Nachhaltigkeit
Nachhaltig leben

Was wir von Weihnachten 1920 über Nachhaltigkeit lernen können

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Gläserne Christbaumkugeln waren im letzten Jahrhundert wertvoll und wurden oft von Generation zu Generation weitergegeben.Bild: E+ / mammuth
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DIY-Baumschmuck und Zero Waste: Was wir von Weihnachten 1920 über Nachhaltigkeit lernen können

14.12.2020, 16:0009.02.2021, 17:09
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Die Tannennadeln duften, die Christbaumkugeln funkeln, der Plätzchenteller steht bereit und unter dem festlich geschmückten Baum warten die Geschenke darauf, ausgepackt zu werden. Während die Familie im Kerzenschein das Festessen verspeist, bilden sich am Fensterrahmen Eiskristalle und dicke Schneeflocken wirbeln leise durch die Winternacht... Halt! Spätestens an dieser Stelle sollte klar sein, dass etwas nicht stimmt, Schnee an Weihnachten gibt es schließlich nur noch bei "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel".

Doch wir erleben nicht den Heiligen Abend des Jahres 2020, sondern feiern den des Jahres 1920. Statt der Smartwatch liegt selbstgeschnitztes Holzspielzeug unterm Tannenbaum, und auch wenn vieles schon an unser heutiges Weihnachtsfest erinnert, geht es doch deutlich bescheidener zu – und nachhaltiger. Warum also nicht mal Weihnachten feiern wie vor hundert Jahren?

Wer hinter diesem Gedanken allzu viele Entbehrungen befürchtet, kann gleich aufatmen: Der Tannenbaum durfte auch schon damals in keiner festlich geschmückten Stube fehlen – sofern das nötige Kleingeld dafür vorhanden war, versteht sich. War er seit dem Jahr 1800 vor allem in gehobenen Bürgerhäusern in München, Zürich, Wien und Siebenbürgen zu finden, wurde er Ende des 19. Jahrhunderts auch im Kleinbürgertum immer beliebter, nachdem der preußische König im Kriegswinter 1870/71 Tannenbäume in den Unterständen und Lazaretten aufstellen hatte lassen.

Abundant toys are underneath a traditionally decorated Christmas tree, c. 1920. A boy and girl stand beside holiday tree in their home. Modern motor vehicles are among the presents under the tree BSLO ...
Ein geschmückter Weihnachtsbaum und eine Menge Geschenke, das gab es auch schon vor hundert Jahren – allerdings nur in wohlhabenden Familien.Bild: www.imago-images.de / Everett Collection

Bei den Bäumchen, die sich unsere Urgroßeltern in ihr Wohnzimmer stellten, handelte es sich aber wohl kaum um in dänischen Monokulturen gezüchtete Nordmanntannen – die heimische Fichte war der Baum der Wahl. Bauern, die ein Stückchen Wald besaßen, schlugen die Bäume zur Weihnachtszeit und verkauften sie auf dem Hof an ihre Nachbarn. Von Pestiziden keine Spur. Wer sicherstellen möchte, dass das auch noch beim 2020er-Baum der Fall ist, der sollte einen Baum mit Biolabel kaufen. Und auch eine Tanne aus der Region zu kaufen, dürfte kein Problem sein. Richtig nachhaltig wird's, wenn der Christbaum im Topf kommt, nur ausgeliehen wird, und nach dem Fest zurück in den Wald darf.

Baumschmuck? Alles selfmade!

Nachdem wir einen Baum besorgt haben, stellt sich die Frage: Womit wird er geschmückt? Der Bürger von Welt aus dem Jahr 1920 kaufte dafür natürlich nicht jedes Jahr neuen Baumschmuck. Gläserne Christbaumkugeln waren besonders wertvoll und wurden oft von Generation zu Generation weitergegeben. Und wer weiß, vielleicht sind in einem Karton auf dem Dachboden des Elternhauses noch heute welche versteckt? Wem doch nach etwas Neuem war, bastelte damals Strohsterne oder Christbaumschmuck aus Papier, Holz oder Sauerteig. Das funktioniert natürlich auch heute noch und macht den Weihnachtsbaum ein kleines bisschen individueller. Auch getrocknete Apfelscheiben oder Zimtstangen machen sich an dessen Zweigen übrigens gut.

In einer Sache sind wir mittlerweile aber deutlich nachhaltiger unterwegs als noch vor hundert Jahren: Christbäume waren damals oft über und über mit Lametta behangen, das umweltschädliches Blei enthielt. Davon sind wir inzwischen weit entfernt, in Deutschland wurde die Lamettaproduktion 2015 sogar ganz eingestellt. Sad, but true: Die Eiszapfen, die die Lamettafäden an den Tannenzweigen symbolisieren sollen, kennen wir ja ohnehin kaum mehr aus dem echten Leben.

Greeting card features a colorized photograph of a family gathered around a small Christmas tree that sits on a low table, accompanied by the text 'Muchas Felicidades' (translated from Spani ...
Nachkolorierte Weihnachtskarten waren im Spanien vor hundert Jahren offenbar der Hit.Bild: Archive Photos / Transcendental Graphics

In diesem wie im vergangenen Jahrhundert ein essenzieller Bestandteil des Weihnachtsfestes: ein gut gefüllter Plätzchenteller. Haselnussmakronen, Zimtsterne, Springerle, Albertle, Lebkuchen und Pfeffernüsse durften schon vor hundert Jahren nicht fehlen, und natürlich waren sie alle selbst gebacken. Wer wenig hatte, backte aus den einfachsten Zutaten wie Mehl, Zucker und Fett Ausstecherle – und zwar oft mit den Nachbarn zusammen im Backhaus der Gemeinde, schließlich hatten nur wenige einen eigenen Ofen. Und sind wir mal ehrlich: Gemeinsam mit dem Lieblings-Haushalt im Teig zu kneten und Plätzchen auszustechen, klingt auch noch im Jahr 2020 nach einer verdammt fabelhaften Idee.

