Die Geschichte von Moby Dick kennt fast jede:r. Der besessene Kapitän Ahab macht Jagd auf einen riesigen, weißen Wal, der ihm einst ein Bein abgerissen hat. Nach einer langwierigen Reise voller Hindernisse und Herausforderungen findet er das Tier und will es mit einer Harpune töten. Spoiler Alert: Das gelingt ihm nicht.
Moby Dick zerstört das Schiff und bis auf ein Besatzungsmitglied stirbt die gesamte Crew; darunter auch der Kapitän. Der Wal symbolisiert in der Geschichte die unbändige Natur. Und auch wenn sein Alter nicht angegeben wird, wirkt Moby Dick fast wie ein zeitloses Wesen, das sich jeglicher menschlicher Beherrschung entzieht.
In Wirklichkeit sind Wale natürlich keinen zeitlosen Wesen. Sie sind genauso sterblich wie wir Menschen. Eine neue Studie zeigt nun aber: Einige Arten leben deutlich länger als bisher angenommen.
Das berichtet ein internationales Forschungsteam im wissenschaftlichen Fachmagazin "Science Advances". Demnach würden Wale der Familie Glattwale (Balaenidae) eine außergewöhnlich hohe Lebensdauer vorweisen. Der Südkaper könne demnach weit über 100 Jahre alt werden. Jeder zehnte Wal dieser Art sei den Forschenden zufolge älter als 130 Jahre.
Bisher war man davon ausgegangen, dass die Wale gerade mal 70 bis 80 Jahre alt werden. Für die ältesten Blau- und Finnwale hatte man ein Alter von ungefähr 110 beziehungsweise 114 Jahren festgehalten. Diese Tiere galten bis zuletzt als die ältesten dokumentierten, nicht-menschlichen Säugetiere.
Um das Alter eines Wals zu bestimmen, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Teilweise zählen Wissenschaftler:innen die Schichten an Ohrenschmalz oder Zahnwachstumsschichten. Es ist allerdings schwer, an solche Proben zu gelangen. Teilweise finden sie im Blubber, also Walspeck, aber auch archäologische Artefakte.
In der Studie werden beispielsweise Harpunenspitzen indigener Gruppen erwähnt, die aus Stein, Metall oder Elfenbein bestanden und zuletzt in den 1880er-Jahren hergestellt worden waren. Indigene Gruppen wie die Inuit gehen ohnehin schon lange davon aus, dass Wale weitaus älter werden können als oftmals angenommen.
So war es bislang aber schwer, das Alter unterschiedlicher Walpopulationen systematisch zu ermitteln. Gleichzeitig hat der industrielle Walfang dafür gesorgt, dass viele Tiere getötet wurden, die heute älter als 100 oder 130 Jahre alt sein könnten, erklären die Wissenschaftler:innen in ihrem Beitrag.
Das zeigt auch das Beispiel des Atlantischen Nordkapers, ebenfalls eine Glattwal-Art, von der aufgrund der starken Bejagung Schätzungen zufolge nur noch 200 bis 250 Tiere am Leben sind.
Und im Gegensatz zum Südkaper hat die Walart eine überraschend niedrige Lebenserwartung. Das Forschungsteam gibt ein Durchschnittsalter von lediglich 22 Jahren an. Nur jedes zehnte werde überhaupt älter als 47 Jahre.
Der Grund: der Einfluss des Menschen auf den Lebensraum der Wale. Die Tiere würden sich teils in Fischereiausrüstung verfangen, mit Schiffen kollidieren oder Hunger leiden, weil durch Umweltveränderungen womöglich Nahrungsquellen wegfallen.
Das Forschungsteam betont jedoch, dass auch Atlantische Nordkaper das Potenzial hätten, älter als 100 Jahre zu werden. Damit die Tiere aber wirklich solch ein Rekordalter erreichen, braucht es wohl (noch) effektivere Schutzmaßnahmen. Oder Moby Dick taucht wieder auf und erteilt dem ein oder anderen Walfänger eine Lektion.