Pünktlich zur Halbzeit der Koalitionsregierung und zehn Tage vor den bundesweiten Klimastreiks forderte Fridays for Future die Bundesregierung dazu auf, ihre Klimapolitik zu verbessern. Im Zentrum der Kritik stand die Verzögerung des Klimageldes und die Verfehlung der Klimaschutzziele. Um die Einhaltung dieser Versprechen wird es konkret auch bei den bundesweiten Klimastreiks am 15. September gehen.
Trotz viel Kritik an den Aktionen der Letzten Generation sieht Luisa Neubauer weiterhin viel Support für die Klimabewegung in Deutschland. Im Gespräch mit watson sagt sie: "Die Unterstützung für den Klimaschutz oder die Klimapolitik ist nicht gesunken. Das Verständnis für den Protest ist gesunken." Doch sie räumt ein: "Das ist natürlich auch etwas, das uns betrifft."
Trotzdem sieht die Aktivistin nach wie vor einen großen Zuspruch der Deutschen, was auch das Umweltbundesamt bestätigt habe: "Die Menschen wollen mehrheitlich Klimaschutz. Sie wollen, dass die Regierung mehr macht und sie wollen mehrheitlich einen ökologischen Umbau der Wirtschaft." Das sei auch das Ziel von Fridays for Future: "Wir setzen uns für nichts anderes ein, als dass Klimaziele eingehalten werden, die die Regierung selbst gesetzt hat."
Neubauer kritisiert das Verhalten der Koalition. Sie sagt zu watson:
Um ihre klimapolitischen Forderungen politisch durchzusetzen, sprach Luisa Neubauer von einer "Allianz verschiedener Seiten". Deshalb waren auf der Pressekonferenz vor dem Bundeskanzleramt am 5. September unter anderem auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, sowie Ulrich Schneider, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands, anwesend.
Dort forderte Fridays for Future die Regierung dazu auf, endlich das im Koalitionsvertrag versprochene Klimageld umzusetzen. "Die Blockade von Klimageld ist eine Blockade von Klimaschutz", sagte Neubauer in der Pressekonferenz: "Die Ampel spielt auf Zeit, die man nicht hat." Das Klimageld sei stattdessen ein wichtiger Faktor, um soziale Gerechtigkeit und gesellschaftliche Sicherheit zu schaffen.
"Politischer Fortschritt wird in Deutschland von der Straße aus erkämpft", erklärt Fridays for Future Deutschland-Sprecher Pit Terjung. Am 15. September fordere man von der Koalition darum einen "Doppelwumms für Klima und Gerechtigkeit".
Luisa Neubauer sprach von den Hitzewellen und Überschwemmungen dieses Sommers und warnte: "Es gibt keinen Ort mehr auf der Welt, der sicher vor der Klimakrise ist."
Auch Ulrich Schneider vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband sprach sich ausdrücklich für konsequente Klimapolitik aus.
Er sprach davon, dass die Entlastungspakte der Bundesregierung eine "massive Schlagseite" hätten. "Maßnahmen wie das Kindergeld bringen nichts, wenn die Erde zerstört wird." Daher forderte er eine ökosoziale Wende und die Einführung des Klimageldes.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher betonte: "Klimapolitik ist gute Wirtschaftspolitik." Viele Studien zeigten, dass die größte Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand Deutschlands von dem Klimawandel ausgehe – und einer zu langsamen sozialen Transformation. Es gehe nicht um die Frage, wie man diese Klimapolitik finanzieren solle, sondern eher um die Frage: Wie kann man die Folgen der Klimakrise bezahlen?
"75 Prozent der Folgen und damit auch Kosten der Klimakrise wird von über der Hälfte der Weltbevölkerung mit den geringsten Emissionen getragen werden", sagte er. Es müsse darum dringend das Klimageld eingeführt werden, um die ärmeren Schichten zu entlasten und eine Umverteilung anzustoßen. Ein CO2-Preis alleine reiche da nicht.
Die Hälfte der Weltbevölkerung mit den geringsten Emissionen dagegen erleidet 75 Prozent der globalen Schäden und trägt damit auch die Kosten des Klimawandels.
Auch das 49-Euro-Ticket, das nachhaltige Mobilität erschwinglicher machen sollte, steht derzeit auf der Kippe: "Es geht nicht nur um den Erhalt, sondern es geht vor allem darum, dass wir grundsätzlich ein viel ambitionierteres, sozial gerechtes Ticketsystem brauchen", sagt Pit Terjung, Deutschland-Sprecher von Fridays for Future gegenüber watson. "Wir leben in einer Gesellschaft, in der Mobilität ein allgemeines Versprechen ist, und wir erleben, dass das Auto dieses Versprechen oft nicht einhalten kann."
Die Pendlerpauschale sei vor über 100 Jahren eingeführt worden, so Luisa Neubauer. Aber an der wolle man politisch nicht rütteln. Das 49-Euro Ticket gebe es erst seit ein paar Monaten, und schon jetzt fange der Verkehrsminister an, daran zu zweifeln. "Obwohl wir genau genommen eigentlich wieder das Neun-Euro-Ticket bräuchten", sagt die 27-Jährige. "Um ökologische Subventionen machen alle ein riesiges Theater, fossile Subventionen werden als historische Selbstverständlichkeit einfach so in Kraft gesetzt."
"Ich glaube, viele in diesem Land haben gehofft, dass die Ampel zumindest einen Bruchteil von ihren Versprechen umsetzen würde. Dass es nun nicht so ist, rüttelt natürlich am Geduldsfaden, der seitens der Klima-Bewegung immer kürzer wird", sagt Luisa Neubauer. Sie fügt hinzu: "Ich weiß nicht, ob die Bundesregierung oder der Kanzler sich so klarmacht, was das mit einem Demokratieverständnis von jungen Menschen macht."
Konkret kritisiert Luisa Neubauer: