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Stunde der Gartenvögel: Nabu-Experte über Vogelzähl-Aktion

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Kohlmeise oder Blaumeise? Das ist hier die Frage.Bild: imago images / McPHOTO
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Artenvielfalt: So steht es um unsere heimischen Vögel – wie man sie schützen kann

Jedes Jahr zum zweiten Mai-Wochenende ruft der Nabu zur "Stunde der Gartenvögel" auf. Freiwillige sollen an dem Wochenende eine Stunde lang Vögel zählen und ihre Beobachtungen melden. Daran lässt sich ablesen, wie es um die Vögel in Deutschland steht.
10.05.2025, 09:0010.05.2025, 09:00
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Amsel, Drossel, Fink und Star – wer ist überhaupt noch da? Das will der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) ganz genau wissen und ruft deshalb jedes Jahr zum zweiten Mai-Wochenende zur "Stunde der Gartenvögel" auf. Bei der bundesweiten Aktion sollen Freiwillige eine Stunde lang Vögel zählen und die Daten anschließend dem Nabu melden.

Die Regeln sind einfach: Man sucht sich einen festen Beobachtungspunkt, zum Beispiel den eigenen Garten, einen Balkon oder einen Platz im Stadtpark, und zählt eine Stunde lang alle Vögel, die man sieht (oder hört). Entscheidend ist dabei die höchste Anzahl der Vögel einer Art, die man gleichzeitig beobachtet.

Wenn also in einem Moment drei Amseln durch den Garten hüpfen und fünf Minuten später nur zwei, dann meldet man dem Nabu nicht fünf, sondern drei. Dadurch sollen Doppelzählungen vermieden werden. Die Ergebnisse können online über das entsprechende Formular, per App oder per Post gemeldet werden. Daraus lässt sich einiges über die Artenvielfalt der heimischen Vogelwelt ablesen.

Welches Zwitschern man immer seltener in Deutschland hört, wie verlässlich die Daten von Ornithologie-Laien überhaupt sind und ob die "Stunde der Gartenvögel" bald von einer KI übernommen wird, darüber hat watson mit Martin Rümmler gesprochen. Er ist Referent für Vogelschutz beim Nabu.

watson: Herr Rümmler, welchen Vogel haben Sie zuletzt in ihrem Garten gesehen?

Martin Rümmler: Das weiß ich gar nicht genau, aber zuletzt gehört habe ich den Gartenrotschwanz.

Und wie wird er dieses Jahr abschneiden? Schafft er es in die Top 10 der meist gezählten Vögel?

In die Top 10 wird er es wahrscheinlich nicht schaffen, aber vielleicht unter die ersten 20 oder 30.

Wie geht es unseren Gartenvögeln aktuell?

Insgesamt sind 43 Prozent der einheimischen Brutvögel in Deutschland gefährdet. Den Siedlungsvögeln speziell geht es dabei noch relativ gut. Nur bei denjenigen, die hauptsächlich Insekten fressen oder an Gebäuden brüten, beobachten wir einen leichten Abwärtstrend.

Woran liegt das?

Zum einen nimmt die Masse an Insekten ab, manchen Vögeln fehlt also zunehmend die Nahrungsgrundlage. Zum anderen sind Gebäudebrüter nicht gerne gesehen, weil sie natürlich auch Kot hinterlassen. Deswegen werden beispielsweise die Nester von Schwalben auch häufiger illegal abgenommen.

Sind das auch die Vögel, um die sich der Nabu gerade die größten Sorgen macht?

Ja, da kann man den Mauersegler, die Rauch- oder Mehlschwalbe nennen. Aber auch beim Feldsperling haben wir beobachtet, wie die Bestände in den letzten Jahren zurückgegangen sind, auch wenn man das in unseren Zählaktionen nicht so deutlich sieht.

ARCHIV - 12.06.2014, Hessen, Frankfurt/Main: Eng aneinander kuscheln sich zwei Mauersegler in Frankfurt am Main. (zu dpa: �Mauersegler nach Winterpause zur�ck in Hessen�) Foto: Boris Roessler/dpa +++  ...
Mauersegler brüten in der Regel an Gebäuden.Bild: dpa / Boris Roessler

Warum nicht?

Ein Problem ist sicherlich, dass manche den Feldsperling mit dem Haussperling verwechseln und der kommt relativ häufig vor.

Wie verlässlich sind die Daten der Ornithologie-Laien überhaupt, wenn sich solche Fehler einschleichen?

Solche Fehler können durchaus passieren, aber wir gehen davon aus, dass der Anteil der Fehlmeldungen jedes Jahr gleich ist. Dadurch können wir größere Auswirkungen bei den einzelnen Vogelmeldungen ausschließen. Am Ende geht es um die Vergleichbarkeit von Trends, wir versuchen keine absoluten Bestandszahlen zu ermitteln. In dem Fall wären solche Fehler fatal.

