Klima & Umwelt
Müll wird ins Ausland verschifft? Was merkwürdig klingt, ist seit langem Realität in der Abfallwirtschaft. Schiffe mit deutschem Plastikmüll an Bord steuern häufig einen Staat in Südostasien an.
Die Plastikmüll-Exporte aus Deutschland in andere
Staaten sind deutlich gesunken. Im Jahr 2020 seien schätzungsweise
986.000 Tonnen Kunststoffabfälle über die Grenze transportiert worden
und damit 10 Prozent weniger als im Vorjahr, teilte der Bundesverband
der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) auf
Anfrage in Berlin mit. Die Menge macht knapp ein Sechstel aller
hierzulande gesammelten Kunststoffabfälle aus. Der BDE bezieht sich
auf Daten des Statistischen Bundesamtes für den Zeitraum Januar bis
September, die der Verband dann bis Jahresende hochgerechnet hat – insgesamt ist es also nur ein Schätzwert. Der Preis pro Tonne
Kunststoffabfall lag bei 249 Euro, das war ein Minus von 20 Prozent.
Einen Grund nannte der BDE nicht. Branchenexperten zufolge spielen
strenge Importhemmnisse in China und anderen asiatischen Staaten eine
Rolle, die schon seit einigen Jahren gelten und den globalen
Abfallmarkt etwas ausgebremst haben. Außerdem dürfte sich die
Corona-Krise auswirken – durch die Pandemie kamen manche Geschäfte
nicht zustande, auch weil die Lieferketten beeinflusst waren.
Malaysia noch immer größter Abnehmer
Der Staat mit den meisten Plastikabfall-Importen aus Deutschland war – wie schon in den beiden Jahren zuvor – Malaysia, wohin rund 151.000
Tonnen verschifft wurden und damit 32.000 Tonnen weniger als 2019.
Auf Rang zwei folgen die Niederlande mit 142.000 Tonnen
Kunststoffabfällen, die Menge blieb ähnlich hoch wie zuvor. Auf dem
dritten Rang taucht nun die Türkei in der Exporttabelle auf, das Land
im östlichen Mittelmeer hat seine Kunststoffabfall-Importe binnen
eines Jahres auf 132.000 Tonnen in etwa verdoppelt. Schon seit 2017
haben die Ausfuhren gen Türkei deutlich angezogen. Polen, Hongkong,
Österreich und Indonesien spielen mit jeweils etwa 50.000 Tonnen
ebenfalls eine große Rolle als Abnehmer.
Müllexporte sind umstritten. Auf der einen Seite gilt Plastikabfall
als Rohstoff, der auch in anderen Staaten weiterverarbeitet werden
kann – etwa zu Kleidung aus Polyester, zu Straßenpollern oder zu
Kloschüsseln. Aus Sicht von Vertretern der Abfallbranche machen
solche Exporte Sinn, da sie Teil einer globalen Kreislaufwirtschaft
sind und dazu führen, dass weniger Plastik in Kraftwerken verbrannt
werden muss – grenzüberschreitende Abfalltransporte sind für sie ein
normaler Teil des Geschäfts.

Der Export von Plastik ist zu einem Geschäft geworden.Bild: www.imago-images.de / Baloncici
Tatsächlich hat Deutschland der BDE-Statistik zufolge nicht nur
Kunststoffabfall ausgeführt, sondern auch importiert – und zwar 479.000 Tonnen im Jahr 2020. Pro Tonne wurden 262 Euro gezahlt, ein Minus
von 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. "In einer globalisierten,
arbeitsteiligen Wirtschaft, die immer mehr zu einer
Kreislaufwirtschaft werden soll, kommt auch der Gewinnung von
Rohstoffen und dem Handel mit Rohstoffen eine wichtige Bedeutung zu",
sagt BDE-Präsident Peter Kurth. "Das gilt für Rohstoffe aus der Natur
wie für Rohstoffe aus der Abfallbehandlung."
Umweltschützer fordern Umdenken
Andererseits weisen Kritiker auf Risiken hin. So sorgten Aufnahmen
deutscher Verpackungsabfälle in der Natur in Malaysia für negative
Schlagzeilen. Greenpeace kritisiert, dass für einen Großteil der
Abfälle der Verbleib und die tatsächliche Verwertung im Ausland
"vollkommen unklar und unkontrolliert" seien. Die Umweltschützer
monieren, dass Prüfungen zu Abfallexporten nur vorgenommen werden
"können" und nicht müssen, wie aus einer Antwort der Bundesregierung
auf eine Grünen-Anfrage hervorgeht.
"Wir leben in Deutschland das Märchen einer Recycling-Lüge, frei nach
dem Motto 'Aus den Augen, aus dem Sinn!'", sagt
Greenpeace-Konsumexpertin Viola Wohlgemuth. Mit den Exporten
verschiebe Deutschland seine Probleme beim Umgang mit den
Plastikmüll-Massen in andere Staaten. Aus ihrer Sicht sollten
jegliche Plastikabfall-Exporte verboten werden – dadurch würde der
Druck steigen, den Kunststoff gut wiederzuverwerten oder
ausschließlich Verpackungen herzustellen, die wiederverwertbar sind.
Noch immer würden im Lebensmitteleinzelhandel Verpackungen
eingesetzt, die nicht recyclefähig seien und stattdessen verbrannt
würden, etwa bestimmte Schalen für Wurst oder Getränkekartons aus
Materialgemischen.

Plastikmüll kommt in Malaysia zum Teil unkontrolliert in die Natur, kritisieren Umweltschützer.Bild: www.imago-images.de / Zulfadhli Zaki
Das Thema ist ein heißes Eisen, das ist auch der Abfallwirtschaft
klar. "Die Sensibilität der Gesellschaft beim grenzüberschreitenden
Handel mit Kunststoffabfällen ist nachvollziehbar", sagt
BDE-Präsident Kurth. "Es braucht klare und vollzugstaugliche
Rahmenbedingungen, und es braucht Transparenz." Export und Import von
Abfällen müssten einer verbesserten Kreislaufwirtschaft dienen.
"Abfälle sollen dort eingesetzt werden, wo sie am besten behandelt
werden, und nicht unbedingt dort, wo sie anfallen", spricht sich der
Branchenvertreter grundsätzlich für Exporte aus. "Wenn das Regelwerk
zu Ökodumping missbraucht wird, muss die grenzüberschreitende
Abfallverbringung unterbunden werden, sonst entsteht keine
gesellschaftliche Akzeptanz", sagt Kurth. "Rohstoffe zu exportieren,
die in anderen Ländern auf Deponien landen, ist illegal – und muss
wirksam unterbunden werden."
Der BDE-Chef untermauert seine Forderung, dass Industrie und Handel
insgesamt mehr Rezyklate – also wiederaufbereitetes Plastik -
einsetzen sollen. Dadurch würde der Markt angekurbelt und mehr
Plastik als früher würde wiederverwertet und erneut eingesetzt.
(lau/dpa)
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