Zero-Waste-Weihnachtsessen gab's schon 1920

Neben dem obligatorischen Plätzchenteller stand in wohlhabenden Familien ein üppiges Festmahl an, spätestens an den Weihnachtsfeiertagen kam ein Braten auf dem Tisch. Wer weniger hatte, sparte wochenlang Lebensmittel, um daraus an Weihnachten etwas zaubern zu können. Kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs sollen die Frauen sogar Rezeptvorschläge bekommen haben, die halfen, Reste und vermeintliche Abfälle wiederzuverwenden und in ein schmackhaftes Weihnachtsmenü zu verwandeln – Zero-Waste-Küche vom Feinsten. Wer sich im November eine Martinsgans hatte leisten können, ließ deren Fett aus und bewahrte es fürs Kochen des Weihnachtsmenüs auf. Dass regional und saisonal gegessen wurde, ist ohnehin klar.

Warum also nicht auch 2020 mal ein Weihnachtsmenü mit frischen Zutaten aus der Region kochen? Im Dezember werden beispielsweise Rote Beete, Rot- und Grünkohl, Lauch, Schwarzwurzel, Champignons und Spinat geerntet. Wer dann auch noch das Fleisch weglässt, bekommt extra Nachhaltigkeits-Punkte. Denn während die Gans vor hundert Jahren noch verhältnismäßig gemächlich ihrem weihnachtlichen Exodus entgegenleben durften, werden Weihnachtsgänse heute in wenigen Wochen auf Festtagsbraten-Gewicht gestopft und teilweise sogar bei lebendigem Leib gerupft. Vor hundert Jahren war das Weihnachtessen bei manchen Familien übrigens auch schon vegetarisch. Grund dafür war damals allerdings nicht der Klimawandel und miese Haltungsbedingungen in der Massentierhaltung, sondern das fehlende Geld.

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Diese feuchtfröhliche Gesellschaft wurde in der Weihnachtszeit 1928 aufgenommen.Bild: imago stock&people / Gerhard Leber

So üppig das Weihnachtsmahl bei wohlhabenden Familien war, so üppig waren auch die Geschenke unter dem Christbaum: Puppenhäuser und Porzellanpuppen lagen da, Kaufläden, Eisenbahnen oder Bücher. Wenn wir ein bisschen mehr Bescheidenheit an Weihnachten zelebrieren wollen, sollten wir uns also eher an den Weihnachtsgeschenken der weniger wohlhabenden Familien des vorigen Jahrhunderts orientieren.

Dort bekamen die Kinder teilweise nicht mehr als eine Apfelsine, die damals noch besonders außergewöhnlich war, oder praktische Dinge wie Socken oder neue Schuhe. Zugegeben, das gut gemeinte Paar Socken hat am Weihnachtsabend wohl schon für manch einen Familienstreit gesorgt, aber selbst gestrickt kann man damit vielleicht doch zumindest dem ein oder anderen eine Freude machen.

Stille, palmölfreie Nacht

Lagen an Weihnachten 1920 in der Durchschnitts-Familie doch Spielsachen unterm Baum, waren diese übrigens oft selbstgemacht. Aus Holz wurden Schiffe oder Spielfiguren geschnitzt, altes gebrauchtes Spielzeug wurde frisch lackiert und hergerichtet. Zudem wurden aus Stoffresten neue Kleider genäht. Und eigentlich ist Selbermachen statt neu kaufen auch heute noch eine gute Idee. Wenn aus Verzweiflung in letzter Sekunde irgendein in Fernost produzierter Kitsch gekauft wird, der den Beschenkten erst peinlich berührt erröten lässt und dann im Restmüll verschwindet, ist jedenfalls nichts gewonnen. Ein selbst gemachtes Badesalz, eine Handcreme, Pralinen oder Kerzen aus eigener Herstellung zeigen genauso, wie wichtig uns der Beschenkte ist – und sind irgendwann einfach aufgebraucht.

Was zu Weihnachten 1920 sonst noch gehörte? Der Kirchgang in die Mitternachtsmette und das gemeinsame Musizieren unterm Tannenbaum. Ob es der Stimmung wirklich förderlich ist, die Weihnachts-Spotify-Playlist durch wiederentdeckte Blockflöten-Skills zu ersetzen, muss natürlich jeder selbst entscheiden. Wichtiger ist, welche Kerzen während der musikalischen Darbietung brennen. Denn billig produzierte Kerzen enthalten heutzutage oft das möglicherweise gesundheitsschädliche Paraffin oder Palmöl, das, wie wir wissen, nicht ganz unschuldig an der Abholzung des Regenwalds ist. Besser ist es deshalb, zu Kerzen aus Bienenwachs zu greifen oder aus alten Kerzenresten neue zu gießen – womit wir wieder ganz auf der Linie unserer Vorfahren des vorigen Jahrhunderts wären.

Diese schickten sich zu Weihnachten übrigens viele Grüße per Post, schließlich gab es weder Telefon noch Internet. Und vielleicht ist das eine letzte Inspiration für dieses Weihnachtsfest. Denn ganz egal, in welchem Jahrhundert, ob mit Pandemie oder ohne: Wenn andere zu Weihnachten an uns denken, freut uns das immer.

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