Wie steht es um die Vogel-Kenntnisse der Gen Z?

Tendenziell gibt es immer weniger Leute, die unterschiedliche Vogel-Arten erkennen können. Ich vermute, dass die Artenkenntnis bei der Gen Z geringer ist als noch in meiner Generation. Aber wenn ich mir die Naturschutzjugend anschaue, gibt es immer noch junge Menschen, die sich sehr für das Thema interessieren und auch dafür engagieren. Pauschalisieren kann man also nicht.

Welche Hilfsmittel zur Vogel-Beobachtung können Laien nutzen?

Zum einen kann man sich mit Leuten zusammentun, die schon etwas mehr Erfahrung haben oder man nutzt entsprechende Bücher, um die Vögel zu bestimmen. Zum anderen gibt es mittlerweile Apps, die Vogelstimmen erkennen können. Die sind durch KI schon gut ausgereift.

Apropos KI: Lange wird es Vogelzählaktionen mit menschlicher Unterstützung nicht mehr brauchen, oder?

Möglicherweise. In der Wissenschaft wird schon länger darauf hingearbeitet, dass man Lebensräume großflächig und 24/7 erfasst, indem man die Stimmen aufnimmt und KI-basiert auswerten lässt. Das passiert teilweise sogar schon, aber es gibt weiterhin Dinge, die Menschen immer noch besser einschätzen können als eine KI.

Zum Beispiel?

Kürzlich habe ich von einer Studie aus Schottland gelesen, in der eine KI beim Vogel-Monitoring Probleme hatte, die Anzahl der Vögel zu identifizieren. Sie hat also die Vogelstimmen erkannt, konnte aber nicht unterscheiden, ob es ein oder zwei Tiere sind. Das funktioniert beim Menschen noch besser, weil er die Vögel nicht nur hören, sondern meist auch sehen kann.

Das heißt für den Nabu werden die Vögel weiterhin von den Menschen gezählt und nicht von einer KI.

Ja, zumal man sagen muss, dass diejenigen, die häufiger an der "Stunde der Gartenvögel" teilnehmen, in der Regel auch mehr Arten melden. Die Artenkenntnis nimmt also mit jedem Mal sichtbar zu.

Blick in die Zukunft: Es gibt zwar immer weniger Feldsperlinge, gleichzeitig gibt es auch Arten, die sich weiter ausbreiten. Welchen Vogel werden wir künftig häufiger im Garten sehen?

Vielleicht nicht unbedingt im Garten, aber in Zukunft wird man wohl den Wiedehopf und den Bienenfresser häufiger zu Gesicht bekommen. Das sind zwei Arten, die aus dem mediterranen Raum stammen und vom Klimawandel profitieren. In den Städten sieht man aber auch immer öfter Waldvogelarten, zum Beispiel Buntspechte, Eichelhäher oder Ringeltauben.

dpatopbilder - 01.06.2022, Rheinland-Pfalz, Lambsheim: Bienenfresser sitzen in einer Kiesgrube auf einem Ast. Hier br�tet eine gr��ere Kolonie der bunten Insektenfresser. Foto: Boris Roessler/dpa +++  ...
Der Bienenfresser stammt aus dem Mittelmeerraum.Bild: dpa / Boris Roessler

Heißt das, die Vögel passen sich – ähnlich wie Füchse – an neue Lebensräume in den Städten an?

Ganz genau, Ringeltauben sieht man zum Beispiel immer häufiger an Gebäuden nisten, obwohl sie eigentlich Baumbrüter sind, und Buntspechte bauen ihre Höhlen nun teils in den Wärmedämmungen von Hausfassaden. Einige passen sogar ihren Gesang an.

Inwiefern?

Dadurch, dass es in der Stadt lauter ist als auf dem Land, singen Amseln und Drosseln dort auch lauter oder nutzen andere Frequenzlagen, um gegen dieses tiefe Brummen vom Stadtlärm anzukommen. Anpassung ist das Erfolgsrezept.

Die Zukunftsaussichten für unsere Gartenvögel sind also nicht ganz so düster. Aber was kann man konkret tun, wenn man die Vögel nicht nur zählen, sondern sie auch schützen will?

Wenn man einen Garten oder Balkon hat, kann man zum Beispiel einen Nistkasten oder Futterstellen anbieten. Allerdings betreibt man damit nicht automatisch Artenschutz, weil von solchen Maßnahmen häufig Arten profitieren, die es ohnehin schon häufig gibt. Ansonsten kann man sich in Naturschutzgruppen engagieren und die Lebensräume der Vögel pflegen. Noch effektiver ist es bei der nächsten Wahl einer Partei, seine Stimme zu geben, die für Vogelschutz und eine nachhaltige Landwirtschaft offen ist. Das kommt den Vögeln hierzulande zugute.

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