Nachhaltigkeit
Meinung

COP28: Ölkonzern-Chef wird Präsident der UN-Klimakonferenz – ein schlechter Witz

ARCHIV - 10.11.2021, Großbritannien, Glasgow: Sultan Ahmed al-Dschabir, Klimabeauftragter und Minister für Industrie und Hochtechnologie der Vereinigten Arabischen Emirate, spricht bei der UN-Klimakon ...
Ein Öl-Lobbyist wird schon bald auf dem Chefsessel der Weltklimakonferenz COP28 sitzen. Für unsere Zukunft zeichnet sich ein düsteres Bild ab.Bild: dpa / Christoph Soeder
Meinung

Dass ich nicht lache: Ölkonzern-Chef leitet Klimakonferenz COP28

12.01.2023, 18:58
Mehr «Nachhaltigkeit»

Nach der COP ist vor der COP. Und dass eine der ersten Meldungen zur Weltklimakonferenz COP28 einen Skandal verkündet, reiht sich ein in eine Endlosschleife von Absurditäten und Zumutungen in der internationalen Klimapolitik.

Stattfinden wird der UN-Klimagipfel vom 30. November bis zum 12. Dezember diesen Jahres, in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Genauer gesagt in Dubai. Und als wäre es nicht bizarr genug, dass ein Land, das zu den größten Ölproduzenten der Welt gehört, den wichtigsten Gipfel zur Bewältigung der Klimakrise ausrichtet, wurde soeben noch Sultan Ahmed Al Jaber zum Präsidenten eben dieser ernannt.

Der Name sagt euch nichts im Zusammenhang mit der Klimakrise?

Wie auch – steht Al Jaber doch auf der anderen Seite.

FILE PHOTO: United Arab Emirates' Industry Minister Sultan Ahmed Al Jaber speaks during the Abu Dhabi International Petroleum Exhibition and Conference (ADIPEC) in Abu Dhabi, United Arab Emirates ...
Noch auf der letzten COP trat Al Jaber im Namen des staatlichen Ölkonzerns für fossile Energien ein. Bild: X04127 / AMR ALFIKY

Auf der dunklen Seite der Macht.

"Das ist, als würde der Schlachtbetrieb Tönnies die deutsche Bevölkerung dazu aufrufen, sich vegan zu ernähren."

Der Seite also, die Antreiber und nicht Bremser der Klimakrise ist. Nicht nur ist Al Jaber Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate, er ist auch Geschäftsführer einer der größten staatlichen Ölkonzerne, der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC). Damit ist er einer der einflussreichsten Vertreter der Ölindustrie weltweit. Also Teil der Lobby, die jahrzehntelang Zweifel bezüglich der menschengemachten Klimaerhitzung gesät und jeglichen wirksamen Klimaschutz blockiert hat.

Und eben dieser Mann ist jetzt Präsident der COP28, also quasi oberster Klimaretter von Hauptberuf.

Das ist, als würde der Schlachtbetrieb Tönnies die deutsche Bevölkerung dazu aufrufen, sich vegan zu ernähren. Während er fleißig weiter Schweine zu Billigfleisch verarbeitet, wohlgemerkt.

Oder als würde ein:e Lobbyist:in der Autoindustrie die Menschen dazu bringen wollen, Autos stehenzulassen und lieber auf Fahrrad, Bus und Bahn umzusteigen.

"Die Absurdität in der Klimapolitik hat mit dieser Verkündung ein neues Level erreicht."

Also völlig unvorstellbar.

Ein schlechter Witz.

Die Absurdität in der Klimapolitik hat mit dieser Verkündung ein neues Level erreicht. Und das ist gar nicht so leicht. Hat man doch, wenn man die Berichterstattung über die Klimakrise verfolgt, tagtäglich das Gefühl, schlimmer geht nimmer. Kleiner Spoiler: Leider doch.

In den Vereinigten Arabischen Staaten ist Al Jaber ein bekannter Kopf, gilt als das Gesicht der Energiepolitik überhaupt. 2006 gründete er, der beste Kontakte zu Konzernchefs und politischen Entscheider:innen auf der ganzen Welt pflegt, Masdar. Eine Firma, die sich auf umweltfreundliche Energien spezialisiert hat.

Immerhin, könnte man jetzt sagen. Denn die Golfstaaten investieren allesamt viel Geld in die erneuerbaren Energien. Das hängt allerdings vor allem damit zusammen, dass die Länder auf der arabischen Halbinsel realisiert haben, dass ihre Gas- und Ölreserven endlich sind. Derzeit aber verdienen sie sich dank der globalen Energiekrise ein goldenes Näschen.

Und das wird auch noch eine ganze Weile so weitergehen, denn das Bruttoinlandsprodukt hängt zu einem Drittel von Öl und Gas ab. Eine Energiewende auf Knopfdruck ist also aussichtslos. Vertreter:innen der Emirate machen auch keinen Hehl daraus, dies nach außen hin zu zeigen: Erst im vergangenen Monat blockierten sie bei UN-Gesprächen in London etwa Bemühungen um eine schnellere Senkung der Schiffsemissionen.

"Da wird der Verdacht laut, dass mit einem Öl-Boss im Chefsessel der wichtigsten Klimakonferenz fossile Geschäftsgrundlagen gefestigt werden sollen."

Da hilft es wenig, dass sich die Emirate offiziell dazu bekannt haben, ihre Emissionen bis 2050 unterm Strich auf null zu senken. Deutet sich derzeit doch ein gegenteiliges Bild an: Al Jaber plädierte erst kürzlich dafür, die jährlichen Investitionen in fossile Brennstoffe bis 2030 um 600 Milliarden Dollar anzuheben. 600 Milliarden Dollar – was für eine Summe!

Da wird der Verdacht laut, dass mit einem Öl-Boss im Chefsessel der wichtigsten Klimakonferenz fossile Geschäftsgrundlagen gefestigt werden sollen. Und was das für die Welt bedeutet, können wir heute bereits erahnen: Überschwemmungen. Dürre. Wasserknappheit. Hungersnöte. Steigende Meeresspiegel. Schmelzende Gletscher. Die Liste ließe sich endlos fortführen.

Schon die COP27 in Ägypten hatte die schwedische Fridays-for-Future-Aktivistin Greta Thunberg als "Greenwashing"-Veranstaltung bezeichnet. Schon damals traf sie einen wunden Punkt. Reichen die von den Staatsoberhäuptern gefeierten Ergebnisse doch bei weitem nicht aus, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten.

Was nur wird die bekannte Klimaaktivistin dann erst zu Al Jaber als obersten Klimaschützer der COP sagen? Besonders nett wird es sicher nicht sein.

"Mit jedem Jahr und jeder COP sinkt die Wahrscheinlichkeit, das 1,5-Grad-Ziel noch einzuhalten weiter."

Umwelt- und Klimaschützer jedenfalls kritisieren die Ernennung Al Jabers scharf. Sie warnen schon jetzt, dass dadurch wertvolle Zeit im Kampf gegen die Erderwärmung verspielt werden und Fortschritte eliminiert werden könnten.

FILE - Demonstrators pretend to resuscitate the Earth while advocating for the 1.5 degree warming goal to survive at the COP27 U.N. Climate Summit, Nov. 16, 2022, in Sharm el-Sheikh, Egypt. United Nat ...
Das 1,5-Grad-Ziel ist politisch kaum noch zu erreichen.Bild: AP / Peter Dejong

Zeit, die wir nicht länger haben.

Denn mit jedem Jahr und jeder COP sinkt die Wahrscheinlichkeit, das 1,5-Grad-Ziel noch einzuhalten, weiter.

Da macht es wenig Mut, dass das Ziel rein technisch noch zu erreichen wäre. Denn die Grundlage dafür wäre eine mutige, effiziente Politik. Mit einem Öl-Lobbyisten an der Spitze der nächsten COP können wir darauf wohl vergeblich hoffen.

Wetter in Deutschland: Frühling liegt in der Luft – Sonne und 20 Grad winken

Diese Woche ist es so weit und der Winter verabschiedet sich ganz offiziell. Zwar hat der Frühling meteorologisch gesehen schon am 1. März begonnen, Frühlingsluft war seitdem aber kaum zu spüren. Das dürfte sich nun ändern. Am Mittwoch ist der kalendarische Frühlingsanfang. Pünktlich zu diesem Meilenstein zeigt sich das Wetter vielerorts auch von seiner besten Seite.

Zur Story